Funny Face – Kritik
Schon wieder die Liebe und die Stadtentwicklung: Tim Suttons Funny Face schenkt zwei Outsidern eine schöne Begegnung und schickt sie dann in den Kampf gegen die Gentrifizierung Brooklyns.

Kritische Stadtsoziologie in einschlägigen Pärchenszenen, mal sehen, ob da noch mehr kommt, Berlinale! Einen Tag nach Petzolds Undine gleich noch ein Film über eine Liebe vor dem Hintergrund städtebaulicher Fehlentwicklungen. Extrovertierter und plumper, aber warum auch nicht: Ein böser Oberkapitalist sitzt in seiner durch New York fahrenden Limo wie einst Pattinson in Cosmopolis (2012) und brüllt in einem halsschlagaderbewussten Close-up: „Money! Moneeeey! Moneeeey!“ (Hä?) Und so wie es in Petzolds Film diese schöne Szene gibt, in der die titelgebende Hauptfigur einen angemessen tendenziösen Vortrag über den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses hält, rastet der verschlossene Rebell Saul (Cosmo Jarvis) in Funny Face einmal im Auto aus, hämmert gegen die Armaturen und hält seiner neuen Gefährtin Zama (Dela Meskienyar) eine Standpauke, weil die angesichts der neuerlichen Knicks-Niederlage vorgeschlagen hatte, er könnte doch auch die Brooklyn Nets unterstützen. Niemals, niemals, niemals! Für den Bau dieses verdammten Scheiß-Stadions eines Franchises aus Fucking New Jersey wurden ganze Communitys in Brooklyn umgesiedelt, sprudelt es aus Hauptdarsteller Cosmo Jarvis in einem Monolog raus, der deutlich weniger Realitätseffekte sucht als findet.
Masken, die vom Himmel fallen
Die Tonspur von Funny Face überführt bedrohlich verstärkte Xylophon-Sounds zu elegischen Synthies, während der Film davon erzählt, wie zwei sich finden, ein bisschen mit dem Aufstand flirten, am Ende aber nur einen schönen Tanz tanzen, in Rotlicht gehüllt, ein Tanz, der an der Gentrifizierung nichts ändert, aber zumindest fürs private Glück zweier Outsider ein bisschen hoffen lässt. Ein couple on the run, sich kennengelernt, als sie einen Deli beklauen will und erwischt wird, er für sie zahlt, ein Klassiker. Er hat die titelgebende Funny-Face-Maske dabei, die er manchmal aufsetzt, auch als er einen der bösen Kapitalisten vor einer Bar stellt, aber dann doch nur ein bisschen würgt. In zwei Einstellungen sehen wir diese Maske vom Himmel fallen, langsam in Richtung New York wirbeln, was wohl irgendetwas bedeuten soll. Undine ist immer ganz konkret, vollkommen erhellt und gerade dadurch durchlässig, Funny Face sucht Atmosphäre im nächtlich Diffusen und wirkt dadurch umso verschlossener, ein bisschen zu stylo, um wirklich scharf zu sein, auch wenn es schöne New-York-Bilder gibt.

Und doch kriegt Regisseur Tim Sutton da irgendwas zu greifen, und wenn es nur die allgemeine Ratlosigkeit ist: Wohin mit der Wut aufseiten der Protagonisten, welche Bilder für die Verdrängung, was tun mit denen, die nur Handlanger des Systems sind, aber die Hand ja trotzdem langen? Irgendwie balancieren Saul und Mama auch ganz schön zwischen Typischem und Singulärem: Sie kommt aus einer recht streng muslimischen Familie, tauscht den schwarzen Schleier irgendwann gegen einen leuchtend orangenen Hijab ein. Er ist der klassische weirde Loner mit viel runtergeschlucktem Groll und Gewaltfantasien. So kann man Funny Face dann auch lesen: zwei Figuren, die im gegenwärtigen Bildreservoir eher mit religiösem und rechtem Terror identifiziert sind, finden zusammen und suchen nach vernünftigeren Zielen als Ungläubige und Fremde. Irgendwie plump, dieser Film, irgendwie aber auch ganz schön.
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