Marry Me - Verheiratet auf den ersten Blick – Kritik
Megastar heiratet uncoolen Mathelehrer, der ihr die smartphonefreien Freuden des Lebens zeigt. Marry Me macht keine Anstalten, das Rezept einer 90er-RomCom zu ändern, ist aber in seinen Bildwelten voll im Hier und Jetzt verankert.

Während einer Liveperformance trägt Megastar Kat Valdez (Jennifer Lopez) in Marry Me einen hautfarbenen, enganliegenden Onesie. In dessen Mitte befindet sich ein kristallenes, mehrfarbiges Kreuz. Der senkrechte Balken verläuft von ihrem Hals bis zu ihrer Scham, der waagerechte einmal quer über ihre Brüste. Sie ist also alles andere als nackt. Ihre Geschlechtsmerkmale sind sogar doppelt bedeckt. Und doch sexualisiert das Kostüm den Körper mehr als alles andere. Die Illusion, Haut zu sehen, ist selbst bei besserem Wissen nicht ganz abzuschütteln. Und der im Schritt sehr dünn werdende Balken zeichnet nach, statt unkenntlich zu machen. Es ist ein Kostüm, das ein wenig wie Mormon Bubble Porn funktioniert, bei dem man Körper durch bestimmte Verdeckungen gezielt nackt aussehen lassen kann.
Chemie eher Richtung gute Freunde

Dieses Kostüm ist für Marry Me nicht etwa deshalb so sprechend, weil der Film sehr sexy wäre oder verstärkt mit Sex arbeiten würde. Ganz im Gegenteil ist er ziemlich keusch, und die Chemie zwischen den Hauptdarstellern geht eher Richtung gute Freunde – Jennifer Lopez kann zeigen, dass sie nicht die schlechteste Schauspielerin ist, wenn sie zumindest an einer Stelle so etwas wie Knistern zwischen den beiden entstehen lässt. Vielmehr stellt der Film mit diesem Kostüm seinen Umgang mit „Authentizität“ beispielhaft ins Bild.

Denn Authentizität ist das Thema, das die Liebesgeschichte zwischen dem Star Kat und dem „Niemand“ Charlie (Owen Wilson) antreibt. Kameras umgeben die Sängerin ständig. Ihre Identität performt sie durchgängig mittels Livestreams für virtuelle Herzchen, die Anerkennung und den Spott der Öffentlichkeit. Sie ist ganz Produkt für die sozialen Medien. Ihre Hochzeit mit Bastian (Maluma), einem ebenso großen Star, möchte sie als Höhepunkt eines ihrer Konzerte feiern. Termine, Helfer und der Blick auf die eigene Wirkung bestimmen ihr Leben, weshalb sie keine Chance hat, einmal zurückzutreten und sich selbst wahrzunehmen.

Anders der uncoole Mathelehrer Charlie. Er meidet moderne Technik und hört Musik selbstredend noch auf Vinyl. Er lebt für seine Tochter Lou (Chloe Coleman), seinen Schulmatheclub und das Gassigehen mit seiner Dogge. Da wo Kat impulsiv auf jede Bühne springt, die ihr das Leben bietet, da tritt Charlie zurück, versteckt sich und gibt seine erste Ehe auf, weil er den Kampf scheut – und die Statistik eh gegen Ehen spricht.
Wieder man selbst sein, und schon geht’s einem besser

Durch einen Zufall heiraten die beiden. Kurz vor der Hochzeit findet sich ein Video von Bastian im Internet, das ihm beim Fremdgehen mit Kats Assistentin zeigt. Kat – schon im Hochzeitskleid auf der Bühne – schnappt sich aus Trotz den Erstbesten und versucht ihren Selbstwert mit einer Rocky-artigen Underdog-Lovestory zu retten – der Erwählte soll zumindest fiktiv die Chance bekommen, einen Star kennen und lieben zu lernen. Es passiert, was passieren muss. Der bedacht, aber bestimmt redende Charlie hilft seiner ihm zuvor unbekannten Ehefrau, sich aus ihrer Blase zu befreien und sie in Kontakt mit den einfachen Freuden des Lebens zu bringen, die sich abseits des Rampenlichts finden. Sie dagegen hilft seiner Tochter, im Rampenlicht einer Matheolympiade zu bestehen, und ihm, sich ein Smartphone zu besorgen.

In der lauwarmen Annäherung der beiden Welten weiß Marry Me kaum zu begründen, warum Charlie nun soziale Medien und Selbstdarstellung bräuchte. Tatsächlich ist eine der wenigen Überraschungen dieses Films, der keinerlei Versuche unternimmt, aus dem Status quo seines Genres auszubrechen, wie wenig Charlie sich ändern muss; er wird von Kat mehr oder weniger zum Happy End geschleppt. Einerseits ist er eben das Love Interest der Hauptfigur, aber es ist andererseits sein Verständnis von Authentizität, das die Erzählung dominiert. Weg mit Computern, Kameras und dem ganzen Quatsch, wieder man selbst sein und schon geht es einem besser.

Das Liebesmärchen Marry Me zeigt uns aber keine authentische Liebe, wie könnte es auch. Die Ausstellung einer altbackenen Vorstellung von Authentizität auf der Handlungsebene ist nur Teil der Performance des Films. Die Beziehung, wie sie uns hier gezeigt wird, entspricht Kats eingangs beschriebenem Kostüm: keine nackte Haut, sondern ein findig entworfenes Kleid, das unsere Begierden kitzeln soll. Wer Probleme damit hat, dass ein uninteressierter Mathelehrer von einer Kollegin (Sarah Silverman – die lebendigste Figur des Films) anfangs zum Event des Jahres gebracht werden kann, als sei es eine beliebige Party nebenan, dass der entsprechende Club dann aber klein und leer ist, sodass Charlie für die Frau auf der Bühne gut sichtbar ist, wer also Probleme mit „Logiklöchern“ und Unwahrscheinlichkeiten hat, der wird mit diesem wunderbar kitschigen Film nichts anfangen können.
Wie ein Til-Schweiger-Film ohne Idiosynkrasien

Im Grunde geht es wieder um die Erzählung von „Jenny from the Block“, von einer, die eine von uns ist und nur zufällig reich, berühmt und diejenige mit zwei Assistenzen, Security Guards und einen Schauspiellehrer im Abspann. Und diese Performance von Authentizität wird in Marry Me nicht umsichtig erzählt, sondern besteht aus einzelnen Häppchen. Als wäre der Film eine Zusammensetzung von Momenten für Instagram oder TikTok. Nicht zu vergessen die pixligen Aufnahmen von New York, die aussehen, als seien sie von YouTube kopiert. Dass Marry Me, ein Film, der keine Anstalten macht, das Rezept einer Liebeskomödie aus den 90er Jahren zu ändern, nicht gänzlich verstaubt wirkt, liegt wohl am ehesten daran, dass der Film eben seine Verankerung im Hier und Jetzt sehr offensiv wie auch überzeugend in seinen fragmenthaften Bildwelten ausstellt.

Zuweilen wirkt das Ergebnis wie ein Til-Schweiger-Film, der von fast allen seinen Idiosynkrasien befreit wurde, der aber trotzdem sein Haken im Getriebe nie ganz abgestellt bekommt. Und darin findet sich noch am ehesten das Echte dieses Films. Er ist eben ein wenig peinlich, nicht alles klappt so, wie er möchte, und am Ende des Tages ist er kein Klassiker der Filmgeschichte. Er ist eben ein Film wie wir.
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