Hot Milk – Kritik
Mutter-Tochter-Konflikt unter der glühenden Sonne Spaniens, Vicky Krieps in einer Schlüsselrolle und „Queer Coming of Age“ als Tagline. Klingt verführerisch, führt aber leider zu nichts. Stattdessen ähnelt Rebecca Lenkiewiczs Hot Milk einer hölzernen und klischeebeladenen Telenovela.

Hot Milk fängt eigentlich ganz vielversprechend an. Mutter Rose (Fiona Shaw) sitzt mit ihrer Tochter Sofia (Emma Mackey) am Beach und zieht über die Männer her. Es ist kein Traumstrand, sondern nur ein steiniger Streifen mit schmutzig braunem Sand und Industrieruinen im Hintergrund. Die beiden haben ein kleines Haus am Meer gemietet, damit sich Rose dort in einer Spezialklinik behandeln lassen kann. Sie hat chronische Schmerzen, Lähmungen, kann nicht mehr gehen. Gerade nervt sie aber fast noch mehr der angekettete Hund des Nachbarn, der Tag und Nacht bellt.
Sofia erträgt die Leiden und Marotten ihrer Mutter mit stoischer Ruhe. Wenn’s ihr zu viel wird, raucht sie draußen heimlich eine Zigarette. Oder geht allein zum Schwimmen ins Meer. Das angespannte Verhältnis der beiden wird nur in Andeutungen gezeigt: Mal folgt die Kamera Sofias leerem Blick aus dem Auto, mal sehen wir das ungnädige Gesicht von Rose im Close-Up, wenn sie ihre Tochter mal wieder herumkommandiert. Ansonsten passiert eigentlich nicht viel in der spanischen Mutter-Tochter-WG. Bis auf einmal Ingrid (Vicky Krieps) in die Handlung hinein galoppiert. Tatsächlich erscheint sie am Strand auf dem Rücken eines Pferdes im weißen Kleid und mit wehendem Kopftuch in Slow Motion wie aus einem Werbespot. Sofia ist hin und weg. Als die schöne Hippie-Braut später an ihr Fenster klopft, fällt sie ihr schmachtend in die Arme und lässt sich auf der Terrasse fingern. Wenn das nicht Liebe ist.
Die hotte Ingrid und ihr Kindheitstrauma

Derweil stochert Dr. Gomez (Vincent Perez), ein mysteriöser Wunderheiler, in der Familiengeschichte. Er sucht bei Rose nach verschütteten Traumata, die die Ursache für ihre Lähmungen sein könnten. Wir ahnten es schon: Ihre Leiden sind psychischer Natur – und eben auch eine Waffe der alleinerziehenden Mutter, die Tochter in ewiger Abhängigkeit zu halten. Auch deshalb wehrt sich Rose gegen die neue Therapie und will am liebsten gleich wieder abreisen. Doch Sofia hat jetzt nur noch die hotte Ingrid im Kopf, die aber auch noch was mit dem Chauffeur und dem Reitlehrer zu Laufen hat. Im Bett offenbart sie Sofia dann die wahren Gründe für ihre Bindungsunfähigkeit. Sie hat einst ihre kleine Schwester von der Schaukel geschupst und leidet seitdem an diesem Kindheitstrauma.
Wer jetzt noch glaubt, aus diesen Telenovela-artigen Storyfragmenten könnte noch ein überzeugender Film zusammenwachsen – schließlich hat Regisseurin Rebecca Lenkiewicz ja das Drehbuch zu dem ziemlich guten MeToo-Film She Said geschrieben – den muss ich leider enttäuschen. Oder, wie Hilde Knef zu singen pflegte: Von nun an ging’s bergab! Lenkiewicz baut ethnografische Filmschnipsel von balinesischen Trance-Tänzerinnen ein. Die inhaltliche Referenz dazu: Sofia studiert Anthropologie und arbeitet sich gerade an Margaret Mead und familiärer Prägung in indigenen Gesellschaften ab. Das soll dem Film wohl Arthouse Edginess verleihen. Die Dialoge bleiben jedoch sowas von hölzern und klischeebeladen, das vermeintliche Psycho-Drama um eingebildete Krankheiten und sexuelle Befreiung total unausgegoren.

Am Ende wird die kranke Mutter durch Schocktherapie geheilt. Vielleicht wird sie aber auch von einem Lastwagen überrollt und Sofia kann mit Ingrid in den Sonnenuntergang reiten. „I have been to hell and back. And let me tell you, it was wonderful“, hat Lenkiewicz dem Film als Motto vorangestellt. Ein Zitat der Künstlerin Louise Bourgeois, die sich in ihrem Werk oft mit Mommy and Daddy Issues beschäftigt hat. Im Museumsshop gibt’s den Spruch aufgedruckt auf Kaffeetassen – wie gemacht für heiße Milch.
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