Paddington 2 – Kritik

Es gibt Leute, die den Bären Paddington allen Ernstes ins Weltall schießen möchten. Sein famoses zweites Kinoabenteuer, in dessen Verlauf er unter anderem wegen schwerem Frisurenschaden im Gefängnis landet, zeigt: Wir sollten uns an dem gutmütigen Bär lieber ein Beispiel nehmen.

Für über drei Jahre hielt Paul Kings Paddington 2 (2017) den Rekord für die meisten positiven Kritiken bei einem perfekten Zustimmungswert von 100% auf der Plattform Rotten Tomatoes. 2021 sank dieser Wert auf 99 Prozent, nachdem der Filmkritiker Eddie Harrison eine Zwei-Sterne-Kritik veröffentlichte. Er ging so weit, Paddington als einen „sinister, malevolent imposter who should be shot into space, or nuked from space at the first opportunity“ zu beschreiben. Seiner Charakterisierung von Paddington als “over-confident, snide and sullen” möchte ich hiermit widersprechen und mich den überwiegend positiven Rezensionen des Films anschließen.

In Paddington 2 hat sich der gutmütige und gelegentlich tollpatschige Bär, der nach einer verheerenden Klimakatastrophe in seinem heimischen Peru bei der Londoner Familie Brown ein neues Zuhause fand, längst in seiner Nachbarschaft, und auch bei den Browns, unabdingbar gemacht. Jeden Morgen bringt er Mademoiselle Dubois ein Marmeladensandwich im Austausch für eine zweirädrige Mitfahrgelegenheit, erinnert Dr. Jafri an seine Schlüssel, spielt Vermittler für den stets grimmigen Colonel und die einsame Miss Kitts und versorgt den Müllmann Mr. Barnes mit seiner täglichen Zeitung.

Schwedische Gardinen in Wes-Anderson-Ästhetik

Diese weitgehend friedliche Welt gerät komplett aus den Fugen, als er eines Nachts Zeuge eines Einbruchs im Laden eines befreundeten Antiquitätenhändlers wird. Paddington ist zur falschen Zeit am falschen Ort: sowohl der eigentliche Dieb als auch das gestohlene Pop-Up-Buch der berühmten und wohlhabenden Tänzerin Madame Kozlova, das Paddington seiner Adoptivtante Lucy zum bevorstehenden 100. Geburtstag schenken wollte, sind unauffindbar. Der Richter, dem Paddington zuvor versehentlich einen katastrophalen Haarschnitt verpasst hatte, verurteilt ihn zu zehn Jahren Haft - wegen schweren Diebstahls und „schweren Friseurschadens“. Im Gefängnis begegnet Paddington diversen finsteren Gestalten, allen voran dem Küchenchef Knuckles McGinty (Brendan Gleeson). Mit seinem typischen bärigen Charme und seiner selbstgemachten Orangenmarmelade kann Paddington jedoch selbst Knuckles liebenswürdigen Kern ans Licht bringen. Gemeinsam verwandeln sie den Speisesaal in einen gemütlichen bonbonrosa-farbenen Tea Room, der mit seinen bunt karierten Tischdecken, süßen Leckereien und Wimpelgarlanden traditionelle Vorstellungen des Gefängnisses auf den Kopf stellt.

Familie Brown ist von Paddingtons Unschuld überzeugt und glaubt der Polizei kein Wort. Stattdessen nehmen sie ihren zwielichtigen neuen Nachbarn, den egozentrischen Ex-Schauspieler Phoenix Buchanan (Hugh Grant), der statt in Theaterstücken nur noch in Hundefutterwerbung zu sehen ist, ins Visier. Abenteuerlustig wie eh und je überredet Mary Brown (Sally Hawkins) ihren Ehemann Henry (Hugh Bonneville) in Buchanans Haus einzubrechen.

