Paddington in Peru – Kritik

Im dritten Teil der Filmreihe um den sprechenden Bären tauscht Neu-Regisseur Dougal Wilson das wilde London gegen die Tiefen des Dschungels. Dort findet Paddington in Peru eine gänzlich neue Spielwiese für seine Figuren, kann aber der Erinnerung an die Vorgängerfilme nicht ganz entfliehen.

Der sprechende, Marmelade-liebende Paddington Bär war schon vor den beiden Filmen Paddington (2014) und Paddington 2 (2017) beliebt. Die von Michael Bond geschaffene Figur hatte über die Jahre auch abseits der Werke ihres Schöpfers ein eigenes Leben erlangt und war zum Helden diverser Hörspiele, Fernsehserien und Filme geworden. Im Unterhaltungsbereich für Kinder ist Paddington also mittlerweile Allgemeingut. Als aber Regisseur Paul King sich seiner annahm, schien es trotzdem so, als hätten die beiden nur aufeinander gewartet. Kings Paddington-Filme trafen den Geist des Originals – wobei gerade der erste Teil noch vermehrt auf Material von Bond zurückgriff –, gleichzeitig machte King aber etwas entschieden Eigenes aus dem beliebten Bären. Kreativ, verträumt, lockerleicht, kindgerecht und doch mit klarem Blick erzählten die Filme von Einsamkeit, Verlorenheit und der Sehnsucht nach Geborgenheit – und mit kitschigem Camp transzendierten sie die grellen, naiven Glückversprechen der Vorlage. Der Erfolg an der Kinokasse und bei der Kritik katapultierte Paddington in völlig neue Sphären der Bekanntheit.

Eine liebevolle Optik, in der man sich heimisch fühlt

Nun folgt mit Paddington in Peru der dritte Teil, zum ersten Mal nicht von King inszeniert, sondern von dem Spielfilmdebütanten Dougal Wilson – und auf den ersten Blick scheint sich nicht viel geändert zu haben. Der Film beginnt mit einer Orange, die inmitten einer Farnlandschaft über einer Schlucht hängt, und mit einem kleinen Bären, der, während er die Frucht anschmachtet, unter einer großen roten Blumenblüte steht – womit die Natur unserem hier noch jungen Helden bereits jenen roten Hut aufsetzt, der neben dem blauen Dufflecoat sein Erkennungszeichen ist. Schon der unmittelbare Auftakt verspricht also eine Wiederkehr jener liebevollen, opulenten Optik, die in den Vorgängerfilmen das Streben unseres kleinen, fehlbaren Protagonisten eingefangen hatte.

Wenig später sind wir im London der Gegenwart und bekommen ein Update über die Browns, jene Menschenfamilie, deren Mitglied der tollpatschige Bär infolge zahlreicher Wirrungen geworden ist. Wieder stecken sie im Alltag ihres Lebens fest, in verschrobenen kleinen Sackgassen, aus denen nur bärige Abenteuer einen Weg weisen können. Ein Fallschirmspringer, der im offenen Fenster eines Hochhauses landet, um einen Kaffee auszuliefern, wird zum Zeichen dafür, dass Vater Michael Brown (Hugh Bonneville) mal wieder lernen muss, etwas zu riskieren. Sohn Jonathan (Samuel Joslin) hat sein Zimmer mit unzähligen Gadgets eingerichtet, um in dieser comfort zone keinen Finger mehr krumm machen zu müssen. Seine Schwester Judy (Madeleine Harris) bereitet sich minutiös auf die Auswahl eines Studienortes vor, während Mutter Mary (Emily Mortimer, die Sally Hawkins ersetzt) sich vor dem bald leeren Nest fürchtet.

Familienprobleme im Spielzeug-Dschungel

Die familiären Probleme greifen wieder heillos ineinander und werden in der Manier eines belebten Pop-Up-Buches comichaft überspitzt. Das Leitmotiv besteht darin, dass gelernt werden muss, sich von der eigenen Familie – die zwar Rückhalt bietet, aber auch einengt – zu lösen und mutig zu sich selbst zu stehen. Die Probleme der Browns spiegeln sich dabei auch im zentralen Abenteuer-Plot des Films: Paddingtons Tante Lucy ist aus ihrem Bärenseniorenheim im Dschungel verschwunden, weshalb sich die Browns mitsamt Paddington auf den Weg nach Peru machen, um sie im Amazonas wiederzufinden. Dort müssen sich die Helden gegen zwei top besetzte zwielichtige Figuren (Antonio Banderas als Schiffskapitän und Olivia Colman als Mutteroberin des Bärenheims) zur Wehr setzen, die natürlich auch familiäre Probleme haben – und der Film wird zu einer wilden Mischung aus Inkalegenden, absurd einbrechenden Musicalnummern und liebevollem overacting.

