In Another Country – Kritik
Isabelle Huppert und die koreanischen Männer.

Die Huppert ist die Huppert ist die Huppert. Unverändert über Rollen und Filme hinweg, unverwechselbar. So fragil, so klein, so dezent wie bei Hong Sang-soo war sie aber lange nicht zu sehen. In Another Country, das gilt ihr: Anne heißt sie, mehrfach. Drei Figuren spielt Huppert hier, drei Frauen in unterschiedlichen Situationen, Hirngespinste einer Koreanerin, die sich Geschichten ausdenkt. Der Rahmen ist für alle drei der gleiche, ein Ferienhauskomplex im südkoreanischen Mohang-ni am Meer. Ob als Regisseurin, als Mätresse eines Regisseurs oder als gehörnte Ehefrau, Anne begegnet dort dem „Lifeguard“, sucht das „Lighthouse“, leiht sich einen Regenschirm …

Hong Sang-soos Filme sind immer auch Experimente, sie aber als Versuchsanordnungen zu beschreiben, würde ihnen nicht ganz gerecht. Denn die Zutaten, die Wörter, die Orte, auch das Kostüm und die Requisite, schillern. Das stimmt bei In Another Country (Da-reun na-ra-e-suh) nicht nur, weil Hong hier wieder vom Schwarz-Weiß (The Day He Arrives, 2011) in leuchtende Farben wechselt. Die Elemente, um die herum er seine Variationen arrangiert, funktionieren nämlich nicht primär metaphorisch oder symbolisch. Bedeutungen sind nebensächlich oder nachgelagert, zuerst einmal ist alles Konkretion, Gegenstand: Der hellblaue Regenschirm kontrastiert die orangene Tasche, komplementiert das blaue Kleid; die französische Intonation von „Lighthouse“ steht im Raum, findet ein Echo im Gegenüber; die Handbewegungen, um sich über Sprachbarrieren hinweg zu verständigen, sind vor allem Zeichen physischer Präsenz.

Wenn In Another Country ein Experiment ist, dann sind wir dessen Versuchskaninchen. Anne und die koreanischen Männer, ihre Anziehung zum Rettungsschwimmer, ihre Sehnsucht nach dem Liebhaber, ihre pseudo-spirituelle Sinnsuche, das sind immer Neujustierungen einer gleichen Geschichte, die sich nicht nur vervollständigt, an Komplexität gewinnt, sondern auch fortgeschrieben wird. Die Unterschiede, das Spiel mit Wiederholung und Veränderung, das sind Nebelwerfer, ein großer Spaß, aber auch Makulatur. Sie ermöglichen es Hong, auf eine klassische Erzählung zu verzichten, Mini-Plots aneinander zu reihen, ohne ihnen viel Aufmerksamkeit zuzumessen, und somit der unmittelbaren Lebendigkeit viel Raum zur Entfaltung zu lassen. Wie wir uns zu dieser Lebendigkeit verhalten, die Handlungen interpretieren, uns in den Optionen verheddern und beginnen, an Zufälle und Wahlmöglichkeiten zu glauben, die Protagonisten ernst zu nehmen im jeweiligen Moment, sie mit Leben, mit Projektion zu füllen, das ist Hongs Zauber.

Huppert in Flirtlaune, Huppert traurig, Huppert betrunken. Hong hat wieder einmal zugeschlagen, und einen leichtfüßigen, berauschend schlichten Film gedreht. Dass ein europäischer Schauspielstar in dessen Zentrum steht, lässt ihn von seinem Stil keinen Millimeter abrücken. Keine Großaufnahmen-Zugeständnisse, keine Perspektiven-Verschiebung, um sie größer erscheinen zu lassen, ganz im Gegenteil. Dass In Another Country etwas weniger vielschichtig und geheimnisvoll in der Struktur geraten ist als sein Vorgänger, braucht man ihm indes nicht ankreiden. Die scheinbare Offenheit, die Transparenz der Erzählweise, lässt dafür umso deutlicher andere Stärken hervortreten, wie die Inszenierung von Unwägbarkeiten im Zwischenmenschlichen und Protagonisten mit unlauteren Motiven. Oft scheinen die Figuren dabei apathisch oder zumindest so sehr in sich gekehrt, dass der Zugang nochmal verkompliziert ist. Nur gibt es keine Falltüren, keine eingezogenen Ebenen, zu denen wir vordringen müssten. What you see is what you get. Wenn das mal keine Falltür ist.

Der oft unmerkliche Humor, der sich mit der Zeit immer mehr festsetzt, ist hier nach Außen gekehrt, gerade die Interaktion von Anne mit dem Rettungsschwimmer und ihre Anbandelungsversuche sind schreiend komisch. Aber auch sonst überkommt einen nicht selten die Kicherlust, eine leise Freude am Insider-Joke, mit der uns Hong zu seinen Komplizen macht. Manchmal kann man sein Glück kaum fassen, da ist es schon wieder vorbei. Das Gefühl, Hong sei schon wieder eine Ecke weiter, verlässt einen nie. Erst recht bei einem für seine Verhältnisse so kurzen Film: Kaum hat er begonnen, schon beginnt er in den Händen zu zerrinnen. Ganz greifen lässt er sich ohnehin nie. Oder war der Schirm wirklich nur ein Schirm?
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