Spannung für die ganze Familie

Paddington, Knuckles und zwei andere Gefangene, Phibs und Spoon, brechen derweil mit einem selbstgebastelten Heißluftballon aus dem Gefängnis aus. Eine Verfolgungsjagd mit zwei Zügen bietet den Spannungshöhepunkt des verwicklungsreichen Films, nicht zuletzt, als Buchanan Paddingtons Waggon abkoppelt, abschließt und frontal in einen Fluss rollen lässt. Es ist nicht zu viel zu verraten, dass sowohl das kleine und das große Publikum am Ende erleichtert aufatmen dürfen. Geduldige Zuschauerinnen werden nach dem Abspann zudem mit einer hinreißenden und unglaublich aufwändigen Song-and-Dance Nummer belohnt.

Selbst als die ganze Welt gegen Paddington gestimmt zu sein scheint, ist er keineswegs unnatürlich „sullen“, sondern bleibt liebenswert wie eh und je. Die beiden Handlungsstränge um Paddington und Buchanan kreieren zusammen eine spannende, charmante und herzerwärmende Geschichte, die die Comedy-Elemente des ersten Films so perfektioniert, dass auch bei Paddington 2 wieder Erwachsene und Kinder gleichermaßen auf ihre Kosten kommen. Hugh Grant als Buchanan liefert eine unglaublich lustige, überzogene Darstellung eines narzisstischen Egomanen mit einer gut balancierten Prise Selbstironie und auch die restlichen menschlichen Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten sind gut ausgearbeitet. Neben einer humorvollen weist der Film aber außerdem eine emotionale und politische Ebene auf: so äußert er beispielsweise über Knuckles eine indirekte Kritik am britischen Gefängnissystem, das Feindschaft und Isolation statt Resozialisierung und Gemeinschaft fördert.

Ein Flüchtling ohne Papiere

Vor dem Hintergrund der aktuellen Deportationen sowohl von Immigrantinnen als auch von Staatsbürgerinnen in den USA wird Paddingtons Status als peruanischer Flüchtling ohne Papiere umso relevanter. So werden im Film seine Einsamkeit und sein Heimweh in seinen Gesprächen mit dem Antiquitätenhändler Herrn Gruber (Jim Broadbent), der als deutscher Flüchtling während des zweiten Weltkriegs nach Großbritannien kam, thematisiert. Sowohl für den Charakter von Herrn Gruber als auch von Paddington selbst ließ sich Michael Bond, der Autor der Buchvorlage, von der historischen Evakuierung jüdischer Kinder aus dem faschistischen Europa inspiriert.

Nach einer Umweltkatastrophe in seinem Heimatort im „dunkelsten Peru“ schickt Paddingtons Tante Lucy ihn nach London, fest davon überzeugt, dass ihn eine wohlwollende Familie am Bahnhof finden und herzlich aufnehmen wird. Im krassen Gegensatz zum Schicksal vieler Migrantinnen in Vereinigten Königreich findet Paddington mit den Browns tatsächlich eine Gemeinschaft, die ihn mit all seinen bärigen Eigenschaften akzeptiert. Dennoch macht auch er viele Erfahrungen, die für Migrantinnen typisch sind. So erhält er zum Beispiel bei seiner Ankunft in London einen neuen, „englischen“ Namen von den Browns, die seinen Geburtsnamen nicht aussprechen können (oder wollen). Neben Bond selbst, der beispielsweise in Paddington Here and Now (2008) seinen Status als Ausländer ohne Pass genauer in den Blick nimmt, nutzen auch Künstlerinnen und Aktivistinnen das Bild des kleinen Bären, um sich kritisch zu Migrationsrecht in Großbritannien und darüber hinaus zu positionieren. Eine typische Paddington-Schablone, die als Graffiti auf Gebäuden und Plakaten bei Demonstrationen in ganz Europa auftaucht, zeigt ihn mit seinem kleinen Koffer in der Hand und der Aufschrift „Migration Is Not a Crime“.

Angesichts des aktuellen politischen Klimas, in dem Grenzkontrollen und Zurückweisungen global verstärkt werden, sind die Geschichten von Paddington relevanter denn je. Anstatt ihn ins All zu schießen, sollten wir ihn deshalb umso mehr in unser Herz schließen und sein stets unvoreingenommenes, offenes und empathisches Handeln als Vorbild nehmen.

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