One Night in Miami – Kritik
Neu auf Amazon: Regina Kings One Night in Miami lässt im Jahr 1964 vier berühmte Afroamerikaner aufeinander treffen und beweist dabei Spaß an der Interpretation historischer Figuren.

Vier Figuren wird dieser Film zusammenbringen, aber erst mal stellt er sie getrennt voneinander vor, in vier einführenden Sequenzen, die derart schematisch funktionieren, dass es eine Freude ist: Boxer Cassius Clay (Eli Goree) verdrischt in London vor fassungslosem Publikum und Kommentatoren eine britische Hoffnung, ist nur einmal unaufmerksam und geht nach einem heftigen Schlag zu Boden. Soul-Sänger Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) tritt erstmals im Copacabana Club auf, ein Jugendtraum, aber das ausschließlich weiße Publikum kann wenig mit seiner Version von Debbie Reynolds’ „Tammy“ anfangen. Football-Star Jim Brown (Aldis Hodge) wird von einem reichen Weißen auf die Veranda eingeladen, der sich ob Browns Leistungen in der letzten Saison beeindruckt zeigt, ihm aber den Zutritt zur Villa selbst verweigert – dort dürfen Schwarze schließlich nicht rein.
Drei schwarze Helden im Jahr 1964, in ihrem vermeintlich angestammten Habitat gefeiert, aber wehe, wenn sie dieses verlassen wollen. Und dazu noch, rückblickend betrachtet, im historischen Limbo zwischen Bürgerrechtsbewegung und Black Power. Malcolm X ist das Scharnier und der Vierte im Bunde dieses Films. In der titelgebenden Nacht in Miami, in der Cassius nach einem glorreichen Sieg Weltmeister wird, will Malcolm die drei Promis für die Sache gewinnen, für den antirassistischen Kampf im Allgemeinen und für eine neue Organisation, mit der er sich von der Nation of Islam emanzipieren will, im Besonderen. Vor allem hat es Malcolm auf Cooke abgesehen, dem er vorwirft, an seinen Schnulzen festzuhalten, während ein gewisser Bob Dylan schon längst am Puls der Zeit singt.
Ein Dialog-Film also, inszeniert von Schauspielerin und Regie-Debütantin Regina King, basierend auf einem Theaterstück von Kemp Powers. Ebenso wie seine drei Darsteller-Kollegen sucht Kingsley Ben-Adir als Malcolm nicht die Reinkarnation, hat vielmehr Spaß dabei, eine historische Figur zu interpretieren, zu beleben, sich reinzuwerfen. Diese Spielfreude – neben der angenehmen historischen Respektlosigkeit des gesamten Projekts und dem steigenden Alkoholpegel der Figuren – lockert auf, was ein didaktisches Lehrstück hätte werden können. So ist mitunter fast komisch, wie der strenge Malcolm im Anzug den drei Lebemännern recht didaktisch ein bisschen Consciousness unterjubeln will, wenn die gerade eigentlich lieber Clays großen Sieg feiern wollen.

Und doch ist das alles von Gegenwart durchsetzt, mit Dringlichkeit aufgeladen, befragt nicht zuletzt die Rolle prominenter Afroamerikaner*innen, damals, als „Black Power“ noch keine Formel, aber eine entstehende Vorstellung war, wie heute, in Zeiten von #BlackLivesMatter: Wie sich nicht vereinnahmen lassen für die Propaganda des weißen Amerikas, längst eine farbenblinde Gesellschaft zu sein? Wenn man es, against all odds, geschafft hat, wie verhält man sich zu den odds? Vor allem ist One Night in Miami ein schöner Film, weil er vereinfacht, wo es möglich ist, verkompliziert, wo es nötig ist, aber immer verdichtet: vier Männer in einer Nacht. Geschichte passiert, wenn lose in der Zeit hängende Fäden sich verknoten. Dann nennt sich Cassius Clay in Muhammad Ali um, dann traut sich auch ein Sam Cooke, beim nächsten TV-Auftritt erstmals einen brandneuen Song zu performen: „A Change Is Gonna Come“.
Der Text ist ursprünglich im Rahmen unserer 2020er Toronto-Berichterstattung erschienen.
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