Guglhupfgeschwader – Kritik

VoD: Neues aus Niederaltenkirchen. Diesmal muss Franz Eberhofer einen gewissen Lotto-Otto – der möglicherweise sein Sohn ist – vor Schuldeneintreibern retten. Guglhupfgeschwader versammelt die Stärken und Schwächen der Krimireihe, verzichtet aber glücklicherweise auf jegliche moralische Agenda. 

In Dampfnudelblues (2013), dem ersten von mittlerweile acht Krimis um den bayrischen Provinzpolizisten Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel), kommt eine Frau vor, die von ihrem Mann und ihrem Schwager regelmäßig zusammengeschlagen wird. Die Anzeigen wegen Körperverletzung zieht sie aber ebenso regelmäßig wieder zurück und nimmt ihr gewalttätiges Eheleben wieder auf. Polizeihauptmeister Eberhofer sind so die Hände gebunden und dem wiederkehrenden Treiben wohnt er nur noch lakonisch bei. Es ist deshalb vielleicht nicht verwunderlich, dass der Kriminalfall, den es abseits davon im Film zu lösen gilt, wie ein willkommener Zeitvertreib wirkt, dass dort der Genuss von diversen Mahlzeiten im Mittelpunkt steht und nicht die bittere Hilflosigkeit und die trübe Eintönigkeit einer solchen Realität.

Immer mehr wie Asterix

Guglhupfgeschwader, der aktuelle Eberhofer-Krimi, führt nun einen Tabak- und Zeitschriftenladen ein, der von einer Frau betrieben wird, die ihren Sitz hinter der Kasse nicht mehr verlässt. In ihrer Jugend war sie ziemlich promisk unterwegs, weshalb auch niemand weiß, wer der Vater ihres Sohnes (Johannes Berzl) ist. Lotto-Otto, wie er von allen genannt wird, trägt seinen Namen zwar, weil der Laden auch Lottoannahmestelle ist, er schlägt sich aber zugleich mit einer ausgeprägten Spielsucht herum, weshalb er von Schuldeneintreibern verfolgt wird. Diese beiden sind ebenso verlorene Existenzen im lokalen Schwarzen Loch des fiktiven Niederkaltenkirchen wie die beschriebene Frau aus Dampfnudelblues. Nur sind sie nicht in erster Linie Ausdruck einer bitteren Realität, sondern schlicht absurdes Personal.

Schon mit dem zweiten Teil stand die Reihe vor der Entscheidung, das soziale Biotop des Dorfes weiter auszuarbeiten oder die bitteren Aspekte zur zünftigen Heimatgroteske mitzuverformen. Im Winterkartoffelknödel (2014) wählte man den zweiten Weg, weshalb ein fester Kern an Personal und Running Gags herausgearbeitet wurde. Nach und nach wurde so aus einer exzentrischen Familie, aus exzentrischen Freunden und Vorgesetzten Lokalkoloritcomicfiguren, und Niederkaltenkirchen ähnelte zusehends dem Dorf von Asterix. Mit einem wunderbaren Gespür für Timing und bizarre Figurenzeichnung, für urige Kifferopas, an der Welt und sich scheiternden Klempnern und sensiblen, neunmalklugen, anhänglichen Partnern hatten die Filme selten noch Momente solcher Gravität, dafür bekamen die Figuren den Platz sich zu entfalten.

Nur minimale Variationen

Eberhofer macht sich nun im Guglhupfgeschwader daran, besagten Lotto-Otto vor den Schuldeneintreibern zu beschützen. Dabei nagt an ihm, dass er vielleicht der Vater von Lotto-Otto sein könnte – wegen eines betrunkenen Techtelmechtels auf einer Party vor 24 Jahren. Das wird auch von allen Seiten an ihn herangetragen. Gleichzeitig gewinnt Eberhofers Bruder im Lotto, mit einem Schein, den Franz zuvor seinem Freund Flötzinger (Daniel Christensen) schenkte, da er dessen Geburtstag vergessen hatte. Wobei: Von Lotto-Otto wurde der Schein eh nie eingelesen und nur die Lottogebühr abgezockt. Und Rudi Birkenberger hat eine Beziehung zu einer esoterisch angehauchten, woken Frau. Es geht um Drogen, Prostitution und Glückspiel hinter der tschechischen Grenze, um korrupte Polizisten, um verschiedene Weisen, mit den eigenen Unzulänglichkeiten umzugehen und darum, wie miteinander umgegangen wird.

