Mädchen Mädchen – Kritik
Holprig, aber beschwingter und weniger oll: Martina Pluras Remake des deutschen Teeniekinoerfolgs Mädchen Mädchen von 2001 fühlt sich bei der Inszenierung kleiner Dramen deutlich wohler als bei den derben Späßen des Originals.

Die Teenager Inken (Kya-Celina Barucki), Lena (Nhung Hong) und Vicky (Julia Novohradsky) sind beste Freundinnen und hatten alle drei noch nie einen Orgasmus. So die Ausgangslage vor 24 Jahren, als Mädchen Mädchen zu einem der zentralen Hits des damals florierenden Teeniekinos wurde, so auch wieder die Ausgangslage bei der Neuverfilmung unter der Regie von Martina Plura.

Die Aktualisierung besteht vor allem darin, dass die Hauptfiguren nicht mehr so offensiv von den Erwartungen einer sexualisierten Gesellschaft belagert werden. Das Umfeld der drei Protagonistinnen ist im Original durch Aufschneiderei, aufdringliche Ratschläge oder gleich zum ersten Date mitgebrachte Sexspielzeuge gekennzeichnet. Von überall kommen die Demonstrationen der anderen, wie erfüllt und im Reinen sie mit sich und ihrer Sexualität seien. Im Remake bekommen die drei Freundinnen ihre (so erlebte) Unzulänglichkeit weniger nachdrücklich unter die Nase gerieben. Inken wird zwar wegen der (fehlenden) Größe ihrer Brüste gemobbt und auch ihr Vater (Henning Baum) lebt sein Liebesleben mit neuer Freundin gut hörbar und offen aus. Viel zentraler ist aber eine neue, internalisierte und nicht nur auf das Sexuelle konzentrierte Angst: bloßgestellt zu werden – vor den Mitschülern und vor den Weiten des Internets.
Alte Witze, neues Leben

Der Film beginnt, wie sein Vorgänger, mit Inkens 17. Geburtstag und einer Feier. Dort will sich Inkens Freund Tim (Jason Klare) extra anstrengen, als er erfährt, dass sie noch nie einen Orgasmus hatte, hoppelt dann aber doch nur wieder auf ihr herum, ohne auf sie zu achten. Lena wird unterdessen von Mitschüler „Schädel“ dazu verleitet, sich ein Kondom über den Kopf zu ziehen und solange zu blasen, bis dieses platzt, was sie zum Gespött der Party macht. Unterdessen hat Vicky eines ihrer vielen sexuellen Abenteuer, das wie immer viel zu früh für sie endet. Und kurz darauf kommt es natürlich auch zum Wiederaufleben des Fahrradorgasmus, dem Aushängeschild des Originals.

Die zahlreichen Übernahmen aus dem Vorgängerfilm zu Beginn wirken eher wie eine Pflichtübung, bei der es nicht gelingt, die alten Witze mit neuem Leben zu füllen. Die Pointen der scheiternden sexuellen Versuche zünden nicht mehr bzw. noch weniger als zuvor. Dass der sexuelle Rummel eben weniger aus dem Umfeld von Inken und Co auf diese einwirkt, bedingt auch, dass derbe Scherze nicht funktionieren wollen und im Folgenden auch deutlich weniger verwendet werden. Denn glücklicherweise wird das Original mit fortlaufender Spielzeit immer nachhaltiger ignoriert.

Seine beiden größten Lacher hat Pluras Mädchen Mädchen, wenn es das vorgegebene Terrain verlässt und sich an eigenen Ideen versucht. Einmal geht es um einen kauzigen Apotheker, der das Mittel gegen Vaginalpilz partout nicht unauffällig verkaufen möchte. Ein anderes Mal verbindet sich das Handy beim Masturbationsanleitungspodcast nicht mit den eigenen Kopfhörern, sondern mit Lautsprechern in der Wohnung. In beiden Szenen geht es dem Film nicht um krasse Demütigung und derbe Lacher, sondern um zärtlichen Witz, erstaunliche soziale Erfahrungen und die Möglichkeit von Verständnis jenseits der Blamage.
Episodische Liebesminiaturen und ziemlich schöne Rotzgags

Dabei sind Lena und ihre Mutter (Mai Phương Kollath) die heimlichen Stars des Films. Lena ist phantasievoll und aufgeschlossen, muss sich aber noch zur Souveränität vorarbeiten, während die Mutter abgeklärt, geduldig und unaufgeregt auf die Fettnäpfchen ihrer Tochter reagiert. Für die eine ist alles neu und unklar, für die andere ein alter Hut. In der Mutter zeigt sich, wie sehr die Angst der jungen Mädchen unbegründet und kontraproduktiv ist. Ganz still bietet sie eine Utopie selbstverständlicher (weiblicher) Sexualität an. Zugleich verdeutlicht sie, dass die Unsicherheit der Jugend ganz witzig ist, wenn sie einen nicht mehr selbst betrifft. Noch mehr von diesem gegensätzlichen Duo hätte dem Film gutgetan.

Weibliche Sexualität allerdings kann in diesem Remake jedenfalls einfühlsamer und auch kämpferischer verhandelt werden als noch zur Jahrtausendwende. Die lesbische Liebe ist jetzt nicht nur Verwechslung und Witz, sondern romantisch ausgelotete Tatsache mit zaghaften, unsicheren ersten Annäherungen. Überhaupt sind die episodischen Liebesminiaturen dieses Films über jugendliche Irrungen und Wirrungen mehr über Romantik und weniger über Spaß gedacht. Das ständige Lachen der misogynen Machos der Klasse zieht gebrochene Herzen und gebrochene Nasen nach sich. Zwischen den Generationen kommt es zu gewollten und auch ungewollten Schulterschlüssen. Die gute Botschaft positiver Sexualität entlädt sich allerdings auch mal in didaktischen Reden – dabei hat die frühere Lena-Darstellerin Karoline Herfurth in Wunderschöner (2025) unlängst gezeigt, wie der Frust junger Frauen, die sich bei weitem nicht erlauben dürfen, was Männern erlaubt ist, auch ohne solch große Motivationsreden verdeutlicht werden kann.

Im Guten wie im Schlechten ist Mädchen Mädchen an seinen Menschen und weniger an Lachern interessiert – ein ziemlich schöner Rotzgag wird deshalb leider am Ende des Abspanns versteckt. Sobald die Überbleibsel des Originals überwunden sind, setzen die kleinen Dramen ein, bei denen sich die Inszenierung deutlich wohler fühlt und sich auch engagierter zeigt. Im Grunde stellt sich die Frage, wie sinnig es überhaupt war, die erfolgversprechende Marke wieder aufzugreifen, wenn die eigenen Ansätze so viel besser funktionieren. So bleibt Mädchen Mädchen am Ende holprig. Dafür ist es aber deutlich beschwingter als sein Original − und nicht zuletzt weniger oll.
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