Kopfjagd - Preis der Angst – Kritik
Mediatheken-Tipp: Yves Boissets Kopfjagd – Preis der Angst schlägt eine Brücke von den Paranoia-Erzählungen der 70er zum Blockbuster-Actionkino der 80er. Michel Piccoli hat als schmieriger Showmaster, der eine tödliche Menschenjagd präsentiert, eine seiner denkwürdigsten Rollen.

2022 war am DFF Frankfurt eine vom Filmkollektiv Frankfurt präsentierte Retrospektive der Filme des französischen Genrefilm-Regisseurs Yves Boisset zu sehen. Ich war damals für ein Schwerpunktwochenende mit insgesamt zehn Filmen angereist, vorwiegend Polizei- und Gangster-Thriller aus den 1970er Jahren. Als letzter lief Le prix du danger von 1983, auf deutsch Kopfjagd – Preis der Angst. Es war nicht Boissets letzter Film (der Regisseur drehte noch bis in die späten Nullerjahre weiter, vorwiegend fürs Fernsehen, und starb erst im Frühjahr diesen Jahres), aber doch ein perfekter Schlusspunkt. Denn Kopfjagd – Preis der Angst übersetzt die zentralen Themen des Regisseurs – politische Paranoia und die Hilflosigkeit des Einzelnen angesichts allgegenwärtiger Korruption – in ein neues audiovisuelles Register.

Boissets Filme der 1970er, wie etwa Ein Bulle sieht rot (1970) oder Der Richter, den sie Sheriff nannten (1977) haben oft eine existenzialistische Note; die Einsamkeit des Individuums akzentuiert sich vor dem Hintergrund eines abstrakten, opaken und doch gleichzeitig unbarmherzig mechanischen Gesellschaftssystems. Kopfjagd – Preis der Angst nun treibt diese Isolation der Hauptfigur auf die Spitze: François Jacquemard (Gérard Lanvin) nimmt an einer Fernsehshow teil, die eine Menschenjagd inszeniert; einer Art interaktiver Gameshow, bei der das Publikum aufgefordert ist, einen flüchtigen Kandidaten zu jagen und zur Strecke zu bringen.
Kopfjagd – Preis der Angst ist zwar gleichfalls vom Kino der 1970er Jahre inspiriert, insbesondere von Hollywood-Dystopien wie Westworld (1973) und Rollerball (1975), auch Tom Toelles ARD-Fernsehfilm Das Millionenspiel (1970) dürfte Pate gestanden haben. Dennoch atmet Kopfjagd – Preis der Angst unzweifelhaft den Geist der 1980er. (Passenderweise wurde Boissets Film seinerseits 1987 recht dreist von Hollywood kopiert: Boisset gewann gegen die Produzenten von The Running Man einen Plagiatsprozess.) Ein Film der Oberflächen, nicht der Abstraktion, ein Film, der sich kein bisschen dagegen sträubt, die exploitative Prämisse der fiktionalen Fernsehsendung in rasantes Blockbuster-Actionkino zu übersetzen.

François Jacquemard ist kein aufrechter Kämpfer gegen einen unmenschlichen Staatsapparat, sondern ein (notwendiges) Element eines Spektakels, das kein Außen mehr kennt. Das in früheren Filmen noch kalte gesellschaftliche System wiederum hat sich aufgeheizt. Seine Unmenschlichkeit verbirgt es nicht mehr, vielmehr stellt es sie werbend aus. Basierten die Paranoia-Erzählungen der 1970er Jahre (nicht nur bei Boisset, sondern auch etwa im New Hollywood) gerade auf der Gesichtslosigkeit der Macht, so heißt es jetzt: Alle machen mit! Mittendrin ist nicht nur der Außenseiter François Jacquemard, sondern auch und vor allem: Michel Piccoli. Der Säulenheilige des europäischen Arthouse-Kinos spielt in einer seiner denkwürdigsten Rollen den Showmaster Frédéric Mallaire – eine aalglatte Schmierenperformance vor dem Herrn, die mal an den Pinguin aus den Batman-Filmen denken lässt und mal, an dieser Assoziation kommt man nun wirklich nicht vorbei, an Donald Trump.
Der Film steht bis 31.05.2026 in der Arte-Mediathek.
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