Pavements – Kritik

Neu auf Mubi: Alex Ross Perrys Porträt der Indie-Rockband Pavement ist so verspielt und eigenwillig wie die Musiker selbst. Mit seiner wilden Mischung aus dokumentarischen und inszenierten Szenen kümmert sich Pavements nicht groß um eine klare Erzählweise. Seine Energie ist vielmehr die des leidenschaftlichen Fans.

Pavements ist für Regisseur Alex Ross Perry sichtlich ein Herzensprojekt: Man merkt dem Film über die Indie-Rockband Pavement, die in den 1990er Jahren fünf Alben veröffentlich hat und gerade in Szenekreisen populär war, in fast jedem Moment die emotionale Verbundenheit des Regisseurs zu seinem Gegenstand an. Um dem eigenen Enthusiasmus gerecht zu werden, hat Perry aber gerade keine geradlinige Dokumentation geschaffen, sondern eine unfertige, essayistische Annäherung an den Geist dieser Band, deren Charme gerade im Unfertigen und Vagen zu finden war.

Den Kern des Films bilden die vielfältigen Fluchtbewegungen von Stephen Malkmus, dem Sänger, Gitarristen und Haupt-Songwriter. Gleich zu Beginn sehen wir eine Szene aus einem Konzert kurz vor der ersten Auflösung der Band Ende der 1990er Jahre, in der Malkmus sich weigert, den eigentlich geplanten Song zu spielen. Bockig schimpft er, dass der Song einfach zu schlecht sei. Bei einem anderen Auftritt legt sich Malkmus mitten im Song einfach auf der Bühne nieder und schrammelt nur noch vor sich hin. Neben dieser offen zu Schau getragenen Verweigerungshaltung gegenüber seinen Bandkollegen und seinem Publikum bekommen wir aber auch immer wieder Momente der Innerlichkeit zu sehen. Der, trotz aller ironischen Distanz, in Interviews oder hinter der Bühne oft gesprächige Malkmus macht dann plötzlich dicht, starrt versunken ins Leere und gibt höchstens vereinzelte Wortfetzen von sich.

Perry versucht sich dabei erst gar nicht an einer psychologischen Analyse. Ist es der Nimbus des Genies und die Erwartung, nach Nirvana das nächste große Ding zu werden, die Malkmus schließlich zusammenbrechen lässt? Fühlt Malkmus sich grundlegend unwohl im Rampenlicht, von tausenden Augen begutachtet? Ist er zu einem gewissen Grad sogar unfähig, sich anderen zu öffnen, und würde am liebsten nur ganz allein an neuen Songs basteln?

Perrys Bilder legen nahe, dass es eine Mischung aus all diesen Aspekten ist, die Malkmus’ Verhalten antreibt. Aus diesem Grund scheint auch jede Szene, in der wir ihn beim gelösten Zusammenspiel mit seinen Bandkollegen sehen, auf fragilen Beinen zu stehen, als könne sie jeder Zeit abrupt enden. Es ist ebendieser stets spürbare Widerspruch aus Spielfreude und Zerbrechlichkeit, durch den sich der Film am treffendsten der subtilen Melancholie seines Gegenstandes nähert.

Griffig, poppig und befreit von allzu klarem Sinn

Zwei motivische Stränge sind dabei für Pavements entscheidend. Einerseits die Songs, die den ganzen Film durchziehen: Die Texte arbeiten mit einfachen Bildern und sind sehr direkt – auf dem letzten gemeinsamen Album befindet sich ein Lied, in dem Malkmus darüber singt, keine Lust mehr zu haben. Dabei ergeben sie aber nie einen allzu klaren Sinn, sondern erzeugen vor allem assoziative Stimmungslagen. Die Musik ist sichtlich vom Punk, von dem Grummeln einer Band wie The Fall und von der harmonischen Eigenwilligkeit Captain Beefhearts beeinflusst, und doch sind die Lieder griffig, poppig und auf ihre introvertierte Weise Ohrwürmer.

Andererseits die historische Karriere der Band, die der Film grob nachzeichnet: Malkmus und Gitarrist Scott Kannberg gründen Pavement als reines Studioprojekt, doch mit jeder EP steigt ihre Popularität und schon bald steht die inzwischen fünfköpfige Band auch auf der Bühne. Nach dem ersten Album scheint es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis ihnen der große Durchbruch gelingt. Doch ob es nun der experimentelle Charakter von Alben wie Wowee Zowee war oder der Unwille, allzu zu viel Arbeit in die Produktion ihrer Alben oder die Selbstvermarktung zu stecken – Malkmus lehnt etwa einen Auftritt bei Saturday Night Live mit Gastmoderator Quentin Tarantino ab, um den sich Mitte der 1990er jede andere aufstrebende Band gerissen hätte –, über den Status eines Geheimtipps kommen sie bis zu ihrer Auflösung nie hinweg. Doch auch nachdem Malkmus hingeschmissen hat, verkaufen sich Alben wie Crooked Rain, Crooked Rain weiter und inzwischen millionenfach – irgendwie gelingt es Pavement bis in die Gegenwart, immer neue Fans zu generieren.

Leidenschaftlich pochende Herzen

Der verspielten, verqueren, eigenwilligen Band versucht Perry ganz offensiv mit einem verspielten, verqueren, eigenwilligen Film gerecht zu werden. Unzählige Elemente werden in Pavements wild durcheinandergemischt: Archivausnahmen aus aller Welt; eigens gedrehte „Ausschnitte“ aus einem fiktiven Biopic; das Casting, die Proben und die Aufführung eines Jukebox-Musicals mit den Songs der Band; die Eröffnung einer Ausstellung von Pavement-Devotionalien wie Werbeplakaten, T-Shirts und dem Zehennagel des Drummers; schließlich auch die Proben zu neuerlichen Reunion-Konzerten, nachdem ein erster Versuch 2010 schnell an Malkmus’ grundsätzlicher Unlust gescheitert war. Statt einer roten Linie und struktureller Klarheit bieten die knapp über zwei Stunden Laufzeit des Films eine überfüllte, assoziative Aneinanderreihung verschiedenster Eindrücke, die vor allem spürbar macht, mit welchem Herzblut ihre Fans dieser Band verbunden sind.

Das Problem ist nur, dass der Film diesen inneren Antrieb vollumfänglich von seinem Gegenstand bezieht. Sobald es nicht direkt um die Band und ihre Mitglieder geht, wird schnell deutlich, wie aufgebläht und lose der Bilderschwall von Pavements ist. Der fiktive Film im Film bietet Platz für ironische Späße und gewährt direkte Einblicke, wo reale Archivaufnahmen fehlen, die Tänzer und Sänger auf der Bühne des Musicals verausgaben sich hemmungslos – und doch schaffen es diese inszenierten Elemente nicht, die enorm lange Spielzeit zu tragen, die ihnen gewährt wird. Im Gegensatz zu den Songs der Band und zu ihren Konzerten und Interviews fehlt diesen Elementen ebenjener Funke Inspiration und Mysterium, der Malkmus und seine Gefährten zwar vielleicht belastete, der Pavement aber eben auch zu einer einzigartigen Erscheinung der jüngeren Popgeschichte machte.

Den Film kann man auf MUBI streamen. 

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