Gestehen Sie, Dr. Corda – Kritik

Neu auf DVD: Stilistisch erinnert Josef von Bákys Justizirrtums-Krimi an Edgar-Wallace-Filme, nur ohne jede ironische Brechung. Unwirkliches Licht und lange Schatten geben Gestehen Sie, Dr. Corda! (1958) einen Flair, als greife Nosferatu persönlich nach den Seelen der Leute.

Auf hell ausgeleuchtete Räume folgen raumgreifende Schatten; funktionale, schnörkellose Einrichtungen werden durch Luftschlangenexzess verdrängt oder durch eine Außenwelt, die sich im Griff von Ästen und Sträuchern befindet; das Personal eines Krankenhauses weicht einer ausgelassenen Menge in expressiven Verkleidungen, die menschliche Konturen verzerren: Es ist ein kleiner Schritt zu Beginn von Gestehen Sie, Dr. Corda! (1958), wenn für einige Ärzte und Krankenschwestern Dienstschluss ist und draußen die Fastnacht wartet. Und doch markiert er den Übergang ins Irreale, das unscheinbar am Grund dieses Krimis lauert.

Von einem Mordfall und dem darauffolgenden Justizirrtum wird erzählt, auf einer wahren Begebenheit beruhend. Krankenschwester Gabriele Montag (Eva Pflug) wird von einem Serienmörder erschlagen. Ihr Liebhaber Dr. Corda (Hardy Krüger) findet die zum Rendezvous nicht Erschienene daraufhin tot am Fluss. Statt aber die Polizei zu alarmieren, verwischt er seine Spuren, um zu verhindern, dass seine Frau (Elisabeth Müller) von der Affäre erfährt. Für die Polizei ist schnell klar, dass nur er der Täter sein kann.

Heimkehr des Expressionismus

Herstellungsleiter von Gestehen Sie, Dr. Corda! war Horst Wendlandt – kurz bevor er sich von Artur Brauner und dessen CCC-Filmkunst trennte und die deutsche Filmlandschaft mit Karl-May- und Edgar-Wallace-Verfilmungen entscheidend mitprägte. Optisch ist die Nähe zu Letzterem nicht von der Hand zu weisen. Der nach Hollywood exportierte deutsche Expressionismus kehrte zu der Zeit für Filme wie Gestehen Sie, Dr. Corda! oder die Wallace-Reihe wieder nach Deutschland zurück. War der Stil beim Film noir aber ein Mittel, wird er nun wieder mit wenig Zurückhaltung eingesetzter Selbstzweck. Regisseur Josef von Báky (Münchhausen, 1943) wird wenige Jahre später mit dem Edgar-Wallace-Film Die seltsame Gräfin (1961) sein letztes Werk drehen – wieder für Wendlandt und mit einer ähnlichen optischen Ausrichtung.

Entscheidend ist aber der grundlegende Unterschied zwischen Dr. Corda und Edgar Wallace: Denn hier gibt es noch keine ironischen Brechungen. Keinen Jux, keine Tollerei. Stattdessen ist bereits der Vorspann mit Schreibmaschine auf eine Gerichtsakte geschrieben, durch die geblättert wird. Von der ersten Sekunde wird der Film als Dokument einer Sachlage dargestellt. Weil es den Machern sichtlich sehr ernst ist mit ihrer Botschaft – aber auch, weil sich erst im ausgiebig präsentierten Bierernst der Erzählung der Wahn entfalten kann, auf den alles hinausläuft.

Modus Operandi: Paranoia

In drei Stufen – sprich drei recht klar voneinander getrennten halben Stunden – wird der Irrsinn gezündet. Der Ausgangspunkt eines idyllischen Alltags verformt sich rasch zu einem Noir-Krimi, der die Chronologie der Geschehnisse nachzeichnet und höchstens optisch mit der vorherrschenden Sachlichkeit bricht: Die Bäume und das Buschwerk werden zuweilen von einem grellen, seitlich einfallenden, unwirklichen Licht beschienen; lange Schatten verleihen den Hintergründen ein Flair, als greife Nosferatu persönlich nach den Seelen der Leute; exponierte Schweißperlen offenbaren innere Kämpfe. Das so Dargestellte kreist um die Fragestellungen, wer wann wo war, wer was wissen könnte, wer welche Spuren oder welchen Eindruck hinterließ. Mit der so gestalteten Aufreihung der „Fakten“ wird Paranoia als Modus Operandi installiert.

Im zweiten Drittel führt dies zur kafkaesken Festsetzung eines Unschuldigen – zwar nicht mit der Gewitztheit Kafkas, dafür mit bürokratischem Grimm. Die Polizeibeamten lassen Corda lange im Unklaren warten und nutzen alle Mittel, um ihn seine Hilflosigkeit vor dem Gesetz spüren zu lassen. Statt identitätslosem Bürokomplex sieht das Kommissariat entsprechend wie ein Burgverlies aus. Inspektor Guggitz, der Bluthund dieses Polizeiapparats, wird auch noch von Siegfried Lowitz gespielt, dem ersten Hauptdarsteller der ZDF-Krimiserie Der Alte (1977–).

Während er dort eine Über-Ich-Figur gibt, die die Psychen der Täter zuverlässig durchleuchtet, ist er hier einfach nur der Agent eines arroganten Willens zum Richten. In diesem Ambiente wird nun unablässig eine Forderung an den Verdächtigen herangetragen: Gestehen Sie, Dr. Corda! In wenigen Zügen macht sich der Film daran, ein Leben bis in die Grundfesten zu erschüttern und zu zerstören.

Größtes Übel Gefühle

Aber erst im letzten Drittel wird das offengelegt, was der Skandal eines solchen Justizirrtums zu sein scheint. Denn das größte Übel, das sich dieser unterkühlte, klar konzipierte und arbeitende Film – der sich eben selbst als Akte zu verstehen gibt – anscheinend vorstellen kann, sind übermäßige Gefühle. Und so endet Gestehen Sie, Dr. Corda! in einem großen, überbordenden Melodrama, in dem der Protagonist in der Zelle und seine Frau zu Hause – von Anschuldigungen und Verleumdungen terrorisiert – mental zusammenbrechen. Hoffnungen kommen und gehen, und es bleibt die Hilflosigkeit, die beide in Wracks verwandelt. Versuche, einen klaren Gedanken zu fassen, scheitern phänomenal. Sie zetern, flehen, schreien und driften in Richtung geistiger Umnachtung. Der spielerische Rausch des Faschings, mit dem der Film begann, ist in sein Spiegelbild umgeschlagen: Zwei Unschuldige sind einer Flut an Gefühlen ausgeliefert.

Worauf Gestehen Sie, Dr. Corda! also im Grunde hinausläuft, ist die Verhörszene in Billy Wilders Eins, zwei, drei (One, Two, Three, 1961). Darin wird Horst Buchholz im sowjetischen Sektor Berlins mit Schlafentzug, endlosen Befragungen und der eiernden Schallplatte von Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini gefoltert. Auch er soll gestehen, zuvorderst geht es dem Film aber um Lacher. Josef von Bákys Film hingegen verwehrt sich dieser guten Laune. Wenn dann die Emotionen losbrechen, kann das unangebracht und stillos wirken. Aber gerade in diesen bizarren Momenten findet er seine größte Stärke: wenn er seiner Tendenz zur monotonen Aufgeräumtheit etwas campigen Pfeffer mitgibt.

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