Herrscher ohne Krone – Kritik

Harald Brauns Melodram um einen Arzt, der den dänischen Königin behandelt und sich in die Königin verliebt, nimmt den Geist von 1968 ebenso vorweg wie die ihm folgende Ernüchterung. Herrscher ohne Krone (1957) lebt vom Kampf zwischen der utopischen Einfachheit des O.W. Fischer und der fragilen Expressivität von Horst Buchholz.

Gegen Ende sinniert Dr. Friedrich Struensee (O.W. Fischer) darüber, ob er es über sich gebracht hätte, unzähligen Menschen die Welt zum Paradies zu machen, wenn er dafür auch nur eine Person hätte quälen müssen. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, schließt er. Womit er das Problem von Herrscher ohne Krone (1957) entweder verkennt oder die Frage sehr eigensinnig angeht. Im Kern des Kostümdramas findet sich nämlich tatsächlich eine ähnlich abstrakte Versuchsanordnung. Ein Reformer, also Struensee, kann ein ganzes Land retten oder eine Königin lieben. Er kann zum Wohl der Massen auf seine Liebe verzichten oder für eine kurze Affäre den Geiern am Hof die Macht in die Hand geben, ihn wegen Verrats hinrichten zu lassen und das Land wieder mit kalter Hand auszuwringen.

Schwülstige Emotionalität im harten Reglement

Diese Konstellation lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei Herrscher ohne Krone um ein Melodrama handelt. Struensee, ein Armenarzt aus Altona, wird nach Dänemark berufen, um den fragilen dänischen König Christian VII. (Horst Buchholz) aus dessen geistiger Umnachtung zu retten. Er hat Erfolg und wird zur Stütze, zum Regierungschef und zum Freund des Herrschers. Aber er verliebt sich auch in Königin Mathilde (Odile Versois). Weshalb der politische Aufstieg von den schmachtenden Blicken zweier Liebender begleitet wird, die in der Öffentlichkeit ihre Gefühle nicht offenbaren dürfen. Zweier Liebender, die sich nur im Geheimen einander übermütig hingeben können. Die Sache endet in Tragik, weil Gesellschaft und Tod zwischen ihnen stehen.

Die Rüschenhemden, Perücken und barocken Räume unterstreichen noch die schwülstige Emotionalität, die sich einem stark reglementierten Umfeld entgegenstellt. Aber Regisseur Harald Braun nutzt diesen Teil der wahren Geschichte wie auch sonst die Namen und Geschehnisse nur als Stichwortgeber und als groben Rahmen. Die tragische Liebe ist für ihn vor allem der Katalysator für eine andere Tragik, die im Film letztlich eine zentralere Rolle spielt. Herrscher ohne Krone handelt eben auch von einem anderen Verrat Struensees. Dem Verrat an seinem Freund und Ziehsohn – und damit am dänischen Volk, das er durch seinen Egoismus wieder den Blutsaugern des Hofes ausliefert.

Folterkammern, Trutzburgen und Landstraßen

Zu Beginn und am Ende der Freundschaft zwischen Arzt und König wird Christian VII. in seinem Zimmer sitzen und von Nebelschwaden umgeben sein. Womit sich das Rauchen seines glühenden, fragilen, sich überschlagendenden Verstandes ausdrückt, als auch der Muff von tausend Jahren, der im Palast und im Land herrscht. Struensee wird ihn zwischenzeitlich beruhigen. Er wird die Folterstrafe abschaffen und adlige Willkür für einen humanistischen Absolutismus beschneiden, der dem Volk dienen soll. Sein Wirken wird als Hauruckaktion dargestellt, die ein mittelalterliches Land in die Moderne führt.

Herrscher ohne Krone ist erst einmal O.W. Fischers Film und dabei ein politisches Gleichnis – ein hoffnungsvolles noch dazu. Fischers Struensee ist ein Macher, der Dinge anpackt und benennt, der eine simple Welt vor sich sieht. Beherrscht wird sie von Bösen. Sie besteht aus Folterkammern, mittelalterlichen Trutzburgen, gierigen Machtmenschen und Landstraßen, auf denen sich Dorfbewohner sammeln, die ständig bereit sind, zu Mistgabeln und Fackeln zu greifen, wenn Adlige sich in Kutschen nähern, als gehe es darum, ein Monster aus einem Horrorfilm abzuwehren. Auf den gleichen Landstraßen stapeln sich auch jene Dorfbewohner, die durch Ausbeutung und Strafexpeditionen zu Tode kamen.

Keine Schwere oder Komplexität

O.W. Fischer transmutiert diese düstere Welt mit seiner Einfachheit. Zweifel, Angst und komplexe Zusammenhänge perlen an seinem Spiel einfach ab. Er wirkt wie eine Beweisführung, dass das Böse entmachtet werden kann, wenn man sich nicht einschüchtern lässt und geradeheraus für andere handelt. Wenn man ganz arglos an den Humanismus glaubt, und daran, im Recht zu sein. Weshalb Herrscher ohne Krone in Bezug auf Politik auch keine Schwere oder Komplexität entwickelt. Weshalb sich im Film der Geist der 1968er schon anzukündigen scheint, der eine neue, bessere Welt zum Greifen nah wähnt. Der Stier müsste nur mal bei den Hörnern gepackt werden.

Doch handelt es sich auch um Horst Buchholz’ Film. Der selbstverständlichen Eindimensionalität des Spiels Fischers setzt er eine fragile Expressivität entgegen. Sein unstetes Gesicht scheint ständig bereit, in ein anderes emotionales Extrem umzuschlagen. Seine überschwängliche Freude wartet nur darauf, zerstört zu werden. Seine Unsicherheit lässt seine Züge zerfließen. In seinen Augen steht Wahn. Zudem lebt er umringt von düster inszenierten Geiern, die nur darauf warten, ihre Krallen in ihn schlagen zu können. Er lebt in weiten Sälen, in denen er sich verliert, auf deren Boden Spiegelfragmente angebracht sind, die etwas Labyrinthisches haben.

Fundament aus Treibsand

Dem Glauben an eine einfache Welt und eine mögliche Utopie, die sich spürbar im Herzen von Herrscher ohne Krone befindet, setzt er Fatalismus und Widerhaken entgegen. Er verleiht dem Ganzen ein Fundament aus Treibsand, das nicht zu sichern ist und indem man sich so beiläufig verliert, dass es erst auffällt, wenn es zu spät ist. Aus einem simplen Film, der die Möglichkeit einer besseren Welt kühn in den Raum stellt, mischt er die Ernüchterung bei, der der Euphorie der Achtundsechziger folgte, weil die Welt widerständiger war, als sich erhofft wurde. Und das Melodrama ist am Ende eben deshalb so effektiv, weil die Luftigkeit der politischen Erzählung, die dem Film sicherlich allzu schnell als Naivität angekreidet werden kann, die Fallhöhe weit über zwei, drei Einzelschicksale hinaushebt.

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