Der Dschungel ist offensichtlich ein Symbol für die Wirrungen und Fallstricke der eigenen Identität, sieht dabei aber so harmlos aus wie ein Kinderzimmer, das mittels kindlicher Fantasie neu ausgestattet wurde. Matschig und voller Tiere ist der Urwald nur, wenn es für diverse Pointen taugt – wenn zum Beispiel ein Ameisenbär dem schlafenden Michael schleimig die Ameisen aus dem Gesicht schleckt. Rote, stachlige Früchte liegen hier wie Spielzeug herum, das nur darauf zu warten scheint, dass jemand sich darauf setzt oder darauf tritt. Dieser eher wattegebauschte Dschungel wird in dem Film aber nicht zum Problem, vielmehr stellt er jene umgrenzte Spielwiese dar, wie sie auch die vorherigen Paddington-Filme entworfen haben und in denen sich die Figuren comichaft austoben können.

Pflichtschuldig ein bisschen Amazonas eingefügt

Vermochten Kings ersten beiden Teile aber immer wieder Überraschungen zu bieten und demonstrierten so, was mit dem Altbekannten alles angestellt werden kann, lässt sich hier das Gefühl kaum abschütteln, dass wir lediglich das bereits Erwartete bekommen. Paddington in Peru wirkt zuweilen wie eine abgepauste Kopie der zwei vorangehenden Instant-Klassiker, in die pflichtschuldig noch etwas Amazonas eingefügt wurde. Dabei fehlt gerade das, was Kings Filme ausmachte: das berauschende Gefühl, dass sich hier Regisseur und Stoff gesucht und gefunden haben. Beim neuen Teil wirkte King nur noch an der Stoffentwicklung mit, war aber nicht am Drehbuch beteiligt.

Regisseur Dougal Wilsons eigenständiger Beitrag zur Filmreihe besteht vor allem in filmhistorischen Verweisen. Olivia Colman singt sich durch eine Parodie von The Sound of Music (Meine Lieder, meine Träume, 1965). Antonio Banderas ist nicht nur Nachfahr einer Figur, die an Aguirre, der Zorn Gottes (1972) erinnert, sondern wird zusätzlich noch in Form einer Hommage an ein anderes Werner-Herzog-und-Klaus-Kinski-im-Dschungel-Projekt eingeführt: als Wiedergänger von Fitzcarraldo (1982). Und wie bei Jäger des verlorenen Schatzes (Raiders of the Lost Ark, 1981) muss Paddington in einer Szene vor einem riesigen Stein davonlaufen. Diese Zitate bleiben aber so leblos und willkürlich, dass sie am ehesten das Gefühl vermitteln, dass Wilson lieber in einem anderen Film sein möchte.

Des Weiteren bleiben die beiden Bösewichte jeweils auf eine einzige Masche reduziert – Olivia Colmans Lächeln ist stets eine dreiste Lüge und Antonio Banderas bleibt stets das Opfer der Geister seiner Familie. Gerade in der zweiten Hälfte, im tiefsten Dschungel, gehen dem Film ein wenig die Einfälle aus und er beginnt, vor allem seinen Plot abzuspulen. Die Browns sind dann auch wieder nur die altbekannten Browns, die Ähnliches auf ähnliche Weise bewältigen. Auch die farbenfrohe Bevölkerung von London, die in den vorherigen Filmen für lebendiges Chaos sorgte, fehlt im dunklen Peru an allen Stellen. All diese Probleme sind zwar nicht eklatant, auch Dougal Wilson ist über weite Teile ein schöner Film gelungen – aber in Summe machen sie schmerzhaft deutlich, dass Paddington in Peru spürbar hinter jener Leichtigkeit zurückbleibt, an deren Erinnerung er sich klammert.

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