Gezeigt wird dies mittels einer gepimpten Version eines ARD-degeto-Krimis, der die Schwächen und Eigenheiten seiner Protagonisten in satirische Musikvideos gießt, der sich am Ende den langersehnten Wunsch eines Italowestern-Shootouts erfüllt, der die fehlende Struktur im Leben seiner Protagonisten in Form von Bäuchen, Essen und mindestens einmal zu viel umrundeten Kreisverkehren liebevoll einfängt. Die Eberhofer-Krimis haben inzwischen eine ebenso feste Form wie das Personal klar definiert ist. Wir bekommen, was es eben zu erwarten gibt. Nur minimal wird probiert und variiert.

Immer dasselbe T-Shirt

So eingespielt die Romane von Rita Falk zu Filmen gemacht werden, ist es doch erstaunlich, dass die Reihe in ihrer Qualität schwankt. Vertraute Schweinskopf al dente (2016) ein wenig lieblos auf seine diversen Mashups – ein mondäner Swingerclub in der Provinz, Bindungsangst und chauvinistischer Bindungszwang – da folgte mit Grießnockerlaffäre (2017) ein vieldimensionales Panoptikum aus Elternschaft und Versagen. Ging Sauerkrautkoma (2018) eher orientierungslos der Verfrachtung Eberhofers ins Eheleben nach, da folgte mit Leberkäsjunkie (2019) eine gut aufgelegte Schlachtplatte über die Formlosigkeit der Protagonisten, ein Abgesang auf eine Bürgerlichkeit, die einen Film zuvor noch wie das Ziel erschien. Die Figuren sind eben inzwischen so nah an Karikaturen gebaut, dass sie Gefahr laufen, nur noch grell zu sein und sich mit erwartbaren, billigen Lachern zufrieden zu geben.

Zu sehr gewollt ist Guglhupfgeschwader etwa, wenn Rudis Freundin einfach nur Witzfigur ist, die vorgeführt wird. Wenn Eberhofers Jungkollege etwas unmotiviert und keimfrei Sex- und Drogenparty in Tschechien macht. Sehr gut funktioniert der Film dann aber, wenn Lotto-Otto immer dasselbe T-Shirt unter seiner Jacke trägt, wie Eberhofer auch Film um Film das immer gleiche T-Shirt unter seinem Hemd hervorschaut. Wenn sich in Ottos ahnungslosem Blick immer wieder die Einstellung Eberhofers spiegelt, der sich für die Befindlichkeiten seines Umfelds nicht erwärmen kann. Wenn die angenommene Vaterschaft eben nebenher vermittelt wird. Durchwachsen fängt der Film an. Er sammelt sich aber zusehends. Weshalb Guglhupfgeschwader vielleicht nicht der beste Teil der Serie ist, aber auch nicht der schlechteste.

Sohn aus dem Sinn

Seine Stärke ist das Fehlen von jeglichen Anzeichen einer moralischen Agenda. Die Figuren sind alles andere als perfekt, nur bedingt gute, soziale Mitmenschen und grundsätzlich nur auf eine sehr eigene Art zu Beziehungen fähig. Sie zu verändern wird nicht mehr versucht, nicht mal mehr angetäuscht. Weshalb das schönste Detail von Guglhupfgeschwader darin liegt, dass der Sohn von Eberhofer und seiner Susi (Lisa Maria Potthoff) mitten im Film auf Kindergartenfahrt geschickt wird.

Franz ist als Vater mal wieder nicht anwesend und Susi scheint der etwas bessere Mensch und Elter zu sein. Und doch verschwindet Pauli an dieser Stelle weinend und schreiend in einem Bus aus dem Film – von der Seite ist noch ein hingemurmeltes: „Endlich eine Woche Ruhe“, zu hören –, und nur Franz denkt wenigstens im Delirium mal an ihn. Es wird kein Versuch unternommen, die beiden irgendwie moralisch zu retten und seine glückliche Wiederkehr zu zeigen. Er ist aus dem Film und für die Eltern sichtlich aus dem Sinn. Es herrscht eine befreiende Akzeptanz dafür, dass Menschen eben auch versagen. In solchen Details lugt weiterhin ein sehr bitterer Kern durch.

Der Film steht bis 09.03.2024 in der ARD-Mediathek.

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