Halloween Ends – Kritik
Die Hölle ist eine Kleinstadt, in deren Tunneln Michael Myers auf die Eskalation wartet. David Gordon Greens Abschluss seiner Halloween-Trilogie ist ein vielgestaltiges Faszinosum, das Traditionen in Frage stellt.

John Carpenters Halloween (1978) war in gewisser Weise eine Studie über Angst. Serienmörder Michael Myers hat zwischen seinen Stationen kaum physische Präsenz. Er taucht in den Schatten und hinter Büschen auf. Also im Augenwinkel und im Undurchsichtigen, das von der Fantasie gerne mit der Angst ausgefüllt wird, dass jemand oder etwas es auf einen abgesehen hat. David Gordon Greens Halloween-Trilogie, die auf Carpenters Film folgenden Sequels ignorierend, in denen Michael Myers von etwas festerer Verfassung ist, versuchte, dieses Schreckgespenst bestehen zu lassen. Nur befinden sich die Filme auf der Suche nach dem Ursprung von Schrecken und Gewalt.
Das Böse in den Adern der Stadt

So erhält Michael, der Avatar des Bösen, seine Kraft in Halloween (2018) anscheinend von Bloggern und Wissenschaftlern. Deren Obsession mit dem Bösen befeuert sie erst. Der Nachfolger von Dr. Loomis – Dr. Sartain (Haluk Bilginer) – setzt sich sogar Michaels Maske auf, als wolle er dessen Nachfolge antreten. Der Film selbst ist dabei eine seltsame Mischung aus dem glatten und pflichtschuldigen Bedienen von Slasher-Traditionen und ernsthaften Versuchen, Eigenes einzubringen – ein Nerdprojekt zwischen den Stühlen also. Der Mittelteil – Halloween Kills (2021) – ging umgehend in die Vollen und stellte dem nun erfreulich blutrünstigen Morden seiner Schreckgestalt einen wütenden Mob aus Verängstigten und Traumatisierten an die Seite. Die Ratio war nicht das Hauptaugenmerk des Films, sondern das Gefühl des Blutrauschs – das am Ende der Eskalationsspirale jedoch mit einem „Friedensgebet“ des ewigen Final Girls (Jamie Lee Curtis als Laurie Strode) besänftigt werden musste, das den Subtext plump ausformulieren darf.

Halloween Ends setzt nicht wie der Vorgänger das Ende dieses Films unmittelbar fort. Vier Jahre sind vergangen und die Wogen haben sich geglättet. Michael Myers lebt inzwischen alt und verbraucht in einem verlassenen Tunnel unter der Stadt. Doch damit sitzt er symbolisch in den Adern der Stadt, in ihrem Unterbewusstsein, und muss nur darauf warten, dass die Stimmung wieder hochkocht. Auftritt Corey (Rohan Campbell), ein von den Bewohnern von Haddonfield Ausgeschlossener. Er wird verbal und körperlich schikaniert und mehrmals fast überfahren. Nur Lauries bei ihr wohnende Enkelin Allyson (Andi Matichak) kann sich für ihn erwärmen – auch da beide die Erfahrung teilen, von ihren Mitbürgern misstrauisch beäugt zu werden. In Corey brodelt es trotzdem weiter, bis er irgendwann auf Michael trifft und sich langsam in ihn hineinversetzt, ihm mit seinem zunehmenden Hass langsam wieder Kraft verleiht.
Vielgestaltiges Faszinosum

Dabei fragt der Film stets zugleich, wo dieses Böse herkommt, das in Corey heranwächst. Infektionen und Süchte finden sich im Film, wobei letztere weniger mit Drogen zu haben als mit menschlichen Verhaltensweisen wie Gewalt und Schikane. Ein Schrecken, der vielleicht schon immer in manchen lauert und nur einen Auslöser braucht. Ganz allgemein geht es Halloween Ends darum, was Schmerz mit Menschen macht.

Der Film macht dafür eine Kleinstadt zum Vorhof der Hölle. Denn Haddonfield ist eine einzige Ansammlung kaputter Seelen, die sich für das selbsterfahrene Leid an anderen abreagieren. Eltern schikanieren ihre Kinder – aus Hass, angewöhnter Hysterie oder guter Intention – und die Kinder schikanieren daraufhin ihre Altersgenossen. Traumatisierte beschimpfen Schuldige und Sündenböcke, eine Radio-DJ die ganze Stadt. Die Mobmentalität zeigt sich nicht in einem Mob, sondern ist tief ins Zusammenleben eingelassen.

Daraus ergibt sich kein geradliniger Genrefilm, sondern ein vielgestaltiges Faszinosum. Halloween Ends trägt die Themen mit Dialogen und vielsagenden Szenen offensiv an den Zuschauer heran, verwehrt sich aber Antworten. Eigentlich stellt er die Fragen in den Raum, während er vom endlosen Horror heimgesucht wird. Im Herzen ist er ein Coming-of-Age-Film, der seine Gefühlswelt so weit verengt, dass der Terror ganz natürlich aus dem Leben der Erwachsenwerdenden erwächst.
Epos einer kampfbereiten Hoffnung

Die Traditionen des Slasher-Genres und der Halloween-Filme werden dabei in Frage gestellt – tatsächlich geben David Gordon Green und seine Autoren (u.a. Danny McBride) nichts mehr darauf, was Fans von ihnen verlangen könnten, und machen das, was sie mit Halloween Ends machen wollen, egal wie krude es ist. Zugleich ist es nicht so, dass die Tropen verschwinden würden. Sie stecken dem Film in den Knochen wie das Böse Myers. Und überhaupt scheint Green bei Halloween Kills auf den Geschmack gekommen zu sein und lässt den direkten Nachfolger auch im Gore waten – sobald er Myers von der Leine lässt. Kurz: Die sich langsam zuspitzende Ausgangssituation ist ziemlich klar, aber der Film franst dauernd aus, nimmt Umwege und kreist endlos um seine Themen, ohne Auswege zu bieten.

Seinen Namen trägt Halloween Ends dabei nicht ohne Grund. Ein möglichst zeremonieller, endgültiger Weg wird gesucht, um sich Myers zu entledigen. Wenn das Böse aber tot ist – so es denn wirklich so sein sollte –, dann fühlt sich das nicht wie ein Sieg an. Die Hölle Haddonfield bleibt bestehen, mit oder ohne Michael. Das ewige Trauma des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist fest und genussvoll verankert worden. Ein endgültiges Ende kann es so nicht geben. Der Horror sind nicht länger die Ungeheuer, sondern wir. Und als Epos einer kampfbereiten Hoffnung, die sich in Form von Laurie Strode nicht unterkriegen lässt, als Film eines Final Girls, das unter Druck von allen Ecken nach Normalität sucht, ist er ein schönes, blutiges Vergnügen.
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