Hundreds of Beavers – Kritik
Maskottchen-Massaker: Mike Chesliks Hundreds of Beavers greift zurück auf die Tradition des Stummfilm-Slapsticks und entfacht einen Wirbelwind an überdrehter Skurrilität. In seinem Gag-Dauerfeuer verliert der Film aber jene Reibung mit der Realität, die der Komik erst ihre Schlagkraft verleihen würde.

Mit Beginn des Tonfilms schwindet die vormalige Dominanz des Slapsticks in der Filmkomödie. Neben der visuellen Ebene wird nun der gesprochene Dialog zum zentralen Vermittlungsmedium von Humor. Natürlich bleiben Elemente des Slapsticks auch in vielen Filmen der folgenden Jahrzehnte erhalten – man denke nur an Jacques Tati, Peter Sellers, den frühen Adam Sandler oder Jackie Chan –, jedoch ist die Körperlichkeit in diesen Fällen nur eine Facette der Komik unter mehreren und nicht deren allein dominierender Modus. Diesem permanenten Spannungsverhältnis zwischen Dialog und Körperlichkeit entzieht sich Regisseur Mike Cheslik, indem er in Hundreds of Beavers einen beherzten Rückgriff auf die Slapstick-Tradition der Stummfilmära wagt.
Die Handlung spielt in Nordamerika, während der großen Goldgräberzeit des 19. Jahrhunderts. Jean Kayak führt ein erfolgreiches Dasein als Apfelbrandweinverkäufer, seine Kunden sind hauptsächlich Jäger und Fallensteller. Nachdem jedoch eines Tages eine Horde von Bibern seinen Alkohol stiehlt und dabei sein Hab und Gut in Flammen aufgehen lässt, muss er ganz von vorne anfangen. Der Film, der zwar nicht lautlos, aber ohne gesprochenen Dialog auskommt – bis auf ein perfekt platziertes „J’accuse!“ – ist ganz im Stil berühmter Stummfilm-Komödien gestaltet, mit Buster Keaton und Charlie Chaplin als den offenkundigsten Bezugspunkten. Der Humor wird visuell vermittelt, die einzelnen Sequenzen sind wie in sich geschlossene Sketche aufgebaut und die Komik entsteht zu weiten Teil aus der Körperlichkeit des Protagonisten, aus dessen ausufernder Gestik und Mimik. Gleichzeitig bezieht sich der Film auch auf die Nachfolger der Stummfilm-Klassiker, u.a. die Looney-Tunes-Filme, die das Slapstick-Genre weiter ins Skurrile und Absurde getrieben und auch die letzten Reste von Realismus links liegen gelassen haben. So wechseln in Hundreds of Beavers etwa fallende Eiszapfen mitten im Flug die Richtung, als hätten sie einen eigenen Willen, und ein menschliches Gebiss dient als Schnitzwerkzeug, das tatsächlich die Späne fliegen lässt. Es ist somit nicht nur dem geringen Budget geschuldet, sondern Teil einer Strategie der skurrilen Überzeichnung, dass die titelgebenden Biber, wie die meisten anderen Tiere im Film, von Menschen in riesigen Maskottchen-Kostümen gespielt werden.
Fünfmal ausrutschen, bis man endlich einmal auf der Nase landet

Hundreds of Beavers unterscheidet sich von anderen modernen Komödien mit Slapstick-Elementen (wie etwa den frühen Adam-Sandler-Filmen) nicht nur durch seine hohe Anzahl an physischen Gags, sondern auch durch die Länge seiner einzelnen Sequenzen. Jean Kayak rutscht hier zum Beispiel nicht einfach auf einer Bananenschale aus, sondern der Film findet zuerst einmal fünf Wege, ihn beinahe auszurutschen zu lassen, bevor er dann schlussendlich doch auf der Nase landet. Dieses beharrliche Ausschlachten jedes Gags ist anfänglich ungewohnt, setzen doch die meisten Filmkomödien eher auf ein Dauerfeuerwerk sehr kurzer Witze, jedoch entsteht dadurch nach einer Weile ein Gefühl der Neugier sowie Momente tatsächlicher Überraschung. Besondere Kreativität beweist der Film auch darin, wie er eine Reihe an Running Gags etabliert und dadurch einzelne Szenen und Witze auf unerwartete Weise miteinander in Verbindung setzt. Als Jean Kayak versucht, einen Baum hochzuklettern, um Eier aus einem Nest zu stehlen, taucht immer wieder ein Specht auf, hämmert gegen seinen Kopf und bringt ihn so zu Fall. Der Vogel verschwindet nach dem Ende der Szene nicht einfach, sondern kehrt immer wieder zurück und wird von dem Film in immer wieder neue Situationen eingesponnen, bis ihn Jean Kayak schließlich sogar als Hilfsmittel für die Biberjagd verwenden kann.
Im ersten Teil des Films entspinnt sich der Humor noch aus dem Kampf Mensch gegen Natur – ein Kampf, in dem Jean Kayak erstmal kläglich versagt. Die Natur scheint einfach klüger zu sein als er: die Hasen entkommen ihm aus jeder Falle und die Fische ignorieren seinen Angelhaken. Er schafft es nicht einmal, sein Feuer über Nacht am Brennen zu erhalten, weil der Wind, in klassischer Looney-Tunes-Manier, andauernd die Richtung wechselt, um es immer wieder auszublasen. Im zweiten Teil des Films folgt dann doch noch die erfolgreiche Unterwerfung der Natur – ganz der Dynamik der Kolonisierung des amerikanischen Kontinents entsprechend. Dabei verfällt der Film in eine Videospiellogik und -ästhetik, die an Jump-and-Run-Spiele erinnert. Wie eine Computerspielfigur springt Jean Kayak durch die Welt und wird durchs Sammeln, Tauschen und Töten unzähliger Biber immer erfolgreicher. Die Unterwerfung der Natur wird hier gleichsam gamifiziert und diese Verbindung von kolonialer Vergangenheit und medialer Gegenwart hat durchaus etwas Erschreckendes.
Das Leichte wird allzu leicht und das Spielerische allzu unverbindlich

Leider scheint sich Hundreds of Beavers dieses Grauens, das in seiner Komik schlummert, nie wirklich bewusst zu werden und schon gar nicht unternimmt der Film den Versuch, den Verlauf der nordamerikanischen Geschichte zu reflektieren. Dabei geht es nicht um ein gewissenhaftes Abhandeln historischer Realitäten, schließlich ist der Film weit entfernt von irgendwelchen Realismusansprüchen. Aber auch die Komik zündet irgendwann nicht mehr, wenn sie nur unverbindlich mit Motiven und überlieferten Situationen spielt, dabei aber deren reale Hintergründe und Assoziationen komplett außer Acht lässt. So wirkt ein Film, dessen zentrale komödiantische Konstellation darin besteht, dass ein Mann die kanadische Biberbevölkerung dezimiert, um sich mit den getöteten Tieren eine Frau zu erkaufen, im besten Fall vielleicht nur naiv, im schlechtesten aber konservativ und reaktionär.
Die gelungenen Witze und die liebevollen Verweise auf die Stummfilmzeit machen Hundreds of Beavers zwar zu einer kurzweiligen Erfahrung, doch übersieht Regisseur Mike Cheslik die kritische Haltung von Filmen wie Modern Times oder Safety Last!. Anders als diese berühmten Vorbilder, stellt der Humor von Chesliks Film den herrschenden Status Quo nicht in Frage, sondern ästhetisiert ihn lediglich. Dadurch sieht man in den vielen Witzen irgendwann nur mehr leere Verweise auf andere, tatsächlich transgressive Filme.
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