M3GAN – Kritik

Was wäre, wenn KI ein Gesicht hätte, eine Stimme, einen Körper? Mit einer lebensgroßen Puppe für Kinder probiert M3GAN aus, was passieren könnte. Dabei interessiert sich die Big-Tech-Chucky-Variante vor allem für das komische Potenzial des Stoffes.

Der Film beginnt mit einem charakteristisch aufgekratzten Kinder-Werbespot. Gekauft werden sollen kugelrunde, bunte Plüschwesen mit riesigen Augen, die außer mit (streitbaren) Niedlichkeitsattributen noch mit allerlei Fähigkeiten ausgestattet sind: Sie können Nahrung aufnehmen und ausscheiden, Fotos machen und kommunizieren (oder besser: eine Form von Kommunikation simulieren).

Schnitt. In der darauffolgenden Szene sehen wir einen der „PurrPetual Petz“, so der Name des Trendspielzeugs, in seiner praktischen Anwendung, der Alltagsrealität nach dem Kauf also, die wenig gemein hat mit den grellen Schnittkaskaden aus leuchtenden Kinderaugen und umherfliegenden Herz-Emojis vom Anfang: Während einer Autofahrt über eine verschneite Waldstraße debattieren Mutter und Vater darüber, wie viel Bildschirmzeit für ihre elfjährige Tochter gesund sein mag; die langweilt sich auf dem Rücksitz, der Schnee vernebelt die Sicht, und dann läuten die Lichter eines Räumfahrzeuges ein, was dieser Szene von Anfang an eingeschrieben ist: Ein Frontalaufprall bringt die streitenden Eltern, das maulende Kind und das unaufhörlich dazwischenbrabbelnde Ersatzhaustier jäh zum Verstummen.

Schwestern-Surrogat und beste Freundin

Nach einem weiteren Schauplatzwechsel lernen wir Gemma (Allison Williams) kennen, die Designerin der Petz. Die Konkurrenz droht, dem Tech-Unternehmen, in dem sie arbeitet, mit nahezu ebenbürtigen Billigvarianten ihrer Kreation den Rang abzulaufen – es muss also schnellstmöglich ein Nachfolgeprodukt her. Nur gut, dass Gemma gerade heimlich an M3gan arbeitet, einer lebensgroßen Puppen-KI, die – wenn ihre zahlreichen Bugs erst einmal überwunden sind – den Kindern als Schwestern-Surrogat oder beste Freundin zur Seite stehen soll. Noch scheitert M3gan aber schon am dritten Befehl: Statt einen verwirrten Gesichtsausdruck aufzulegen, verzieht sich der synthetische Hautüberzug über dem Schädel aus Schrauben und Drähten zu einer latent heimtückischen Grimasse. Und ausgerechnet, als der skeptische Boss nach einer Demonstration verlangt, geht alles schief – und M3gan in Flammen auf.

Passend für einen Film, der von den Möglich- ebenso wie den Unzulänglichkeiten heutiger Technologien erzählt, beeindruckt die Eröffnung zunächst mit ihrer schieren Ökonomie: In drei Sequenzen legt Regisseur Gerard Johnstone alles bereit, was er für Plot und Tonalität seines Blumhouse-Debüts benötigt, (er)klärt die rein funktionalen Voraussetzungen und installiert emotionale Fallhöhen. Zugleich macht der Film nie einen Hehl aus seinem eigenen Gebautsein: Nur weil er es so will, entpuppt sich Gemma kurzerhand als Tante von Cady (Violet McGraw), die bei dem Autounfall ihre Eltern verloren hat. Und es ist fast erfrischend, wie M3gan das Unglück im Folgenden nur als Plotantreiber nutzt und sämtliche Gelegenheiten, seine Geschichte etwa als Trauerbewältigungs-Allegorie anzulegen, links liegen lässt.

Ein perfekter Prototyp

Mit ihrer plötzlichen Rolle als Ersatzmutter überfordert, sieht Gemma ihre Chance, sich ihrerseits von der KI ersetzen zu lassen – die damit zum Scharnier für die schrittweise Annäherung an Cady wird –, und plötzlich geht alles ganz schnell: Binnen weniger Tage ist ein perfekter Prototyp entwickelt, der den Auftrag erhält, dem Mädchen um jeden Preis zur Seite zu stehen und es zu beschützen. Eine aufdringliche Nachbarin und ihr Hund sowie ein bösartiges Bully-Kind bieten M3gan später eine ganze Reihe von Anlässen, ihre Aufgabe auf rabiate Weise misszuverstehen.

Obwohl offensichtlich als Variation der Chucky-Reihe auf Big-Tech-Basis modelliert, kostet M3gan vor allem das komische Potenzial seiner Konstellation aus: Unter Laborbedingungen, für alle hinter einer länglichen Fensterscheibe einsehbar, die die Szene rahmt wie eine Cinemascope-Totale, werden M3gans Fähigkeiten vorgeführt, ihrem Schützling etwa Trost zu spenden – und auch wenn die Anwesenden bald Tränen der Rührung in den Augen haben, liegt der Effekt der melodramatischen Baukastensätze mitsamt Musical-Finale eher in komödiantischer Irritation.

Technisches vs. „Echtes“

Was wäre, wenn die bild- oder sprachbasierten KIs, deren Erzeugnisse dieser Tage die sozialen Netzwerke fluten und dort gleichermaßen verblüffen wie amüsieren, ein Gesicht hätten, eine Stimme, einen Körper? Was passiert, wenn ihre rein mechanische, aus unzähligen Versatzstücken zusammengesetzte Deutung von dem, was Empathie ist, was Humor, was Fürsorge oder gar Emotion, auf das wirkliche Leben trifft, an der Badezimmertür klopft oder am Küchentisch sitzt? M3gan ist am erfinderischsten, während er diese praktischen Fragestellungen durchexerziert, so vorhersehbar die Erkenntnisse auch sein mögen, die aus seinem Vorhaben resultieren, Technisches und „Echtes“ gegeneinander in Stellung zu bringen. Formal geht er vor allem dann auf, wenn er die eingangs etablierte Oberflächenästhetik in sein eigenes Vokabular übernimmt und umarmt.

Als Pflichtübung erscheint dagegen der vergleichsweise fantasielose letzte Akt, in dem Johnstone plötzlich vorgibt, sich tatsächlich für sein Horror-Sujet zu interessieren, sich seiner Komödie aber zugleich zu bewusst ist, um es nicht doch ironisch zu kommentieren. Was schließlich bleibt, ist der hermetisch-maskenhafte Blick von M3gan, die in bläulichem Halbdunkel am Bett sitzt und einen David-Guetta-Song als Schlaflied interpretiert.

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