Feinde - Hostiles – Kritik

Das Wiegenlied vom Indianerkrieg. Scott Cooper blickt versteinert auf die Ausläufer eines Massenmordes und findet Regungen in den ebenso versteinerten Gesichtern seiner männlichen Hauptfiguren. Schließlich schenkt er beiden Seiten eine Utopie.

Am Vorabend seiner letzten Mission sucht Captain Blocker (Christian Bale) Antworten bei der Lektüre von Caesar. Sergeant Metz (Rory Cochrane) leistet ihm im nur spärlich illuminierten Fortzimmer Gesellschaft. Beide sind am Ende ihres blutigen Weges angekommen. Metz hat das bereits verinnerlicht, Blocker will es noch nicht wahrhaben. Hinter ihnen liegen zwei Jahrzehnte voller Grausamkeiten am Rande menschlicher Vorstellungskraft. Ob Blocker sich erinnere, wie er ihm einst die Eingeweide zusammengehalten habe, fragt der Sergeant. „I’ve seen you butcher women and children“, sagt später ein anderer Wegbegleiter Blockers. Handlungen, die Metz zu einem inneren Nullpunkt geführt haben: „I don’t feel anything“, behauptet er irgendwann am Rande von Verzweiflung und Fassungslosigkeit. Überlebensinstinkt und Hass sind der Antrieb von Männern wie Blocker und Metz. Dennoch rührt sich etwas in ihnen, immer wenn es wieder gilt, Gräber auszuheben. Je unschuldiger die Opfer, für die sie gegraben werden, umso deutlicher die Regung in den nur scheinbar versteinerten Gesichtern der Männer. Während es für Metz nach der finalen gemeinsamen Mission kein Zurück mehr geben kann, entwickelt sich für Blocker aus der Begegnung mit einer Witwe (Rosamund Pike) sowie dem unfreiwilligen Transport einer indianischen Familie schleichend und doch spürbar so etwas wie ein Ausweg.

Bierernst, aber aus weißer Perspektive

Feinde (Hostiles) liegt die Reise als Strukturprinzip zugrunde. Der Trip bis an die eigenen Grenzen und darüber hinaus atmet den elegischen Odem von Coppolas Apocalypse Now (1979) oder James Grays Die versunkene Stadt Z (The Lost City of Z, 2016). Bei Letzterem könnte man eine Ähnlichkeit im Verweigern der postmodernen ironischen Brechung sehen. Insofern ist Feinde durchaus als Gegenkonzept zum im selbstreflexiven Verweiswahn ersaufenden Deadpool-Nonsens (2016) zu verstehen. Eine No-Bullshit-Attitüde, die man beizeiten auch als reichlich bierernst empfinden darf. Manches ist in diesem Kontext überdeutlich, was aber auch dem Genre geschuldet sein mag. Feinde gehört zur kraftvoll prächtigen Renaissance des Western, der beispielsweise The Homesman (2014) und Bone Tomahawk (2015) sowie die Frontier-Trilogie von Taylor Sheridan angehören. Besonders Letztere stehen im krassen Gegensatz zu hochbudgetierten Studio-Remakes wie Todeszug nach Yuma (3:10 to Yuma, 2007), True Grit (2010) und Die glorreichen Sieben (The Magnificent Seven, 2016), die das Genre als Ausstattungskino und Actionschablone aushöhlen, genauso wie zu Tarantinos im Eigenkosmos operierenden Western. Wegweisend für die Neujustierung des Genres waren mit The Proposition (2005) und Red Hill (2010) zwei australische Produktionen, denen noch Mystery Road (2013) und Goldstone (2016) von Ivan Sen folgten. Auffällig zu beobachten ist die wachsende Bedeutung von Aborigines in letztgenannten Filmen. Das amerikanische Kino hingegen ist noch immer nicht so weit, dass es indigene Figuren in das Zentrum großer Filme stellen würde. In Hostiles werden die beiden sich hassenden Parteien in althergebrachter Flucht in Ketten-Manier (The Defiant Ones, 1958) zusammengeschweißt. Einigermaßen routiniert wird die Drehbuchklaviatur bedient – ehe blinder Hass deutlichem Respekt weicht.

