Horizon – Kritik

Im Auftakt seiner sympathisch größenwahnsinnigen Western-Tetralogie Horizon widmet sich Kevin Costner einer Nation im Werden. In dem verästelten Epos über die Grenzen der Freiheit und die Herausforderungen menschlichen Zusammenlebens finden sich immer wieder große Momente, aber es hapert beim Format.

Mit einem Gewehr in der einen Hand und ihrem Baby in der anderen macht Lucy (Jena Malone) Schluss mit ihrem alten Leben in Montana. Doch auch mit neuem Mann und unter falschem Namen werden sie die Brüder ihres ermordeten Gatten, die mit ihren langen Haaren und wehenden Mänteln wie teuflische Hippie-Rocker aussehen, heimsuchen. In Kevin Costners Auftakt zu seiner ambitionierten und sympathisch größenwahnsinnigen Western-Tetralogie Horizon ist Lucy nur eine von zahlreichen Figuren, die auf ihrer Suche nach dem Glück ziemlich viel aufs Spiel setzen. Der Horizont dient dabei als Metapher für eine ungewisse, aber hoffnungsvolle Zukunft.

Statt in die Ferne fallen die sehnsüchtigen Blicke in dem mit Costners eigenem Geld finanzierten Mammutprojekt immer wieder auf einen zerknitterten Flyer, der die titelgebende Siedlung im San Pedro Valley an der Grenze zu Mexiko bewirbt. Das staubige Stück Land am Fluss soll zur Geburtsstätte einer neuen Gesellschaft werden. Doch das bleibt im ersten Teil noch Utopie. Zunächst fallen zwei Missionare einem Angriff der dort ansässigen Apachen zum Opfer, und als sich einige Jahre später eine mit Zelten angewachsene Enklave gebildet hat, wird sie von den Indianern mit einem Massaker wieder dem Erdboden gleich gemacht.

Viel Reibungspotenzial

Kassenflops haben Kevin Costner im Laufe seiner Hollywood-Karriere noch nie etwas anhaben können. Seine Hartnäckigkeit und Zuversicht teilt er mit den Figuren seiner verästelten Geschichte. Den ersten Teil von Horizon haben in den US-Kinos so wenige Leute gesehen, dass die Fortsetzung gleich ins Streaming abgeschoben wurde. Die zwei verbleibenden Teile müssen erst noch abgedreht werden.

Auf den ersten Blick haben wir es mit einem Historien-Epos über eine Nation zu tun, die sich 1859 noch im Werden befindet. Die verschiedenen, sich erst allmählich entwickelnden und einander kreuzenden Geschichten erzählen von Träumen, für die hart gekämpft werden muss, von Territorial- und Interessenkonflikten sowie von den Herausforderungen menschlichen Zusammenlebens. In diesem Sammelsurium unterschiedlicher Individuen gibt es schon deshalb viel Reibungspotenzial, weil die Freiheit des einen schnell einmal die eines anderen beschneiden kann. An einer Wagen-Kolonne über den Santa-Fe-Trail beteiligt sich etwa ein schnöseliges Paar, das zwar immer höflich lächelt, mit seinen feudalen Ansprüchen aber letztlich auf Kosten der Gemeinschaft lebt.

Eine besondere Rolle kommt in Horizon den stillen Diplomaten zu, die erstmal beobachten und abwägen, bevor sie im Ernstfall zur Tat schreiten. Wachsam und bedächtig sind diese Männer, etwa Costner selbst als schüchtern wirkender Pferdehändler, der erst allmählich seinen Wagemut durchschimmern lässt. Oder ein milder Leutnant, Gegenpol zu einer Gruppe sadistischer Rabauken, die aus Rachsucht wahllos Apachen töten. Ein Junge, dessen Familie von den Indianern ermordet wurde, schließt sich ihnen an, muss jedoch bald feststellen, dass nicht nur Rache ein Irrweg ist, sondern auch der Glaube, vom Einzelnen auf eine ganze Gruppe schließen zu können.

Nächste Woche bei Horizon

Auch Luke Wilson strahlt als Anführer der Wagen-Kolonne eine bescheidene Autorität aus. Zwischen Verständnis und harter Hand versucht er unterschiedliche Bedürfnisse miteinander zu versöhnen. Etwa als zwei Spanner eine Frau beim Umziehen belästigen und er die beiden freundlich, aber bestimmt zurechtweisen will. Immer wieder dreht sich Horizon um solche Friedensbestrebungen, die nur im Ernstfall zur Konfrontation führen. Die ständigen Reibungen zwischen radikalen und gemäßigten Kräften finden sich dabei nicht nur bei Siedlern und Soldaten, sondern auch bei den Apachen.

Für einen Kinofilm erweist sich der kaleidoskopartige Blick teilweise als zu weit gefasst. Man merkt dem Film an, dass er vieles erstmal einführen und etablieren muss. Die in unterschiedlichen Staaten angesiedelten Erzählstränge sind noch lose verknüpft und von den einzelnen Figuren würde man gerne mehr sehen. An den wuchtigen Actionszenen zeigt sich, was auch in der gesamten Erzählung offensichtlich wird: Bei aller kleinteiligen Pracht verliert man teilweise die Übersicht. Nicht nur das Land ist noch ungeformt, auch der Film ist es. Die epische Breite und visuelle Opulenz fordern zwar eine Leinwand, aber dramaturgisch ähnelt Costners Projekt doch eher einer Miniserie. Dementsprechend schließt der Film mit einem „Nächste Woche bei Horizon“; einer minutenlangen, von feierlichem Score getragenen Montagesequenz aus kommenden Ereignissen.

Stärken im nuancierten Schauspiel

Momente von Größe blitzen trotzdem immer wieder auf, nicht nur in der weiten majestätischen Landschaft, die als Projektionsfläche individueller Sehnsüchte dient. Seine Stärken spielt Costner vor allem bei ruhigeren, von nuanciertem Schauspiel getragenen Szenen aus. Etwa wenn der Regisseur bei seinem ersten Auftritt von der Prostituierten Marigold (Abbey Lee) umworben wird. Es entspinnt sich ein spannungsreiches Gespräch, bei dem sich die beiden nicht nur räumlich umkreisen, sondern auch ihre Beziehung zueinander in der Schwebe lassen. Eine sehr ähnliche Konfrontation folgt wenig später mit einem der fiesen Skykes-Brüder; nur dass hier statt subtiler Erotik der Tod lauert.

Vielleicht gelingt es dem in Deutschland immer noch mit einem Kinostart im November versehenen Horizon 2, sich noch ausgiebiger Zeit für solche dramatisch intensiven Momente zu nehmen, seinen widerständigen Figuren und markanten Schauspielern mehr Raum zur Entfaltung zu bieten und vor allem für Ordnung in der noch etwas chaotischen Erzählung zu sorgen.

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