Invincible Dragon – Kritik

Supermänner, die ihr Mojo verloren haben: Fruit Chan fährt seinen Hongkongthriller Invincible Dragon mit diebischer Freude an die Wand – und lässt die vermeintlich Unbesiegbaren scheitern.

Es ist die blutige Pointe zum Abschluss der Einführung der Hauptfigur, die Invincible Dragon kippen lässt. Superpolizist Kowloon (Jin Zhang) verfolgt einen Gangsterboss (Lam Suet), und sie landen bei einem Bankett. Bevor sie dort auftauchten, hing der Cop noch mit gefesselten Händen in einem überdimensionalen Kochtopf und war seinem Widersacher ausgeliefert. Jetzt aber schießt er dem hilflos auf einem Tisch liegenden Verbrecher mit einem präzisen Schuss den Unterarm ab, der Unbeteiligten auf die Teller fällt. Im Affekt bringt er mit dieser grimmigen Tat seine bis dahin steile Karriere zum Erliegen. Und was in Invincible Dragon folgt, ist ein sehr eigenwilliges Schlingern zwischen Erfolgsgeschichte und Scheitern.

Supercop mit eingezogenem Schwanz

Denn erzählt wird von Selbstermächtigung und sich abzeichnenden Schicksalswenden. Kowloon wird nach diesem Auftakt in die Provinz versetzt – eine stets tolle Erkenntnis: selbst Hongkong hat eine Provinz –, und prompt treibt dort ein Serienmörder sein Unwesen, der es auf Polizistinnen abgesehen hat. Der Film bietet dem Gefallenen also sofort den Fall an, dessen Lösung ihn rehabilitieren muss. Bald wird es eine Trainingsmontage geben, die den heruntergekommenen Polizisten beim Aufvordermannbringen zeigt, dann sehen wir ihn beim Vollführen übernatürlicher Ermittlungsmethoden und bei Kämpfen, die uns seine wiedererrungenen Supercopkräfte vorführen. Offensiv werden die Zutaten eines epischen wie fröhlichen Actionfilms abgehakt.

Entgegen diesem stets beschworenen Anschein bleibt das Bild aber das gleiche: Kowloon muss mit eingezogenem Schwanz das Feld räumen. Auf seine Versetzung folgt das Verschwinden seiner Verlobten, eine Kollegin, die vom Mörder heimgesucht wurde. Und so findet der Film einen Gebrochenen vor, als in Macau nach einer längeren Pause das Morden wieder beginnt. Von der dortigen Polizei wird Kowloon ohnehin nicht geduldet, weshalb er immer wieder nach Hongkong abgeschoben wird. Zwischendrin: eine nie abhebende Liebesgeschichte. Den Tod eines Kollegen kann er nicht verhindern, und der Täter ist ständig vor seiner Nase, seiner habhaft wird er aber nicht. Die Actionfilmsprüche, die sich Invincible Dragon nicht nehmen lässt, wirken in dieser Katerstimmung zwangsläufig völlig deplatziert.

Keine rettenden Drachen

Im Kochtopf hängend hatte Kowloon von dem Ursprung des Drachentattoos erzählt, das große Teile seines Oberkörpers bedeckt: Als Kind habe er einen vielköpfigen Drachen getroffen, auf dem er sogar reiten durfte. Mehrmals wird Kowloon im Verlaufe des Films diesen Drachen anflehen, dass er kommt und ihm hilft. Doch der Drachen bleibt abwesend, und wenn er dann doch einen Auftritt als Deus ex machina hat, offenbart er nur umso schmerzlicher Kowloons Impotenz. Invincible Dragon erzählt von Supermännern, die ihre Selbstverständlichkeit, ihr Mojo verloren haben. So konnte Kowloons Antagonist sich nach einem verlorenen Boxkampf seine Besiegbarkeit nicht eingestehen und verlor durch seine Geltungssucht, wie wir erfahren werden, auch seinen Sohn. Rache sucht er nun, weil er jeden dafür verantwortlich macht, nur nicht sich selbst. Kowloon wiederum wird vom Film und den Figuren zwar wie eine Legende behandelt, umsetzen kann er diese Erwartungen aber nicht.

Fruit Chan, wahrlich einer der obskursten Auteurs des Hongkongkinos, der es zu Anerkennung im Westen geschafft hat, nimmt es sich heraus, seinen Genrefilm mutwillig und lustvoll an die Wand zu fahren – so wie er sich in seinem Meisterwerk The Midnight After schon einen Spaß daraus gemacht hatte, einen Mystery-Thriller mit Erklärungsmöglichkeiten vollzustellen, die Rätsel aber unaufgelöst zu lassen. Hier erzählt er nun von Leuten, die gern unzerstörbar und immer siegreich wären, und lässt sie durch eine fragmentierte Erzählung ihrer Wunschidentität hinterherhecheln – konfrontiert sie mit dem Scheitern und dem Menschsein.

Erwartungen ad acta legen

Dieses Zerfallen in Einzelnes vollzieht sich, indem Invincible Dragon immer wieder neu beginnt. Immer wieder scheint klar, welcher Film nun folgen wird. Mit ausnehmender Leichtigkeit werden Erwartungen etabliert. Aber bevor diese Erzählung sich verdichten kann, ist sie schon wieder ad acta gelegt. Erst der Actionauftakt, dann die Serienmörderjagd in der Provinz, dann das Zurückkämpfen: Alles endet Hals über Kopf und führt nicht zu den naheliegenden Ergebnissen, sondern nur dazu, dass Kowloon immer stärker gezeichnet ist und seine Pläne und Verfolgungsjagden orientierungsloser werden. Mitten im Film sehen wir ihn, wie er – wie der Mad Detective von Johnnie To und Wai Ka-Fai – eine Kugel am Tatort findet, indem er sich in den Täter versetzt und in Trance die Vergangenheit aus den Zeichen der Gegenwart erkennt. Doch dieses Aufgehen in der Situation wird nie wiederholt. Sie ist nur ein weiteres Einzelteil, das kurz voller Schönheit erglänzt.

Statt sich mit Erfolgen gütlich zu tun, statt einen einfachen Film zu drehen, macht Fruit Chan einen so kruden wie menschlichen: in dem jeder Sieg einen Haken hat und jede Niederlage ihre Spuren hinterlässt, in dem die Unverschämtheit und Hektik der Hochzeit des Hongkongkinos nichts mehr zusammenhält, sondern den Zerfall noch verstärkt. Das ist dann sicherlich alles nicht direkt befriedigend, aber in Zeiten, in denen Superhelden in reibungs- wie mutlosen Filmen die Kinolandschaft dominieren, ist Invincible Dragon mit seiner diebischen Freude am Sand im Getriebe umso wertvoller.

Neue Kritiken

Trailer zu „Invincible Dragon“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.