Pamfir – Kritik
Das Ukrainian Film Festival in Berlin gewährt auch in diesem Jahr wieder einen Einblick ins aktuelle Filmschaffen des Landes. Etwa in Dmytro Sukholytkyy-Sobchuks Gangsterfilm um einen zum Schmuggeln verdammten Familienvater. Pamfir verbindet märchenhafte Mystik mit schnörkelloser Erzähltradition.

Wenn er aufgeregt ist, beginnt er zu knurren wie ein Bär. Leonid (Oleksandr Yatsentyuk) ist ein wildes Tier in der Haut eines Menschen, verkleidet wiederum in einem Dämonenkostüm aus Stroh und Pappmaché. So wartet er in der Scheune seines Bruders Viktor (Ivan Sharan), um seinen Sohn Nazar (Stanislav Potiak) zu überraschen. Die Malanka steht bevor, und Leonid hat Nazar versprochen, ihn zu begleiten. Viele verdienen hier ihr Geld mit dem Verkauf von Schmuggelware – Alkohol, Zigaretten –, die sie heimlich durch den Wald über die Grenze nach Rumänien transportieren. Mittlerweile arbeitet Leonid als Brunnenbauer im Ausland, dem Leben als Schmuggler hat er abgeschworen. Aber es kommt, wie es kommen muss: Nach einem Missgeschick muss er noch einmal durch den Wald, um seine Familie aus den Schulden zu holen. Ehe er sich versieht, steht er knietief im Morast krimineller Konkurrenzen und korrupter Politik.
Ukrainisches Kino in Berlin

Pamfir vom ukrainischen Regisseur Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk läuft auf dem diesjährigen Ukrainian Film Festival Berlin, das in seiner nun dritten Ausgabe eine Plattform für das Ukrainische Kino in Deutschland schaffen möchte. Aus insgesamt vier Spielfilmen, vier Dokumentarfilmen und zwei Kurzfilmreihen hat die ehrenamtliche Initiative ein Programm kuratiert, das die Lebendigkeit einer Filmszene bezeugt, die viel zu selten unsere Leinwände erreicht. Der Pandemie wegen fanden die ersten beiden Ausgaben noch komplett digital statt. Als im Februar 2022 der russische Invasionskrieg begann, war das dem Festivalteam ein Ansporn: Nötiger denn je ist ein Einblick in ukrainisches Kulturschaffen.
Märchenhaftes Gangsterdrama

Sukholytkyy-Sobchuk, der 1983 in Uman geboren wurde, zeigte sich schon in seinem TV-Dokumentarfilm Krasna Malanka (2013) fasziniert für den traditionellen Feiertag, bei dem die Dörfer in der Region Bukowyna vom 13. auf dem 14. Januar ihren Karneval feiern. Aus Garn und Stroh entstehen riesige, bärenhafte Kostüme, aus Pappmaché und Farbe mythische Masken.

Aus dieser Mystik speist sich der märchenhafte Grundton von Pamfir, einem Film mit ansonsten ethnografischer Wachsamkeit in seiner Darstellung der Familien- und Gesellschaftsverhältnisse von Bukowina. Ein urtümliches Knurren, das sich in den nebligen Hügeln des Dorfes zuhause fühlt, dringt Leonid aus dem tiefen Grün der Wälder entgegen, und er brüllt in seiner dämonischen Maske mutig zurück. In schwebenden Plansequenzen bewegt sich die Kamera von Mykyta Kuzmenko durch die Geschehnisse; die Einstellungen erinnern an Miklós Jancsó, ihnen wohnt durch die Beleuchtung und das beeindruckende Kostüm- und Produktionsdesign aber zugleich eine moderne Mainstream-Sensibilität inne.

In erster Linie ist Pamfir ein dicht inszeniertes Gangsterdrama. Leonid taucht bald in das grelle Neon der kriminellen Unterwelt ein, als er vom korrupten Lokalpolitiker Oreste verschleppt wird. Gerade noch im traditionellen Strohkostüm, schlägt er sich plötzlich in einem kalten Lagerhaus mit Orestes Anzug tragenden Handlangern – es fällt nicht schwer, sich das Drehbuch in der Schreibtisch-Schublade eines jungen Brian de Palma vorzustellen.
Raunendes, blutendes Kino

Diese amerikanisch geprägten Erzähltraditionen tränkt Sukholytkyy-Sobchuk in den kulturellen Traditionen seiner Hauptfiguren und nimmt dabei nicht zuletzt deren Hypermaskulinität an; Pamfir brüllt und grunzt, raunt, blutet, schlägt um sich. Familiäre Rollenbilder sind klar aufgeteilt, werden sogar ein wenig romantisiert. Es ist ein schmaler Grat zwischen der empathischen Betrachtung einer sozialen Gruppe und der Propagierung ihrer Werte.

Letztlich ist Pamfir ein ziemlicher Crowd Pleaser, wunderschön designt und in kristallklare Bilder getaucht. In der Ukraine hat er entsprechend zahlreiche Preise gewonnen, auf dem Filmfest Hamburg wurde er als bester Film nominiert, in Cannes für die Goldene Kamera für den besten Debütfilm. Das UFF gibt die Möglichkeit, diesen und weitere Filme zu sehen, die oft unter dem internationalen Radar bleiben – und zeigt, warum sich das dringend ändern muss.
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