Nach dem Totschlag

Das Verhältnis zur amerikanischen Urbevölkerung prägt den Western seit jeher. Ohne hier Ambivalenzen glattzubügeln, ist tendenziell zu konstatieren, dass es ab den frühen 1960er Jahren zunehmend eine Neubetrachtung und Neubewertung gab. Das trifft bereits auf John Ford zu und kulminiert in Filmen wie Little Big Man sowie Das Wiegenlied vom Totschlag (Soldier Blue, beide 1970). Vor dem Hintergrund sowohl der „Rassenunruhen“ als auch des Vietnamkonflikts sind beide Produktionen deutlich politisch gelesen worden.

Hostiles weist vor allem Ähnlichkeit zu Soldier Blue auf. Neben dem Motiv der Reise sowie dem Konflikt zwischen Kavallerie und Indianern sind hier besonders die Personenkonstellation und die intensiven Gewaltsequenzen zu Beginn und Ende beider Filme zu nennen. Rosamund Pike übernimmt gewissermaßen die Rolle von Candice Bergen als Irritation einer grobschlächtigen Männerwelt. Der ihr zur Seite stehende Soldat Blocker ist dabei die Fortschreibung des zunächst naiven und dann desillusionierten Honus Gent. Während Soldier Blue das historische Massaker am Sand Creek von 1864 sehr explizit nachstellt, verortet sich Hostiles im Jahr 1892. Die indianische Bevölkerung ist längst in Reservate vertrieben, ihr Widerstand gebrochen. Leicht ahistorisch bilden in Hostiles noch einzelne versprengte Gruppen auf Kriegspfad eine Gefahr für Siedler und Soldaten. Die Nation blickt auf einen blutigen Völkermord, und die Regierung, auf sicherer Seite der Gewinner, bemüht sich äußerlich um nachträgliche Befriedung und Imagepflege. In diesem Kontext soll ein internierter sterbenskranker hochrangiger Indianerhäuptling ins Tal seiner Vorfahren geleitet werden. Für Blocker sind die Indianer „Savages“, wie auch der Filmtitel ursprünglich lauten sollte.

Neo-Western im Sommerloch versandet und versendet

Die Bemühungen in den USA, aber auch hierzulande, einen passenden Namen und ein angemessenes Artwork für den Film zu finden, stehen exemplarisch für die Vermarktungsprobleme dieser Neo-Western. Sie sind, anders als die postmodernen genre-entfremdeten Remakes der Studios oder Tarantinos, sehr schwer zu labeln und ans Publikum zu bringen. Ein nicht ganz neues Phänomen: Michael Ciminos Heaven’s Gate (1980), ebenfalls um 1890 angesiedelt und die Finger in die Wunde amerikanischer Schuld legend, wurde zum paradigmatischen Flop und leitete das Ende seines Studios United Artists ein. Der minimalistische Filmstart von Hostiles in Deutschland ist durchaus zu bedauern, führt doch mit Scott Cooper ein ganz hervorragender Vertreter seines Fachs Regie. Cooper, der sich bereits mit seinem Überraschungserfolg Crazy Heart (2009), dem überragenden Auge um Auge (Out of the Furnace, 2013) und dem unausgewogenen Black Mass (2015) als amerikanischer Chronist etabliert hatte, spielt seine Stärken in Hostiles komplett aus. Man darf Cooper ruhigen Gewissens einen Schauspieler-Regisseur nennen, der seine Darsteller zu Höchstleistungen bringt. In seinem Western ist es beispielsweise so, als sähe man Rory Cochrane zum ersten Mal; und auch Jesse Plemons deutet vorher noch nicht gesehene Züge an. Unter Coopers Regie spielt das sensationell aufeinander abgestimmte Ensemble mit eindringlichem Mimimalismus, in dem Nuancen Welten bedeuten können. Vor allem die Dialogszenen leben so von einer großen inneren Spannung. Dadurch ist Hostiles vom drastischen Beginn an ein intensives und hartes Kinoerlebnis, ohne dabei so explizit grafisch zu agieren wie Soldier Blue. Das zunächst beinahe irritierend versöhnliche Finale, seltsam an Spielberg erinnernd und auch innerhalb der Produktion intensiv diskutiert, ist dann durchaus als Utopie zu verstehen.

Neue Kritiken

Trailer zu „Feinde - Hostiles“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.