Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste – Kritik
Isabel Šuba schickt ein zweites Selbst nach Cannes und reflektiert über Aufführungspraktiken des Filmbusiness.

Die Konstruktion verängstigt mich erst einmal (aber das sollte sie ja auch): Ein Filmemacher-Duo auf einem Filmfestival bekommt einen Witz erzählt über ein Filmemacher-Duo auf einem Filmfestival, im Eröffnungsfilm eines Filmfestivals, dessen Publikum größtenteils aus Filmfestival-Kennern besteht. Es wird gelacht, die Welt ist klein, sie tut nur groß. Es sind die stärksten Momente von Isabell Šubas Film, wenn diese Welt am Ort ihres größtmöglichen Glitzerns, auf dem Filmfestival von Cannes, in instabilen Digitalbildern ihre hässliche Fratze zeigt: schönheitsoperierte Körper, die in einer Mischung aus Verzweiflung und Selbstüberschätzung versuchen, sich an jeder anwesenden Kamera auszurichten, und sei es nur die eines Handys.
Selbstdarstellung mit falscher Identität

Reichlich Oberweite wird da auch gezeigt, ja, Šubas programmatischer Titel Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste (in Anlehnung an den Protestbrief der französischen Regisseurinnen Serreau, Despentes und Cottencon von 2012) ist aber doch mehr Marketing-Gag als feministische Aufarbeitung. (Dass Letztere durchaus nötig wäre, zeigt ein Blick ins achtung Berlin-Programm: Šuba ist die einzige Regisseurin im Spielfilm-Wettbewerb.) Die Kritik des Films am „Haifischbecken Filmbranche“ ist doch eher grundsätzlicher Art. Vor allem geht es hier um den Zwang zur Selbstpräsentation. Beziehungsweisen um deren Verneinung, denn, und das ist der Ausgangsclou des Films, Regisseurin Šuba zeigt sich selbst gerade nicht oder nur vermittelt: Als sie 2012 mit ihrem Kurzfilm Chica XX Mujer (der nebenbei bemerkt auch als Film über die persönliche Darbietung lesbar ist) überraschend nach Cannes eingeladen wurde, schickte sie die Schauspielerin Anne Haug unter ihrem Namen dorthin und akkreditierte sich selbst mit einer gefälschten Identität als Filmstudentin. Aus dem dann in fünf Drehtagen ohne Budget, dafür mit einer ordentlichen Portion Guerilla-Manier – die Kamera ist auf dem roten Teppich wie auch im Kino dabei – entstandenen Material wurde Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste. Erzählt wird die Geschichte der Regisseurin Isabell Šuba und deren Produzenten David Wendlandt (gespielt von Šubas tatsächlichem Produzenten Matthias Weidenhöfer).
Lässiger Macho-Hänger, verbissene Idealistin

Anders als in Aaron Lehmanns Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel, der das letztjährige Festival eröffnete und seine Metaebene beim tatsächlichen Herstellen eines Films ansetzt, geht es in Šubas Film vor allem um das Vorher und das Nachher. Neben der Präsentation ihres aktuellen Films wollen Isabell und David das Festival auch zum Anlass nehmen, ihr neuestes Projekt zu pitchen. Das geht gehörig schief: Bereits die Anreise verläuft arrhythmisch, David hat, statt sich um Interviewtermine und Gästelistenplätze zu kümmern, kurzerhand noch eine Bekannte mit ins ohnehin schon viel zu enge Apartment eingeladen. Das Verhältnis der beiden definiert sich fortan vor allem über das Aufeinanderprallen zweier doch sehr unterschiedlicher (und beizeiten stark klischierter) Weltbilder und Handlungsweisen: hier der allzu lässige Macho-Hänger, da die verbissene Idealistin. Die ständige Aushandlung dieser Extrempositionen wandert in gut geschliffenen Dialogen und mit Gespür für Situationskomik vom Speziellen – etwa, wenn es darum geht, mit welchen Genre-Begriffen man nun das neue Werk anpreist – zum Allgemeinen: „Ihr Männer könnt einfach nicht zugeben, wenn ihr Mist gebaut habt.“ Trotzdem, wirkliche Stiche versetzt einem Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste vor allem an den Maximalpunkten des filmischen Realismus: Dann, wenn das Nicht-Konstruierte in seiner Unheimlichkeit unverhofft mächtig wird (Roland Barthes’ Beschreibung der Fotografie als „Wiederkehr des Toten“ passt da ganz gut, scheint doch die Glamour-Welt Cannes ohnehin vor allem aus lebendigen Leichen zu bestehen). Oder wenn sich eben, auf der anderen Seite, eine Gemachtheit völlig offenbart: etwa im dramatischen Höhepunkt des Films, während eines kurzen Pitch-Gesprächs mit einer arte-Redakteurin, dessen unangenehm durchgescriptete Künstlichkeit ja vermutlich dann doch wieder sehr nahe am Filmemacher-Alltag dran ist.
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