Meg – Kritik
Was macht einen 25-Meter-Hai gefährlicher als einen 7-Meter-Hai? Meg sucht die Eskalation in der Größe – und die Nähe zu einem Publikum, das ihm unbekannt ist

In den USA findet jedes Jahr im Sommer ein besonderes Fest statt: die sogenannte Shark Week. Eine Woche lang laufen dann auf dem Discovery Channel reißerisch-spekulative Hai-Dokumentationen, die nicht so sehr den Zweck haben, Informationen über die tatsächliche Lebensweise der Tiere zu liefern, sondern die allein den Mythos des Hais zelebrieren sollen: Huldigung einer Ikone, in der sich die Natur in all ihrer brutalen Archaik offenbart. Der Enthusiasmus, den ein solches TV-Ereignis zu entfachen imstande ist, macht deutlich, wie sehr der Hai zu einem reinen Medienwesen geworden ist – zu einem Fabelwesen, dessen mythischer Glanz auch dadurch nicht gemindert wird, dass es tatsächlich existiert.

Jon Turteltaubs Meg (The Meg) bläht diese Ikone nun buchstäblich auf: Kein gewöhnlicher Hai bedroht hier die quietschenden und planschenden Urlaubermassen, sondern eine gigantische Urzeit-Ausgabe. Zusammen mit der Besatzung einer Unterwasser-Forschungsstation begibt sich der Rettungstaucher Jonas Taylor (Jason Statham) auf die Jagd nach diesem Megalodon, der aus der Tiefsee, wo seine Art über Jahrmillionen unbemerkt überlebt hat, nun erneut in die oberen Meeresschichten vorgedrungen ist. Die gigantischen Ausmaße des Fisches liefern dem Film eine ganz unmittelbare und augenfällige Daseinsberechtigung, und so war es wohl unausweichlich, dass Meg die schiere Größe seiner Titelfigur zur Hauptattraktion macht.

Doch in seinem Vertrauen auf die Wucht, die der bloße Anblick dieses Monstrums entfaltet, manövriert sich der Film in eine Sackgasse. Denn aus Sicht eines Menschen ist es völlig irrelevant, ob nun ein 25-Meter- oder ein 7-Meter-Hai auf ihn zurast, ob sich nun 10-cm- oder doch nur 5-cm-Zähne in seinen Brustkorb senken, ob er mit einem einzigen Bissen zerrissen wird oder doch mit zwei – kaputt ist er so oder so. Die enorme Größe des Megalodon stellt also im Vergleich zu herkömmlichen Filmhaien keine Gefahreneskalation da, sie bringt keine neuen Spielregeln und keine besonderen visuellen Konstellationen hervor.
Eine Wucht, die zur Berechenbarkeit verkommt

Turteltaubs Film hechtet somit stets einer Wirkung hinterher, die gar nicht zu haben ist – und so sind seine Actionsequenzen auch zu weiten Teilen eigentümlich ziellos. Durch die offensichtliche Überzeugung, es gelte allein die Masse des Hais auszustellen und in Szene zu setzen, verbaut sich Meg selbst allerlei Möglichkeiten, Spannung zu erzeugen oder den verschiedenen Jagdmanövern eine neue, unerwartete Richtung zu geben. So kann der Film sein Ungeheuer etwa nie als eine unheimliche Bedrohung inszenieren, die in den dunklen Wassern des Meeres lauert – denn eine überwältigende Körpergröße kann keinerlei Wirkung entfalten, solange sie im Verborgenen bleibt. Nur in einer Szene ist Meg in der Lage, eine ausgefeilte und mitreißende Figurenchoreografie zu entwickeln, wenn ein durch ein Stahlseil an einem Boot befestigter Haikäfig jene visuelle Unberechenbarkeit entfaltet, die dem Riesenhai selbst abgeht.
Die Verkrampfungen eines globalen Filmmarktes

So besteht das eigentliche Drama von The Meg irgendwann nicht mehr in dem Kampf gegen das Meeresungeheuer, sondern verlagert sich auf die vermeintliche Liebe zwischen Taylor und der Meeresforscherin Suyin Zhang (Li Bingbing) – eine Liebe, die ständig von allen Seiten behauptet wird, die aber irgendwie nie tatsächlich einzutreten scheint. Angesichts der Tatsache, dass Meg ganz offenkundig auch auf den chinesischen Markt hin zugeschnitten wurde, nimmt die fast peinliche Fremdheit zwischen Taylor und Zhang – die auch durch ständige Verliebtheitsfloskeln und -gesten nicht verdeckt werden kann – irgendwann symbolische Züge an. Denn die Verfahren, die der Film einsetzt, um sich dem chinesischen Publikum schmackhaft zu machen, zeugen nicht von dem lebendigen Verständnis einer fremden Kultur, sondern beschränken sich auf das strategische Einbauen einzelner Versatzstücke: ein chinesischer Handlungsort, ein paar chinesische Figuren und chinesische Filmstars auch in unbedeutenden Nebenrollen.

Damit zielt der Film auf das denkbar unspezifische Verhaltensmuster ab, dass Menschen es eben mögen, wenn sie vertraute Dinge vorgeführt bekommen. Wenn man aber im Verhältnis zu einem Anderen ganz auf ein derart allgemeines Prinzip zurückgreifen muss, dann heißt das vor allem, dass man nicht allzu viel über ihn weiß. Meg ist als Film von einem Publikum abhängig, das ihm eigentlich unbekannt ist, und muss sich aus wirtschaftlichen Zwängen eine interkulturelle Vertrautheit einreden, die noch gar nicht existiert. Diese innere Zerrissenheit des Films scheint der eigentliche Grund dafür zu sein, dass sich zwischen Taylor und Zhang keinerlei tatsächliche Intimität entspinnen kann. Mit jedem verquälten Lächeln, jedem verkrampften Flirtversuch, jedem holprigen Gespräch machen die beiden auf schmerzhafte Art und Weise deutlich: Die Erschließung eines neuen Absatzmarktes ist noch kein Akt der Völkerverständigung.
Neue Kritiken

A Letter to David

Wenn du Angst hast nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst

The Smashing Machine

Trains
Trailer zu „Meg“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (14 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.