Peninsula – Kritik

Auf einem Friedhof namens Seoul soll eine Gruppe Exil-Koreaner im Auftrag eines US-Unternehmers Geld sammeln. Ihr Hauptproblem, mal wieder: Zombies. Peninsula setzt auf viele Tränen und Streicher, und steht vor allem unter dem Unstern unserer Pandemie.

Als die Kinos in Südkorea diesen Sommer langsam wieder öffneten, avancierte die heimische Produktion Peninsula von Yeon Sang-ho schnell zum ökonomisch erfolgreichsten Streifen seit dem Höhepunkt der Corona-Pandemie Mitte März. Auch im Film geht es um ein Virus, eines, das die Menschen, die es befällt, zu schrecklich anzuschauenden kannibalistischen Monstern macht, sprich: zu Zombies. Das Genre, dem Peninsula also zuzuordnen ist, wurde in der Vergangenheit unzählige Male als Analogie für ebenso zahllose gesellschaftliche Phänomene – Massenkonsum, Rassismus, Kapitalismus, Klimawandel – bemüht, und auch heute zwingt es sich geradezu auf, Parallelen zu unserer Zeit zu ziehen. Natürlich einerseits zum Virus selbst, zur Angst vor Ansteckung, dem Verdacht, der auf jeden fällt, der auch nur in der Nähe der Infizierten war. Andererseits aber auch zum zentralen moralischen Konflikt, der unsere doch eigentlich so individualistischen Gesellschaften aktuell so sehr beschäftigt wie sonst nie: Solidarität versus Egoismus.

Held und Virus auf dem Schiff

Mit Train to Busan, auf dem Peninsula lose aufbaut, hatte Yeon Sang-ho im Jahre 2016 bereits den größten koreanischen Kinohit aller Zeiten gelandet. Nicht zuletzt war dieser Film, in dem sich eine Schar gefräßiger Untoter von vorne bis hinten durch einen Zug wälzt, eine Reaktion auf ein anderes Coronavirus, MERS-CoV, das im Jahr zuvor mehrere asiatische Länder heimgesucht hatte. Es folgte eine nach wie vor andauernde Blüte des koreanisches Zombiefilms, und jetzt, mitten in den Wirren einer noch viel schrecklicheren Epidemie, Yeon Sang-hos zweiter Beitrag zum Genre. Und wie schon im ersten Teil gruppieren sich Figuren und Ereignisse um zwei Extreme herum: die skrupellose Durchsetzung der eigenen Interessen auf der einen Seite, und die selbstlose Aufopferung für das Gemeinwohl auf der anderen.

Peninsula spielt wie sein Vorgänger größtenteils auf der koreanischen Halbinsel. Diese ist komplett von Zombies übernommen, nur wenige konnten in die Nachbarländer fliehen, bevor die Grenzen sich schlossen, und wem es dennoch gelang, der sieht sich jetzt überall als Aussätzigen behandelt. Zu den Überlebenden zählen auch Jung-seok (Gang Dong-won), Ex-Soldat und beinharter Überlebenskämpfer, und sein Schwager Cheol-min (Kim Do-yoon). Die beiden haben es nur bis nach Hong Kong geschafft, weil Jung-seok nach Ausbruch der Pandemie seine Kontakte hat spielen lassen und mit Schwester, Schwager und Neffe im Auto auf dem Weg zum rettenden Schiff eine verzweifelte Familie am Straßenrand sitzen ließ.

Doch nicht nur der Held, sondern auch das Virus hat es auf das Schiff geschafft. In einer bombastisch-dramatischen Szene – komplettes Orchester und Ultra-Zeitlupen – frisst dieses sich nun buchstäblich von einer Kajüte zur nächsten. Jung-seok kämpft sich durch, mit Schusswaffe und Ellenbogen – ein bisschen Martial Arts muss sein –, doch zu spät, der Neffe ist schon infiziert und die Mutter will nicht von ihm lassen. Was soll man tun? Rückzug und die Tür hinter den Verdammten zuziehen. Seit diesem Vorfall ist das Verhältnis von Jung-seok zu seinem Schwager belastet, dieser wirft jenem vor, nicht alles probiert zu haben, um die beiden zu retten. Diese Schuld wird fortan das Menetekel des Helden sein, ihn immer wieder in rührseligen Rückblenden heimsuchen.

