Der Killer im System – Kritik
Neu auf DVD: Welcher tödliche Haushaltsunfall darf's denn sein? Die hanebüchene Story über einen Serienmörder, der seine Kreise durchs noch junge Internet zieht, macht am meisten Spaß, wenn sie dem Irrsinn einer zerstörerischen modernen Welt folgt.

Serienmörder Karl (Ted Marcoux) hat auf dem Weg zu seinem nächsten Opfer einen Verkehrsunfall. Als er sich im MRT befindet, schlägt dann auch noch der Blitz ein. Sein Körper stirbt daraufhin zwar, mit seinem vollständigen MRT wird aber auch eine Kopie seines Geistes auf einen Server hochgeladen. Er wird zum titelgebenden Killer im System (Ghost in the Machine), der seine Kreise durchs noch junge Internet und die Stromleitungen zieht und, fast allmächtig geworden, weitermordet.
Prophezeiung des gläsernen Bürgers

Selbst die Physik lässt er hinter sich. Das erste Opfer des Teufels in der Technik stirbt durch eine Mikrowelle. Nach Karls Manipulation reicht das Öffnen der Tür derselben, um die gesamte Küche zur Mikrowelle zu machen. Genüsslich kostet der Film die Wirkung aus. Die Bananen quellen aus der Schale. Die Haut des Besitzers bläht sich und entwickelt Blasen. Alles platzt. Das ist nicht nur tricktechnisch sehr schön, sondern spricht auch für die sehr lustvoll eingesetzte Vorstellungskraft der Macher um Regisseurin Rachel Talalay, wenn es darum geht, Dinge und Körper zu zerstören.

Die Stärken von Der Killer im System liegen in seinem zeitweiligen Wahnwitz. Je hanebüchener die Story und je größer die Konzentration auf absurde Arten des Ablebens, desto sehenswerter ist er. Vor allem wenn all das mit der Warnung vor der Technik einhergeht, die uns das Leben leichter machen soll. Wenn Serienmörder Karl durchs Internet zieht und das Leben von Terry Munroe (Karen Allen) von vorne bis hinten ausspioniert, ihr Konto plündert und jeden ihrer Schritte verfolgt, dann ist diese Prophezeiung des gläsernen Bürgers für einen Film von 1993 ziemlich hellsichtig.

Noch schöner sind aber Momente, in denen es weniger gescheit zugeht als völlig übertrieben. So tippelt einmal ein Kleinkind in eine Küche und schaut sich mit leuchtenden Augen einen Küchenschrank an, auf dem Instrumente aufgereiht liegen, die den sicheren Tod versprechen: vom Topf kochender Milch auf einer E-Kochplatte bis hin zum blinkenden Küchenmesser. Welche der sich reichlich anbietenden lebensgefährlichen Unfälle, die eine moderne Küche bietet, soll es also sein?
Technik mit mehr Technik exorzieren

Diese Skepsis gegenüber unserer schönen neuen Welt bleibt aber rein motivisch. Wahrscheinlich ist es besser, dass Der Killer im System gar nicht erst versucht, seine Themen auch nur ansatzweise ernsthaft zu verfolgen. Statt zum Walden zu werden und den Ausstieg aus der modernen Welt zu versuchen, exorziert der Film dann eben den bösen Geist in der Technik durch noch mehr Technik. Nur wenn er dann doch versucht, Kohärenz in das Ganze zu bringen, wird es ziemlich trist.

Neben der Geschichte einer irren Entität in unseren Maschinen wird nämlich auch von der just geschiedenen, alleinerziehenden Mutter Terry und ihrem pubertierenden Sohn Josh (Wil Horneff) erzählt und davon, wie die Welt der beiden ohne väterliche Autorität aus dem Tritt gerät. Erst mit der zunehmenden Verankerung einer positiven Männerfigur – Chris Mulkey (Twin Peaks) als altersweiser Hacker – nehmen die komödiantischen Einschübe eines rebellierenden, neunmalklugen Jugendlichen, der von seinen Hormonen überrannt wird, ein Ende. Und Karl kann auch als eskalierende Fortführung der toxischen Männlichkeit eines verschwundenen Vaters und Ehemanns gelesen werden, von dem wir in den Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Sohn erfahren.
Vom Zwischenmenschlichen überfordert

Wird dieser Strang mit dem Lustprinzip des Films verquickt, sind die Effekte durchaus schön: wenn beispielsweise eine Babysitterin, kurz nachdem sie für Josh und einen Freund ihre Bluse geöffnet hat, von einer von Karl besessenen Spülmaschine mit weißem Schaum bespritzt wird und darin stirbt. Meistens läuft das vom Übernatürlichen heimgesuchte Familiendrama aber dem Fantasievollen zuwider. Schauspiel, Drehbuch und überhaupt der gesamte Film scheinen vom Zwischenmenschlichen total überfordert. Das Ergebnis sind klischeehafte Ideen, die äußerst uninspiriert und freudlos abgespult werden.

Je mehr Der Killer im System sich der Lösung seiner aufgeworfenen Probleme zuwendet und nicht mehr nur dem Irrsinn einer zerstörerischen Welt folgt, desto weniger Spaß macht er. Das Verständnis für eine gesunde beziehungsweise gesundende Lebenswelt geht dem Film völlig ab, und doch nehmen Dialoge und Interaktion der sich neu entwickelnden familiären Triade immer mehr Platz ein. Wenn dann statt einer Mikrowelle ein Teilchenbeschleuniger das digitale Wesen auf abermals hanebüchene, aber auch umständliche Weise zur Strecke bringt, dann folgt dies leider nur noch bedingt dem Lustprinzip. Es wirkt eher wie die pflichtbewusste Reinstallation eines wenig geliebten Status quo.
Neue Kritiken

After the Hunt

Die toten Frauen

The Mastermind

Tron: Ares
Trailer zu „Der Killer im System“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (20 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.