Katzenmenschen – Kritik
MUBI: Der RKO-Produzent Val Lewton machte psychologische Horrorfilme, lange bevor es diese Bezeichnung gab. Sein Schlüsselwerk Cat People (1942, Regie: Jacques Tourneur) enthält keine expliziten Monsterszenen, ist aber durchzogen von einer Aura des Schaurigen und Fantastischen.

Es wird nicht lange gefackelt im 73 Minuten langen Film. Beim Zoobesuch begegnen sich Irene (Simone Simon) und Oliver (Kent Smith) vor dem Käfig eines Panthers. Nur wenige Augenblicke später eröffnet sie ihm, dass er der erste Freund ist, den sie in New York kennenlernt, und kaum ist das ausgesprochen, heiraten sie schon. Dazwischen erzählt sie noch schnell vom Heimatdorf in Serbien und den abergläubischen Geschichten über dort lebende Katzenmenschen. Und dass sie sich in der Dunkelheit wohlfühlt.

Ein Glück für das Publikum, denn für die kontrastreichen Schwarzweiß-Bilder und das Spiel mit Licht und Dunkelheit ist der Film heute noch bekannt und beispiellos. Fast keine Einstellung zieht an uns vorüber ohne einen langen Schatten, der auf irgendeine Wand geworfen wird. Witterungsszenen mit fantastisch beleuchtetem Regen- und Schneefall unterstreichen den Dualismus von Schönheit und Unbehagen, der in allen Filmen aus der Schmiede von Jacques Tourneur und Val Lewton steckt. Diese formalen Kniffe zielen in Schlüsselszenen direkt auf den Affekt des Publikums; die auftauchende Bedrohung wird nicht explizit gezeigt, sondern lediglich andeutet. So bleibt vieles der Imagination überlassen – bekanntlich ein gutes Rezept zur Schocksteigerung. Exemplarisch dafür steht eine in die Filmgeschichte eingegangene Szene in Cat People (1941): Eine Frau sucht in einem Swimmingpool Schutz vor der titelgebenden Bestie, die sich uns nur durch eine ikonisch gewordene Mischung aus Schattenspiel und Soundkulisse zu erkennen gibt.
Der Fluch der Gestaltenwandlung

Das Unheimliche in Cat People entfaltet sich langsam, aber stetig, und es geht von der Protagonistin aus. Es handelt sich nicht um Aberglauben; Irenes Angst vor sich selbst ist berechtigt. Sie ist einer jener Katzenmenschen, und sie weiß, in welchen Momenten das Biest durchbrechen will. Etwa bei sexueller Erregung oder beim Auftreten starker Eifersucht. Ersteres versucht sie zu kontrollieren, indem sie ihren Ehemann bittet, mit ihr geduldig zu sein. Letzteres erweist sich als schwieriger. Denn je mehr die Beziehung mit Oliver strapaziert wird, desto näher kommen sich er und seine beste Freundin Alice (Jane Randolph). Die wiederum fühlt sich schon bald von einer dunklen Macht verfolgt ...

Cat People greift also (bei dem Namen vermutlich wenig überraschend) das Motiv der Gestaltenwandlung auf, das im Jahr 1942 keine neue Erfindung darstellt. Der transsilvanische Graf aus Bram Stokers Roman Dracula (1897), den Robert Eggers’ Nosferatu (2024) dieser Tage neues Leben einhaucht, ist der bekannteste Gestaltenwandler. Vornehmlich bekannt und gefürchtet als Vampir, kann er sich je nach Adaption des Urstoffes in eine Fledermaus oder auch in einen Werwolf verwandeln. Er unterscheidet sich von Irene in Cat People, oder auch von Larry im Universal-Vorbild The Wolf Man (1941), indem er, egal in welcher Gestalt, immer der gleiche, gefährliche Antagonist bleibt. Irene dagegen stellt in ihrer menschlichen Version keine Gefahr für ihr Umfeld dar, ihre Verwandlungsfähigkeit muss eher als große Last verstanden werden. Sie erscheint uns bedauernswerter als der ikonische Blutsauger, selbst ohne Einbezug der mehrfach auslegbaren Metaphorik des Films.

Irene will weder ihren Geliebten noch seine beste Freundin wirklich zerfleischen. Sie will niemanden verletzen, im Gegenteil, ihr größter Wunsch scheint ein normales Leben zu sein, das die Ehe mit all den gesellschaftlich erwarteten Extras einschließt. Die Unmöglichkeit aber, ihr Ziel zu erreichen, lässt diese angestrebte Normalität infrage stellen. Irenes Begehren steht in Konflikt mit der Eheschließung als traditionellem Instrument zur Bändigung weiblicher Stärke und Lust. Das Drama in Cat People entfaltet sich also auch aus einem unterdrückenden patriarchalen System. Insofern erhalten Irenes Background, ihr Begehren und die von ihr ausgehende Bedrohung empowernden Charakter.
Der produzierende Auteur Val Lewton

Die metaphorische Mehrdeutigkeit, die Cat People auch heute noch so spannend macht, zieht sich durch das Werk des früh verstorbenen Val Lewton. Der auf der Krim geborene Autor und Filmemacher wird in den Credits meist nur als Produzent genannt, war aber in unterschiedlichen Funktionen tonangebend, inklusive der Regie. Sein Debüt Cat People ist der erste von drei Filmen, die er zusammen mit Jacques Tourneur gemacht hat, und der erste von neun Horrorfilmen aus den RKO-Studios, die das Genrekino in Hollywood nachhaltig prägen sollten. Sie waren die erste Alternative zu den Universal-Horrorfilmen, wiewohl mit deutlich weniger Budget umgesetzt. Die bei RKO vorangegangenen desaströsen Flops unter der Regie von Orson Welles (darunter sein Debüt Citizen Kane, 1941) veranlassten das Studio, auf Nummer sicher zu gehen. Sie konzentrierten sich auf kostengünstige Horrorfilme, die – Universal machte es vor – ordentlich Publikum generieren sollten. Ein Resultat dieser Budgetknappheit ist das komplette Fehlen expliziter Monsterszenen. „Imagination statt Explizität“ begann als ökonomisch motiviertes Motto, das das Publikum glücklicherweise genauso das Fürchten lehrte wie die Fratze des Wolf Man.

Dass dem Kino von Val Lewton heute so wenig Beachtung zukommt, ist fast überraschend. Cat People und Konsorten könnten als frühe Vertreter zu einer Gattung gezählt werden, die heute dem „reinen“ Genre gegenüber abschätzig als „Elevated Horror“ bezeichnet wird. Horrorfilme also, die über das Korsett des vermeintlich nur effekthascherischen Genres hinaus etwas zu sagen haben. Lewton machte psychologische Horrorfilme, lange bevor diese Bezeichnung erstmalige Verwendung fand (was vermutlich im Zuge der Rezeption von Hitchcocks Psycho (1960) passierte). Tatsächlich sind die schaurigen und fantastischen Elemente dabei selten im Vordergrund, aber die Aura ihrer Existenz bestimmt die Atmosphäre des Ganzen. Mit Cat People und I Walked With A Zombie (1943, ebenfalls inszeniert von Tourneur) wirft Mubi derzeit ein Spotlight auf zwei dieser großartig gealterten Gruselfilme aus dem zweiten Zyklus US-amerikanischer Horrorfilme. Leider ohne Erwähnung von Mastermind Val Lewton in den kurzen Begleittexten.
Den Film kann man bei MUBI streamen.
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