Love Lies Bleeding – Kritik
Eine Bobybuilderin (Katy O’Brian) und eine Fitnessstudiomanagerin (Kristen Stewart) beim Liebesspiel mit Anabolika: Wie weit es gehen kann, bis es zu weh tut, und wie voll ein Film sein kann, ehe er platzt, in dieser Zone richtet sich Love Lies Bleeding ein.

Da knackt’s schon wieder, und Jackies Muskeln wachsen; nicht langsam, unmerklich, wie es sich ob der beständigen Arbeit an ihnen gehört, sondern auf einen Schlag dehnt sich das Gewebe dermaßen stark aus, als könnte es bald durch die Haut an die Oberfläche brechen. So richtig au naturel ist der Körper der Bodybuilderin nicht mehr, seit Jackie (Katy O’Brian) im Fitnessstudio Lou (Kristen Stewart) kennengelernt hat und die Anabolikaspritzen ins Liebesspiel integriert wurden. Aber an Realismus ist Love Lies Bleeding von Rose Glass ohnehin nicht interessiert, vielmehr an der Gewaltigkeit eines Verlangens, das den Körper übersteigt.
Dehnübungen

Abgehauen ist Jackie von Oklahoma nach New Mexico, ihr Ziel natürlich Vegas, wo sie an einem Wettkampf teilnehmen will. Was nach dieser Station kommen wird, weiß sie nicht. Dieses Gefühl teilt sie mit Putzprofi Lou. Beide lernen sich im Crater Gym kennen, über dem die Sterne auffällig hell leuchten. Lou managt den Laden, an dem die Motivationssprüche aus den feuchten Wänden quellen und das Klo regelmäßig verstopft ist, erteilt höflich, aber bestimmt Absagen an Daisy (Anna Baryshnikov), die naive Bumsbekanntschaft mit den schlechten Zähnen, auf die sie sich mangels Alternativen situationshippig eingelassen hatte.

Hängen geblieben in der kleinen Stadt ist Lou, irgendwie trapped, ganz wie es die Stimme auf der Kassette beschreibt, mit der sie sich das Rauchen abgewöhnen will. Es müsste ja nur mal ordentlich gerüttelt werden, dieses Kartenhaus der schlechten Gewohnheiten, um die Routinen zum Einstürzen zu bringen. Beim Laminieren der neuen Mitgliedsausweise plötzlich ein Erdbeben, Lou sieht die verschwitzte Jackie, dann ist es geschehen. Schnell wird zwischen den beiden das „I love you“ getauscht. Lou verschenkt die ersten Gläschen mit der Substanz für den Muskelaufbau, lässt die Obdachlose bei sich übernachten, macht nach dem Rummachen Eier zum Frühstück: „I wanna stretch you, see how far I can go”, sagt Lou und meint nicht bloß das Fingern im Badezimmer.
In der Zone

Wie weit es denn geht, bis es zu weh tut, wie voll ein Film sein kann, ehe er platzt, das ist die Zone, in der sich Glass einrichtet, nicht nur im Hinblick auf die lesbian romance, die Love Lies Bleeding anhand ausschweifender Sexszenen erzählt, wenn gierige Hände über Jackies Muckis wandern. Die Familienangehörigen von Lou schalten sich dazu, wodurch das Leben fortan deutlich komplizierter wird, als es an diesem trostlosen Ort ohnehin schon ist. Schwager JJ (Dave Franco) prügelt seine Ehefrau Beth (Jena Malone) ins Krankenhaus. Für ein wenig Geld und einen Job beim Schießstand von Lous Vater hatte sich Jackie noch auf den Schmierlappen eingelassen, bevor sich die zukunftsweisende Begegnung zwischen Hantelbank und Beinpresse ereignete.

Dabei hatte Lou doch extra vorher abgeklärt, dass Jackie keins von diesen Hetero-Girls ist, das auschecken will, wie es sich anfühlt, mal nicht mit einem Mann zu knutschen, schade. Ernüchterung macht sich breit, die Selbstzweifel und die Zigaretten kehren zurück, ebenso die Erinnerungen an die Mutter, die vor 12 Jahren abgehauen war ohne ein Wort. Was Lous Vater (Ed Harris) mit dem Verschwinden zu tun hat, der eine ähnliche Faszination für die Haltung von Hirschkäfern pflegt wie zum Waffenhandel an der Grenze und der beste Kontakte zur örtlichen Polizei unterhält, ist nicht klar. Die Agenten vom FBI interessieren sich für seine Aktivitäten, weshalb sie gerne mal mit Lou quatschen würden.

Unter Beobachtung von Daddy und Staat steht diese Figur also, die nur Todeswünsche übrig hat für den gewalttätigen Ehemann der Schwester. Bis es dann passiert, zack, Jackie kehrt zurück, und Brutalo JJ liegt totgeschlagen im Wohnzimmer, der nicht nur ein Arschloch, sondern zugleich Papas Handlanger war, der pikanterweise und im Gegensatz zu Lou äußerst bereitwillig mit den Behörden zusammenarbeitete.
Am Steuer

Per Truck müssen danach weitere Leichen gepickupt werden, wenn Love Lies Bleeding vom Familiendrama zum Mysterythriller rübermacht und Harris als exzentrischen bug guy mit goldener Pilotenbrille inszeniert. In Rot sind bei Glass die Rückblenden getränkt, Fieberträumen gleich, in denen nicht mehr zwischen Vergangenheit und Zukunft, Wahrheit und Rausch entschieden werden kann. Die nächste Spritze wird gesetzt, Jackie ist drauf, die Haut und die Nerven wie bei Bruce Banner bis zum Zerreißen gespannt. Der 80s-Synthwave-Electro-Score unterstützt das Rasende, das Exzessive, dem sich dieser Film hingibt, in Sachen Lust und Gewalt ebenso wie in der Liebe, die das größte Problem im Kino bleibt.
Mit Situationskomik, Gore und ihren macho sluts steuert Glass hinein in die Abgründe, in denen das Versteckte liegt und auf seine Entdeckung wartet. Rauch steigt auf, die Kacke ist am Dampfen.
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