Golden Exits – Kritik
Eine Studentin verdreht mehreren Männern den Kopf und macht Frauen krank vor Eifersucht. Alex Ross Perry blickt in seinem neuen Film auf die Fragilität langjähriger Beziehungen.

Als Naomi (Emily Browning) erstmals den Raum betritt, sind nicht nur die Blicke der Männer auf sie gerichtet. Zwei Frauen erstarren quasi, wie hypnotisiert fixieren ihre Pupillen die Studentin, die jünger und dünner ist, ein bezaubernd schüchternes Lächeln hat, sich verlegen die Haare hinters Ohr streicht und noch dazu mit diesem unwiderstehlich süßen australischen Akzent spricht. Ja, sorry, sie ist wirklich tausendmal schöner als ihr, und eure Männer werden ihr verfallen.
Der Mann als Lump

„Männer sind schwach“, heißt es an einer Stelle in Alex Ross Perrys neuem Drama. Diese These ist derzeit gerade in von Männern verantworteten Autorenfilmen recht populär – etwa in den Werken von Hong Sang-soo, Ruben Östlunds Höhere Gewalt (Turist, 2014) oder I Am Not Madame Bovary (Wo bu shi Pan Jin Lian, 2016) –, vielleicht weil man(n) hofft, dadurch als besonders fortschrittlich zu gelten. Golden Exits dreht sich vor allem darum, wie Männer mit der Schwäche für junge Frauen umgehen und wie ihre Frauen auf diese Schwäche reagieren.
Beruflich bringt der Archivar Nick (Adam Horovitz) wenig zustande, deshalb hat er Naomi als Assistentin angeheuert. Seine Frau Alyssa (Chloë Sevigny) arbeitet als Psychotherapeutin; seit Naomi täglich neun Stunden mit ihrem Mann verbringt, ist sie aber selbst therapiebedürftig. Fast alle Figuren im Film sind um die vierzig Jahre alt, arriviert, aber unglücklich. Ihre Beziehungen sind erkaltet, Zweifel und Reue nagen an ihnen. Doch statt Änderungsbreitschaft herrscht Resignation: „Nick hat sein Leben inzwischen akzeptiert“, sagt Alyssa einmal.
Männliche Triebe, weibliche Intrigen

Golden Exits ist eine Art Kammerspiel und insofern sehr dialoglastig. Die Dynamik des Films ergibt sich aus der sozialen Dreiecksformation des Plots: Da sind die willensschwachen Männer – allen voran Nick, der seine berufliche Machtposition ausnutzt. Er scherzt nur halb, wenn er Naomi darauf hinweist, dass er sie jederzeit feuern könne. Er bezahlt einen Teil ihrer Miete, wodurch Naomi stets in seiner Schuld steht. Und er korrigiert sie bei der Arbeit, um so eine klare Hierarchie zu etablieren. Da ist Naomi, die bei Weitem nicht nur Opfer männlicher Triebe ist, sondern sie immer wieder anstachelt, ausnutzt und es sichtlich genießt, Männer wie Spielfiguren zu lenken und Kontrolle über sie zu haben. Und da sind die Frauen, die mit Tratsch, Lästereien und Hinterlist raffiniert dagegensteuern.
Zum Unglück verdammt

Perry erzählt dieses ziemlich universelle heterosexuelle Beziehungsdrama in körnigen 16mm-Bildern und mit ständigem, täuschend harmlosem Klaviergeplätscher im Hintergrund. Dabei steckt hinter seiner Geschichte ein recht pessimistisches Menschenbild - nicht nur, was die Schwanzhörigkeit der männlichen Figuren betrifft. Einige Menschen im Film sind deprimiert, weil sie in einer Partnerschaft leben, bei Entscheidungen ständig Rücksicht nehmen und immer wieder das alte Stück „Alles okay, uns geht’s gut“ aufführen müssen. Andere sind deprimiert, weil ihnen eine Beziehung fehlt. Wie mensch es auch macht, mensch macht’s verkehrt. Wie mehrere andere Berlinale-Filme zeichnet Golden Exits den Menschen als Wesen, das emotional zu bedürftig ist, um allein zu sein, und zu egoistisch, um zusammen mit anderen wirklich zu harmonieren.
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