Peter Hujar's Day – Kritik

In einer schick eingerichteten und mit kunstvollen Zigarettenrauchschwaden gefüllten Wohnung trifft sich der Photograph Peter Hujar mit der Schriftstellerin Linda Rosenkranz. Ira Sachs’ Film ist eine verträumt dahinplätschernde Ergründung des Banalen.

Regisseur Ira Sachs, Kenner und Verbreiter eines wohlig-künstlerischen Indie-Komforts und Meister im nuancierten Filmen von Körpern, wendet sich mit Peter Hujar’ s Day dem Alltag zu. Nach dem verstrickten Beziehungsgeflecht, das er zuvor mit Passages entwarf, hören wir in seinem neuesten Film dem New Yorker Photographen Peter Hujar (Ben Whishaw) dabei zu, wie er der befreundeten Schriftstellerin Linda Rosenkranz (Rebecca Hall) minutiös davon berichtet, wie er den vorherigen Tag verbracht hatte. Rosenkranz wollte ursprünglich, ausgehend von Hujars Bericht und dem anderer Künstlerfreund:innen, ein Buch schreiben, das jedoch unvollendet blieb. Erst 2019 wurde ein Transkript der Konversation der beiden Künstler:innen gefunden, das Sachs nun als Vorlage für ein herausfordernd minimalistisches Kammerspiel diente. Eine Handlung oder einen Konflikt im konventionellen Sinne gibt es nicht, es werden auch keine Änderungen im Leben der Figuren erzählt.

Porträt des Künstlers als gewöhnliches Alltagstier

Was ist das stattdessen für ein Film? Ein Loblied auf die Banalität des Alltags und gleichzeitig das Porträt eines Künstlers als gewöhnlicher Mensch. Was hat Hujar am Vortag gemacht? Hauptsächlich Anrufe entgegengenommen, geschlafen, etwas gearbeitet und gegessen. Das alles erfahren wir in einem langgezogenen, nur manchmal unterbrochenen Monolog, der mindestens zwei Tage und mehrere Ortswechsel innerhalb der Wohnung beansprucht und so verkrampft zu unterstreichen versucht, wie viel in einem Tag doch passieren kann. Whishaws natürlicher Charme strömt aus den in krisseligem 16-mm gefilmten Bildern, wenn er sich von Raum zu Raum bewegt und elegant und pausenlos Zigaretten raucht, während Hall, selbst in ihrer limitierten Rolle als Zuhörerin, eine warme, empathische Präsenz entfalten kann. Ihr liebevolles Miteinander, wie sie den Tisch füreinander decken oder im Bett liegen, ist präzise gespielt und zeugt sowohl vom Talent der Schauspielenden als auch von Sachs’ Beobachtungsgabe, die eine tiefgehende Beziehung in wenigen, spezifischen Gesten einfangen kann.

Doch nicht diese Beziehung ist der Fokus, sondern das Spiel mit der Langeweile, die sich trotz der nur 75-minütigen Laufzeit bei der unnachgiebigen Beschäftigung mit einem diesen Grad an Genauigkeit scheinbar nicht verdienenden Tag einstellt. Die Idee hat zwar etwas Subversives und erfrischend Experimentelles. In der konkreten Ausformung aber ist die Einsicht, dass auch der blanke Alltag eines Filmes und der Kunst würdig ist, schlicht nicht neu genug, um einen Film allein tragen zu können. Wir erhalten keinen direkten, visuellen Zugriff auf Hujars Tag, sondern erfahren von ihm nur durch seine Erzählung. Das kreiert eine Distanz zu den Ereignissen, die der Film weder produktiv einzusetzen noch aufzulösen weiß. Sachs’ Inszenierung ist zu dünn, um ein Gefühl für den von den Figuren eingenommenen Raum zu kreieren, weil dieser Raum nur Staffage für Hujars Monolog bleibt. Da dieser Monolog aber in seiner kleinteiligen Aufzählung von Gewöhnlichem vehement die eigene Unbedeutsamkeit unterstreicht und der Film in dieser bloßen Geste zugleich seine Pointe sieht, fällt es schwer, ihm abseits dieser Oberfläche mehr abzugewinnen.

Die Interview-Situation wird nur manchmal durch von Opernmusik untermalte Einstellungen unterbrochen, in denen die Figuren, in impressionistische Schattenspiele getaucht, bedeutsam in die Kamera blicken. Doch diese emotional wie visuell überstilisierten Momente sind zu kurz, um den Film vor seiner eigenen Banalität zu retten. Sie bieten eine Abwechslung, die jedoch ins Leere läuft, weil sie keinen wirklichen Bezug zum Rest des Filmes herstellen können. Als mögliche Einsicht in die Dramatik, die der erzählte Alltag für die Figuren besitzen könnte, greifen sie zu kurz, weil das Interview selbst in größtenteils gehauchten, undramatischen Tönen gehalten wird. Als bewusster Kontrast zum Interview wirken sie wie eine unnötige Komplikation, denn wozu diese Übertreibung, wenn der Punkt darin liegt, dass der ungeschmückte Alltag ausreicht?

Sein einziger und bester Zuschauer

So entsteht im Laufe des in seine eigene Ziellosigkeit verliebten Films kaum mehr als ein vages Bild eines Künstlers, der genauso gut auch hätte namenlos bleiben können. Sachs ergründet nicht, was Hujar als Photographen interessierte; die Hauptfigur lässt nur eine nichtssagende Bemerkung darüber fallen, dass bessere Bilder entstehen, wenn er sich mit seinem Subjekt länger beschäftigen kann. Weitaus mehr interessiert sich der Film für die Namen, die Peter Hujar kannte. Berühmte Schriftstellerinnen wie Susan Sontag und Fran Leibowitz waren ihm ebenso vertraut wie William S. Burroughs und Allen Ginsberg. Um diesen Szenen folgen zu können, muss man sich schon selbst in der New Yorker Literaturszene der 1970er auskennen, da sonst verwirrend erscheint, warum diesen Namen so viel Raum gegeben wird. Peter Hujar’s Day ordnet sie nicht ein, weil sie Hujar und Rosenkranz bereits bekannt sind. Hujars Person ist letztlich nur ein Vorwand dafür, sich in Reminiszenzen über die New Yorker Kunst-Szene der 70er-Jahre zu verlieren. Dass der Film sich im Abspann für seine eigene Leistung wortwörtlich selbst applaudiert, lässt ihn vollends in eine Prätention abdriften, für die er der einzige und beste Zuschauer bleibt.

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