Islands – Kritik
Ungeklärte Beziehungen im sonnigen Fuerteventura. Jan-Ole Gersters Islands inszeniert unausgesprochene Spannungen im Ferienparadies-Alltag eines Tennislehrers. Blicke erzählen dabei die eigentliche Geschichte.

In Islands, seinem dritten Film nach Oh Boy und Lara, verlässt Regisseur Jan-Ole Gerster Berlin und begibt sich auf das sonnige Fuerteventura. Doch auch dort bleiben die Stadt und der Alltag eines bürgerlichen Lebensentwurfs die zentralen Bezugspunkte seiner Protagonisten. Die titelgebenden von Wasser umgebenen Landmassen sind dabei Metapher und konkrete Natur zugleich: eine Insel ist der Handlungsort und die Menschen auf ihr führen selbst wiederum ein inselhaftes Dasein. Aber der Plural im Filmtitel ist mit Bedacht gewählt: Es geht in Gersters Film nicht nur um die einzelne Insel in ihrer Abgeschiedenheit, sondern um die vielfältigen Beziehungen, die sich zwischen mehreren Inseln entwickeln.
Eintöniger Alltag und Spannungen im Ferienparadies

Islands betrachtet das Ferienparadies Fuerteventura aus der Perspektive von Tom, einem Briten, der als Tennislehrer dort lebt, wo andere Urlaub machen. Er ist auf der Insel Teil einer überschaubaren Welt: Tom trifft immer wieder auf dieselben Menschen – die spanische Rezeptionistin, den Club-Türsteher, den lokalen Polizisten – und die Interaktion mit ihnen besteht vor allem aus einem (mehr oder weniger wechselseitigen) Austausch von Gefälligkeiten. So sieht der Polizist beispielsweise davon ab, Tom einen Strafzettel auszustellen, wenn dieser dafür seiner Tochter etwas Tennis beibringt.
Bei aller scheinbaren Stabilität ist diese Welt aber nur bedingt Toms Zuhause; er bleibt letzten Endes nur ein Zugezogener – so wie seine Wahlfamilie, ein befreundetes marokkanisches Ehepaar, das eine Kamelfarm betreibt. Vereinzelte Tennisstunden, der abendliche Besuch im Club und flüchtiger Sex füllen die Eintönigkeit seines Alltags auf der Insel. Offenkundig nicht aus Lebensfreude konsumiert Tom Alkohol in rauen Mengen, was bei ihm immer wieder zu Filmrissen führt. Der Exzess hat hier jedoch nicht Glamouröses: Tom ist (leider) kein Ripley, und das Hotel kein White Lotus.

Sam Riley spielt diesen Tom in einem wunderbar gehemmten Register. Zur Vorgeschichte der Filmerfahrung gehört auch, dass Riley einst in Control ein exzessiver Punkmusiker war und Stacy Martin, die in Islands die Anne spielt, in Nymphomaniac eine umtriebige Sexbegierige verkörpert hat. Dies füllt von Anfang an den Imaginationsraum des Films und lässt eine Ahnung entstehen, dass diese Figuren eine ereignisreiche, chaotische Vergangenheit hinter sich haben.
Zum ersten Mal treffen die beiden in Islands aufeinander, als Anne, die mit ihrem Ehemann Dave (herrlich penetrant nervig: Jack Farthing) Urlaub in der Hotelanlage macht, vor dem Abstelllager auftaucht, das Tom als eine Art Büro nutzt. Anne möchte, dass Tom ihren Sohn Anton im Tennis unterrichtet. Sie stellen sich einander vor wie zwei Fremde und doch wirkt es, als würde bereits eine tiefere Verbindung zwischen beiden bestehen. Es ist der Auftakt für eine Reihe weiterer Begegnungen; beim Tennis oder im Rahmen eines Tagesausflugs über die Insel, den Tom mit Anne, dem ignoranten Dave und dem unbekümmerten Anton unternimmt. Bei all diesen Treffen entzünden sich unkontrollierte Spannungen zwischen den Figuren. Schon früh im Film kündigt sich mit einem entlaufenen Kamel, das – laut Besitzern – eine Vulkanaktivität auf der Nachbarinsel Lanzarote spürt, eine latente existenzielle Bedrohung an.
Verschiedene Gegenüber, unterschiedliche Schlaghärte

Man kann das Tennisspielen in Islands als Sinnbild für die Monotonie und Stereotypie des (Massen-)Tourismus betrachten. Der Film interessiert sich jedoch spezifischer für das Spiel Toms: für die unterschiedlichen Härtegrade seines Aufschlags, für den Rhythmus des Ballwechsels und schließlich für seine Fähigkeit, ein Ass zu schlagen (einen Aufschlag, bei dem ohne die Berührung des Gegenübers ein Punkt gemacht wird). Sein Spitzname „Ace“ wurde Tom, der aufgrund einer Schulterverletzung den großen Erfolg als Profi verpasste, einst nach einer Trainingssession mit Rafael Nadal auf dem Hotelgelände verliehen (oder angehängt). Ein Ass muss Tom bei seiner jetzigen Arbeit jedoch nur mehr selten schlagen: Schlapp und harmlos schickt er zu Beginn des Films die Bälle übers Netz und begleitet die bemühten Rückschläge der Hotelgäste mit konstant lobenden Worten. Hier wie auch anderswo gewinnt der Film seine innere Spannung aus dem Unterschied zwischen dem, was sich im Bild zeigt, und dem, was die Figuren sagen.
Beziehungen in Blicken und Worten

Es sind die Blicke, die in Islands jene Geschichte offenbaren, die in den Wortwechseln immer nur implizit bleibt. Am Ende des Films besteht dennoch manche Ungewissheit fort, für Tom wie für das Publikum. Besonders Anne und ihre Rolle als Ehepartnerin bleiben ein Mysterium. Und selbst als es nach gut der Hälfte der Laufzeit eine Art Offenbarung gibt, die sich zunächst wie eine alles aufklärende Gewissheit anfühlt, ist diese letztlich für das Schicksal der Figuren doch nicht entscheidend. Nicht auf ein stabiles Wissen zielt der Film ab, sondern auf die sich an ein vermeintliches Wissen anschließenden Entscheidungen und Verpflichtungen.
Bei all diesen Wirrungen bleibt der Film durchgängig bei Tom. Es gibt keine Szene ohne ihn, doch das Verhältnis des Films zu ihm ist trotzdem kein bruchloses. Aus diesen Brüchen entwickelt Islands auch eine Komik, die Vergnügen bereitet – die aber auch immer wieder ins Pädagogische abgleitet, in die etwas schale Ermahnung, sich zu verändern und Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Einer der schönsten Momente des Films ist jedoch, als sich beim Tennis ein Moment der Katharsis anbahnt, der sich dann aber nur als weitere hoffnungslose Wiederholung entpuppt: die individuelle Veränderung mündet in einen Filmriss. Der Film selbst ist da aber noch lange nicht an seinem Ende.
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