F1 - Der Film – Kritik

Ein alter Hund auf der Rennstrecke: Brad Pitt brilliert in Joseph Kosinskis erstklassigem Rennfahrerspektakel F1 - Der Film mit lässiger Eleganz. Lauter als die Motoren dröhnt hier nur der Hans-Zimmer-Score.

Wellenrauschen blendet zu Beginn von Joseph Kosinskis F1 - Der Film über in Motorenbrummen: Eigentlich soll dieser alte Hund nur die Nachtschicht beim 24-Stunden-Rennen von Daytona hinter sich bringen, einige Runden die Position halten, bevor später wieder einer der wirklichen Stars des Langstreckenrennsports übernimmt. Aber Sonny Hayes (Brad Pitt) kabelt sich die Kopfhörer ins Ohr, die Anweisungen des Teamchefs kaum noch hörend, tritt ins Pedal, überholt kurze Zeit später bei einem Manöver auf der Innenspur, durch das sein Auto fast zerlegt wird, und sichert so einen führenden Platz, den nun andere, renommiertere Fahrer konsolidieren müssen. Weit in seinen Fünfzigern ist Sonny längst ein „has been“, jemand dessen Karriere Dekaden zurückliegt. Von der Piste in Daytona kehrt er zurück in seinen Wohnwagen und von dort zieht er weiter in den Waschsalon.

Selstsuggestive Mythen

Autorennen auf der Leinwand sind zunächst kaum die physischste aller Sportarten: Der Körper verschwindet meist im Cockpit, lediglich reduziert auf ein Paar Augen, das durch einen klobigen Helm umrahmt wird. Trotzdem zieht es seit jeher die populärsten amerikanischen Stars, von Steve McQueen über Sylvester Stallone hin zu Tom Cruise oder Matt Damon, in den Wagen. Vielleicht beanspruchen Schauspieler jene erhöhte Konzentration und erfahrungssatte Reaktionsfähigkeit, die für Rennfahrer alles ausmacht und die wie in keiner anderen Sportdisziplin in Sekundenbruchteilen über Leben und Tod entscheiden kann, gerne für sich selbst. Vielleicht fungieren die euphorisierenden Aufstiegsgeschichten und jähen, bisweilen tödlichen Abstürzen, die seit Langem den Rennsport prägen, aber auch schlichtweg als moderne Mythen, die dem Hollywood-Kino immer wieder abhanden zu kommen scheinen und daher stets aufs Neue selbstsuggestiv erschaffen werden müssen.

Mit F1 setzt der Regisseur Joseph Kosinski das fort, was ihm zuletzt mit „Top Gun: Maverick“ grandios gelang: dem aktuellen Mainstreamkino unmittelbarere Attraktionen jenseits des schwerfälligen Franchise-Worldbuildings, das die Hollywood-Filmproduktion seit anderthalb Jahrzehnten dominiert, zurückzugeben. Mit der Geschichte um einen alternden Rennfahrer, dem 30 Jahre nach seinem abrupten Karriereende (ein Überholungsmanöver gegen Ayrton Senna endete mit einer lädierten Wirbelsäule) ein Formel-1-Comeback ermöglicht wird, schafft er dafür einen so generischen wie einwandfrei zweckdienlichen Rahmen.

Dinosaurier der 90er

„Als wir dich zuletzt im Cockpit sahen, war Bill Clinton Präsident und wir alle tanzten zu ‚Macarena‘“, sagt ein Journalist bei der ersten Pressekonferenz, der sich Sonny Hayes stellen muss. Wäre der Rennstall seines langjährigen Freundes Ruben (Javier Bardem) nicht millionenschwer verschuldet und verzweifelt auf der Suche nach neuen Talenten, hätte wohl niemand diesen Dinosaurier aus den 90ern wieder ausgegraben. In den letzten Runden der Saison soll Sonny nicht nur das Image des Teams von Apex GP aufpolieren, sondern auch der Karriere eines vielversprechenden Newbies, Joshua (Damson Idris), der sich längst nach einem anderen Vertrag umzuschauen beginnt, verdienten Aufschub geben.

Die zahlreichen Rennen, kaum unterbrochen von der sich funktional unterordnenden Story, inszenierte Kosinski im Umfeld real ablaufender Grand-Prix-Tournaments: Seine Runden drehte Brad Pitt nicht gegen eigens geschriebene fiktionale Gegner, sondern die tatsächliche Elite der Formel-1-Fahrer. Am Cockpit angebrachte iPhones-Kameras steuerte er während der Fahrt selbst. Nicht abreißende Immersion erzeugt der Film auch im Sound: Das Einzige, was noch lauter zu dröhnen scheint als die Automotoren, ist Hans Zimmers unentwegt donnernder Score .

Dahinschraffiert

Trotz aller audiovisuellen Geschwindigkeitssucht scheint die Performance von Pitt lässig in sich zu ruhen. Anders als Tom Cruise, der mit zunehmendem Alter seinen körperlichen Einsatz ins Übermenschliche erhöhen muss, und Leonardo DiCaprio, dessen anhaltender Erfolg von Filmprojekt zu Filmprojekt bisweilen arg penibel durchkuratiert wirkt, reichen bei Pitt ein etwas schiefes, leicht vulgäres Grinsen und der von seiner Kindheit im Mittleren Westen vollmundig gefärbte Ton seiner Stimme, um noch die dahinschraffierteste Rolle zum Leben zu erwecken. Geradezu mühelos und selbstbewusst steht ihm das erkennbare Altern gut: Wie zuletzt in Quentin Tarantinos Once Upon A Time In Hollywood zeigt er seinen Körper als zwar muskulös und geshaped, aber auch sichtlich gezeichnet von all den Wunden und Spuren, die ein lange geführtes Leben zwangsläufig hinterlassen.

Die durch Drehbuchschreiber Ehren Kruger bisweilen arg selbstgenügsam gesetzten Klischees von F1 balanciert Pitt in seinem Spiel gekonnt zwischen unfügsamer Virilität und warmherziger Selbstironie: „Leg mal dein Handy weg, es erzeugt nur Lärm“, ermahnt er seinen Rookie-Kollegen bärbeißig beim Training, bevor er diesem zuletzt doch selbstlos eine Formel-1-Karriere ebnet.

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