Hotel by the River – Kritik

Filmfest Hamburg 2018: Hintersinnige Gespräche vor verschneiter Flusslandschaft. Auch in Hotel by the River löst der Soju wieder die Zungen. Doch trotz einiger hochkomischer Szenen nehmen in Hong-Sang soos fünfter Produktion in nur 18 Monaten die melancholischen Töne zu.

Der schwarzweiße Winterfilm spielt in einem am Ufer des Hangang gelegenen Provinzhotel und beginnt mit einer kleinen Irritation, die durch eine unübliche Überlagerung von Schrift und Stimme entsteht: Die Opening Credits von Hotel by the River sind nicht nur als schwarze Schriftzeichen auf weißem Grund zu lesen, sondern werden gleichzeitig aus dem Off von einer männlichen Stimme aufgesagt und erhalten so eine doppelte Signatur. Nicht selten kommt es im Verlauf des Films zu spielerischen Verdoppelungen und Verschiebungen von Sätzen durch Voice-overs: Stimmen von ins Geschehen immer schon implizierten Figuren, die unseren Blick durch ihre Beobachtungen lenken. Monologe, die in variierter Form in späteren Dialogen wieder auftauchen und so Redundanzen und Resonanzen bewirken. Man meint, das Gesagte schon einmal leicht moduliert gehört zu haben, doch oft erklärt das gar nichts.

Außergewöhnlicher Sinn für wirklichkeitsgebundenes Sprechen

Überhaupt gibt es in Hotel by the River wieder großartige Gespräche, die mit einer höchst hintersinnigen Banalität und Beiläufigkeit ganz grundlegende Fragen nach Lebens- und Liebesformen verhandeln. Vor allem die vom koreanischen Branntwein Soju gelösten Zungen sprechen ohne Umschweife und verheddern sich auf der Suche nach ihrem Sinn. Mit Hongs außergewöhnlichem Sinn für ein wirklichkeitsgebundenes Sprechen und mit all seinem sprachlichen Mäandern kreist der Film um gescheiterte Beziehungen, familiäre Verfehlungen, Verletzungen und Vorwürfe. Hotel by the River wechselt dabei zwischen zwei Gruppen von Hotelgästen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Familie und Freundschaft. Zwei Geschichten, die sich spiegeln, vermischen und überlagern.

Heimgesucht von einem unbestimmten Gefühl seines nahenden Todes bestellt der erfolgreiche, jedoch alternde Dichter Young-hwan seine beiden Söhne Kyung-soo (Kwon Hae-hyo) und Byung-soo (Yu Jun-sang) ins Hotel am Fluss. Eine Reihe von (tele)kommunikativen Irrungen und Wirrungen führt dazu, dass die Söhne viel Zeit damit verbringen, den Vater im und um das Hotel herum zu suchen. Ständig verschwindet der Vater, wird aneinander vorbeigeredet, droht die Stimmung zu kippen und sich im Gespräch ein Abgrund aufzutun. Die zweite Gruppe ist ungleich empathischer, besteht aus zwei Freundinnen und bildet ein Gegengewicht zur entfremdeten, rein männlichen Familie.

Selbstreferenzielles Zwinkern ins Publikum

Sang-hee (Kim Min-hee) betrauert die kürzliche Trennung von einem verheirateten Mann und bittet ihre Freundin Yong-ju (Song Seon-mi), sie im Hotel zu besuchen. Die Frauen verbringen viel Zeit damit, Arm in Arm im Hotelbett zu liegen, um dann gelegentlich zu Gesprächen aufzuwachen und erneut einzudösen. Wenn sie sich unterhalten, geht es auch hier häufig um Unfähigkeit, Erbärmlichkeit und Egoismus der Männer. In dem jüngeren Sohn des Dichters erkennen sie einen Filmregisseur, dem sie attestieren, weder massentaugliche noch wirkliche Autorenfilme zu drehen. Vielmehr seien seine Arbeiten ambivalent und bemüht. Dieses selbstreferenzielle Zwinkern ins Publikum ist nicht das erste in Hongs Filmografie. Immer wieder gibt es Regisseure in seinen Filmen, mit denen er Scherze auf eigene Kosten macht.

Die beide narrativen Stränge entwickeln sich zunächst getrennt, berühren sich jedoch in Hongs Montage und erzeugen so thematische Kontraste und Verbindungen zwischen den beiden Gruppen. Die Figuren wissen nichts von der Form der Erzählung. Sie interagieren erstmals, als der alte Dichter die jungen Frauen in der wunderbaren, gleißend weißen Winterlandschaft erblickt und die Gelegenheit nutzt, ihre Schönheit in unangenehm redundanten und zunehmend peinlichen Komplimenten zu rühmen. Abends treffen sich alle im selben Restaurant, wo Frauen und Männer für längere Zeit getrennt sitzen und über große Themen diskutieren, bevor sich Young-hwan den Frauen anschließt und ihnen angetrunken ein neues Gedicht rezitiert.

Visuelle Irritationen, verspielte Diskontinuitäten

Der Titel benennt bereits zwei wiederkehrende Schauplätze in den Filmen von Hong Sang-soo: das Hotel und den Strand respektive das Ufer. Vom Café im Erdgeschoss des Hotels blickt man auf ein tolles, winterliches Flusspanorama. Auch Hongs Darstellerinnen und Darsteller stehen oft am Fenster, schauen von drinnen nach draußen in die Kälte und erinnern in ihren Rückenansichten an Figuren auf Gemälden von Caspar David Friedrich. Hotel by the River kartografiert anonyme Nicht-Orte: ein Café mit geschmacklos barocken Fauteuils, karg eingerichtete Zimmer und triste Flure. Die minimalistischen Hotelinterieurs mit ihrer generischen Möblierung, die winterliche, verschneite Flusslandschaft und der Farbentzug der schwarz-weißen Filmbilder wirken so, als ob Hong weitere Reduktionen angestrebt hätte.

Metonymisch können die so gestalteten Bilder einerseits für Entfremdung und Einsamkeit von Hongs gemütsverdunkelten Figuren stehen und bleiben aber anderseits zu abstrakt und zu eigensinnig. Das liegt auch an den visuellen Irritationen, an einem idiosynkratischen Rhythmus der Einstellungen und an den ungelenken, leicht ruckartigen Zooms. Ständig wird mit der Handkamera nachjustiert und ein unzuverlässiger Übergang markiert. Auch die in äußerst kurzer Zeit wechselnden Witterungsverhältnisse konterkarieren das von der Kontinuität geforderte Gebot möglichst großer Unsichtbarkeit: Zunächst ist die Flusslandschaft gänzlich mit Schnee bedeckt, dann treiben noch einige Eisschollen auf dem Wasser und sind wenig später ganz verschollen. Trotz dieser verspielten Diskontinuitäten und einiger hinreißend komischer Szenen sind die melancholischen, gar depressiven Töne in Hotel by the River ausgeprägter als in den Vorgängerfilmen.

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