Menschen vor Kugeln, Klaviere in Moll

Vorerst bleiben die Schicksale der beiden aber weiter miteinander verwoben, denn ein windiger amerikanischer Geschäftemacher schickt eine Gruppe Exil-Koreaner zurück auf die Halbinsel, um das dort buchstäblich auf den Straßen liegende Geld für ihn aufzusammeln. Mit drei weiteren Teammitgliedern machen sich die beiden also auf den Weg zu einem riesigen Friedhof namens Seoul. Dort kommt nun alles zum Tragen, was sich in den letzten Jahrzehnten im Zombie-Genre bewährt hat: riesige Ansammlungen Untoter, bei dem kleinsten Geräusch in kieferklappende Manie verfallend (und zwar im Affentempo, der langsame Zombie hat seit 28 Days Later (2002) ausgesorgt); Menschen, die in Sekunden unter merkwürdig verrenkenden Zuckungen plötzlich glasige Augen und schwarze Beulen bekommen (ganz so wie in World War Z (2013)); eine postapokalyptische Restgesellschaft samt Zombie-Gladiatoren-Kämpfe in improvisierten Arenen (das erinnert wiederum sehr an Land of the Dead (2005) von George A. Romero), und natürlich ein Protagonist, der sich vom toughen Kerl zum Beschützer der Schwachen wandelt.

Peninsula wandelt dabei stark auf ausgetretenen Pfaden und ist deutlich weniger originell als noch Train to Busan. Beide Filme teilen einen Hang zur übertriebenen Dramatik mit ganz vielen Streichern und ganz vielen Tränen – und höchst unwahrscheinlichen Wendungen. So taucht just in dem Moment, in dem die Schatzsucher das verfallene Seoul betreten, die Familie auf, der Jung-seok einst die Hilfe verweigert hatte. Gemeinsam versucht man nun, die Halbinsel zu verlassen. Unterwegs müssen allerdings schwierige Entscheidungen getroffen werden, Menschen werfen sich vor Kugeln, riskieren ihr Leben für das anderer, Klaviere spielen in Moll, und unser Held erkennt, was wirklich wichtig und richtig ist im Leben.

Ein neuer Zombie-Hype?

Kitsch hin oder her, Peninsula passt mit seinen Themen und Konflikten hervorragend in eine Gegenwart, die unter dem Unstern der Covid-Pandemie steht. Es muss nicht gleich ein neuer Zombiefilm-Hype herbeigeredet werden – das Genre war schließlich nie aus der Mode! In den kommenden Jahren wird aber zweifelsohne auch die unsere Gegenwart in ihren Bann schlagende Epidemie im Zombiefilm popkulturell aufgearbeitet, in der Vergangenheit hat sich das Untoten-Szenario schließlich als äußerst ergiebig darin erwiesen, auf unterhaltsame Weise kluge Kommentare zu komplexen Problemen zu geben.

Man kann also hoffen, dass die Erfahrungen von Einsamkeit und Verunsicherung, aber auch die von Nähe und Gemeinschaft, die aktuell so viele Menschen zeitgleich überall auf der Welt machen, das Genre noch weiter anreichern, zu einem Medium der differenzierten Reflexion dieses Jahrhundertereignisses machen. Gelingt das, wird Peninsula vermutlich weniger als der erste große Zombiefilm nach Corona in Erinnerung bleiben, sondern als das, was er tatsächlich ist: ein eher mittelmäßiger Vertreter seiner Zunft.

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