Moneyboys – Kritik

Sex, Geld, gesellschaftliche Stigmata und ein Generationenkonflikt. Die ruhigen Bilder von Moneyboys werden von brutalen Brechstangen, wiederholten Verhaftungen und familiären Eskalationen gestört – aber auch tanzend in Schwingungen versetzt.

Nur wenig bewegt sich in den Bildern dieses Films, und doch wird schon im Prolog klar, dass Moneyboys vor Gewaltdarstellung nicht zurückgeschreckt. In einer langen Einstellung ohne Schnitte muss man in Gänze mit ansehen, wie Moneyboy Xiaolai (JC Lin) brutal mit einer Brechstange auf einen Freier einprügelt. Regisseur C.B. Yi lässt die Szene erst enden, nachdem man deutlich das Knacken von Knochen gehört hat.

Erst unbeholfen, dann stylisch

Die Arbeit der sogenannten Moneyboys findet in China schon seit Jahren vor dem öffentlichen Auge statt. Keine ungefährliche Tätigkeit, denn in dem Staat wird Prostitution mit hohen Strafen geahndet. Trotzdem ist gerade Sexarbeit dort eine beliebte Einnahmequelle für junge Männer. In diese Welt führt uns Yi in seinem Spielfilmdebüt über seinen Protagonisten Fei (Kai Ko) ein, der bei seinem ersten Job genauso unbeholfen wirkt, wie man sich selbst beim Zuschauen fühlt. Auch Feis Kleidung, die hinter der Figur eher einen zögerlichen Jugendlichen vermuten lässt, sowie der Hintergrund eines eintönigen Wohnraumes, ließen kaum vermuten, welche Dienstleistung hier bald erfolgen soll.

Fei verdient sein Geld nicht allein, sondern unter dem Kommando von Xiaolai, in den er sich verliebt und mit dem er bis zu dessen fatalen Angriff auf den Freier Leben und Kunden teilt. Über die gesamte Laufzeit wird Fei von dieser Beziehung und ihrem Ende heimgesucht, obwohl der ehemalige Liebhaber nach Ende des Prologs und einem Zeitsprung von fünf Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm hat. Feis Leben sieht jetzt deutlich anders aus. Mittlerweile ist er Besitzer einer stylisch-sterilen Wohnung in der Großstadt und entscheidet nun selbst, welche Kunden er dort empfangen möchte und ob er ihnen nur Sex anbietet oder auch Teezeremonien, Kochabende und Unterhaltungen. Im Vergleich zum Prolog wirken seine Bewegungen nur noch selten hastig oder undurchdacht, der Umgang mit den Freiern ist routiniert, das Auftreten sicher.

Emotionaler Mauerfall

Doch egal wie viel Ruhe und Zuneigung zwischen Fei und seinen Kunden spürbar ist, letztlich geht es ihm ums Geldverdienen. Geld, das seine Familie in der Provinz bitter nötig hat. Der bereits in Telefonaten angedeutete Generationenkonflikt entlädt sich, während Fei sein Heimatdorf besucht. Yi erzählt auch diese Eskalation beim familiären Abendessen in einer langanhaltenden Plansequenz und verstärkt die emotionale Schlagkraft des Gesagten nicht durch Schnitte oder Kamerabewegungen, sondern durch präzise Dialoge. Das Stigma seiner Tätigkeit als Sexarbeiter und seiner Sexualität, das sich in den traditionellen Wertevorstellungen der Familie ausdrückt, verfolgt Fei schließlich zurück in die Großstadt, in Form von Long (Bai Yufan), einem Kindheitsfreund, der sich dort mit Feis Hilfe ein erfolgreiches Leben aufbauen will.

Zwar beschränkt sich Longs Rolle eher auf die stereotype Darstellung eines naiven Bauernjungen, für die zunehmenden Gefühlsausbrüche Feis ist er jedoch ein stimmiger Katalysator. Denn eigentlich lebt Fei in einer Welt, in der Begehren und vielleicht sogar Liebe nur unterdrückt stattfinden dürfen, in der Orgasmen für die Kunden aufgespart werden müssen. Und wenn Fei die Sexarbeit zum natürlichen Erzeugnis des kapitalistischen Systems erklärt – man verkaufe sich schließlich in jedem Beruf irgendwie selbst –, dann spricht er diesen Satz mit einer Kälte, die so wenig einen Einblick in seine Gefühlswelt erlaubt wie die distanzierte und statische Kamera. Erst Long vermag es, die emotionalen Mauern in Feis Leben einzureißen. Fei tanzt jetzt auch mal ausgelassen im Nachtclub, seine neue Körperlichkeit versetzt die Plansequenzen mit größtenteils bewegungslosen Bildkompositionen, an denen Moneyboys weiterhin festhält, in Schwingung.

Moralisches Damoklesschwert

Doch das gesellschaftliche Moralverständnis schwebt während der gesamten Laufzeit wie ein Damoklesschwert über den Moneyboys, die denn auch mehrmals von der Polizei verhaftet werden. Gerade in diesen Szenen weicht die Kamera nicht von Feis Seite und folgt akribisch seinen Bewegungen. Die dadurch initiierte Solidarisierung mit dem Protagonisten stellt Yi durch Feis Gefühlskälte wiederholt auf die Probe, die Figurenzeichnung wird derart aber nur vielschichtiger. So unergründlich Fei bleibt, so klar und realistisch ist der Blick des Films auf die chinesische Moneyboy-Kultur und den damit einhergehenden nationalen Generationenkonflikt.

 

 

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