7 Tage in Entebbe – Kritik
In seinem Film über eine spektakuläre Befreiungsaktion der israelischen Regierung stilisiert José Padilha Soldaten zu Tänzern. Doch hinter den mitreißenden Choreographien aus 7 Tage in Entebbe verbirgt sich ein Plädoyer für den Zweifel.

Wie in Zeitlupe sacken die Tänzer auf ihren Stühlen zusammen, bevor sie ihre Körper wieder mit einem heftigen Ruck nach oben ziehen, die Brust zum Himmel strecken und die Arme in die Luft werfen. Ob mit synchron ausgeführten Gesten oder einander ergänzenden Wellenformen, jede ihrer Bewegungen scheint hier präzise aufeinander abgestimmt zu sein. Nur ein Mitglied aus dem Ensemble sticht heraus, plumpst auf den Boden und ist unfähig, sich aus eigener Kraft wieder aufzurichten. 7 Tage in Entebbe beginnt nicht von ungefähr mit Ohad Naharins auf dem gleichnamigen Pessachlied basierenden Choreographie „Echad Mi Yodea“. Das Verhältnis zwischen Gruppe und Einzelnem, zwischen demonstrativer Stärke und tatsächlicher Schwäche, das hier auf einer abstrakt poetischen Ebene vorgeführt wird, offenbart sich im Laufe der Geschichte als eines der zentralen Motive des Films.
Eine gewagte Befreiungsaktion

Nachdem der Brasilianer José Padilha in den beiden Tropa-de-Elite-Filmen und seinem Robocop-Remake bereits vom komplexen Verhältnis zwischen Staatsgewalt und Verbrechen erzählte, setzt er diesen Kurs auch in seiner neuesten Regiearbeit fort. Die Handlung dreht sich diesmal um ein historisches Ereignis: Im Jahr 1976 entführten deutsche und palästinensische Terroristen eine Maschine der Air France, landeten – mit dem Segen des Diktators Idi Amin – im ugandischen Entebbe und drohten, alle israelischen Passagiere zu töten, sollte deren Regierung nicht umgehend ihre Bedingungen erfüllen. Padilha erzählt aus drei Perspektiven von diesem Ereignis: aus Sicht der israelischen Regierung, die ihre Bürger mit einer gewagten Befreiungsaktion retten will, aus Sicht eines ungeübten, sich in der eigenen strengen Ideologie verfangendem deutschen Terroristenpärchen (Daniel Brühl, Rosamund Pike), sowie am Rande noch von einem jungen Soldaten des Einsatzteams, dessen Freundin wiederum die Tänzerin ist, die wir am Anfang haben stürzen sehen.

Eine der großen Überraschungen von 7 Tage in Entebbe ist, wie gut das Zusammenspiel aus historischem Reenactment und stilisierten Tanzszenen (im Verlauf des Films wird es noch weitere geben) funktioniert. Dass es hier mit Israel um einen recht jungen, stark isolierten Staat geht, der aus einem gigantischen Völkermord geboren wurde, legt nahe, dass die gefallene, sich nur mühsam wieder aufbäumende Tänzerin eine allegorische Funktion übernimmt. Dass aber selbst das nicht abgeschmackt wirkt, liegt daran, dass es der Film nicht bei diesem bloßen Symbolbild belässt, sondern beide Ebenen einander gänzlich durchdringen lässt – mit einer mitreißenden Parallelmontage als Höhepunkt, bei der Bühnengeschehen und Militärangriff eins werden. Dabei ist die Gemeinsamkeit jedoch nicht nur ästhetischer Natur. Beide Male handelt es sich zwar um Choreographien von Gruppen, in der alle Beteiligten penibel aufeinander eingespielt sein müssen, aber die Aufmerksamkeit des Film liegt eben nicht auf dem gut geölten Getriebe, sondern auf dem kleinen Rädchen, das darin unablässig funktionieren muss.
Ein statischer Zustand der Anspannung

Man könnte sagen, dass Padilha einen Actionfilm gedreht hat, der nie richtig an Fahrt aufnimmt – was allerdings zu keiner Zeit ein Problem darstellt. Die meiste Zeit sehen wir die Protagonisten in einem statischen Zustand gefangen; immer wieder ihre Strategien überdenkend, anstatt endlich zur Tat zu schreiten. 7 Tage in Entebbe ist ein Film der Verunsicherung, des Zögerns und letztlich auch der Unfähigkeit zu handeln, to take action. Ob es die Angst des Soldaten vor dem eigenen Tod ist, die verunsichernde Gewissheit Rabins (Lior Ashkenazi), für zahlreiche Menschenleben verantwortlich zu sein oder die die paradoxe Situation linker deutscher Terroristen, ähnlich wie einst die verhassten Nazi-Väter die jüdischen von den restlichen Passagieren zu trennen – jedes Mal geht es darum Urteile abzuwägen und Entscheidungen aufzuschieben. Dem Film verleiht das eine permanente Anspannung, die sich erst dann entlädt, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, als zu handeln.

Padilha wurde in der Vergangenheit öfters vorgeworfen, sich etwas zu sehr an die Seite der Staatsgewalt zu schmiegen. Tatsächlich ist sein neuer Film aber nicht nur ambivalent genug, um das Dilemma jeder politisch wie auch immer positionierten Figur zu ahnen, sondern lässt sich sogar als Plädoyer für das mit sich hadernde Individuum verstehen – was sich auch im Bild der gequälten, sich windenden Tänzerin verdichtet. Die Protagonisten sind dabei umgeben von einem Umfeld, das den eigenen Gerechtigkeitssinn erst gar nicht hinterfragen will, oder wie Rabins Gegenspieler Shimon Peres (Eddie Marsan) einmal meint: „Whatever happens, we did the right thing.“ Der Zweifel ist in dieser Geschichte gerade keine Schwäche, sondern elementarer Teil eines Entscheidungsprozesses, bei dem man irgendwo zwischen Angst, Taktik und Moral einen akzeptablen Kompromiss finden muss.
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