Elio – Kritik

Der kleine Elio mit den empfindsamen Kulleraugen will von Außerirdischen entführt werden: Pixar besticht in seinem Weltraumabenteuer durch niedlich-schräge Wesen, fantasievolles Produktionsdesign und eine rasante Handlung. Nur Elios gequälte Seelenwelt hätte mehr Tiefe vertragen können.

Der 11-jährige Elio sitzt zusammengekauert unter dem Esstisch eines Lokals. Seine Tante versucht ihn zwar mit gutem Zureden nach oben zu holen, aber der Junge bleibt stur in der entrückten Dunkelheit, die im neuen Pixar-Film natürlich auch metaphorisch zu verstehen ist. Denn der Titelheld in Elio hat vor kurzem nicht nur seine Eltern verloren, sondern fühlt sich auch sonst – den hartnäckig wohlmeinenden Versuchen seiner Ersatzmutter zum Trotz – als würde er nicht so recht in diese Welt passen.

„Wir sind nicht allein“ heißt es mehrmals in dem Science-Fiction-Abenteuer, was sich hier nicht nur auf die Existenz von Außerirdischen bezieht, sondern auch auf den Außenseiter Elio. Das Weltall wird für den Jungen mit den für das Animationsstudio typischen Pausbacken und empfindsamen Kulleraugen zum ultimativen Sehnsuchtsort. Bei einer NASA-ähnlichen Institution, für die seine Tante arbeitet, stolpert er zufällig in einen Ausstellungsraum, wo ihn ein allein durchs künstliche All schwebender Satellit auf die entscheidende Idee bringt: Elio will von Außerirdischen entführt werden, weil es woanders eigentlich nur besser sein kann.

Pastellfarbenene und vieläugige Wesen bei intergalaktischem G7-Gipfel

Tatsächlich gelingt ihm das nach zahlreichen gescheiterten Versuchen. Und so landet er in der regenbogenfarben schimmernden, luftig filigranen Wunderwelt des Communiverse; einer Mischung aus Innovationscampus, bei dem die neusten technologischen Entwicklungen präsentiert werden, und intergalaktischem G7-Gipfel, auf dem sich die Botschafter ausgewählter Planeten versammeln. Dass Elio von den pastellfarbenen und vieläugigen Wesen so freundlich empfangen wird, hat jedoch mit dem Missverständnis zu tun, dass man ihn für den Anführer der Erdbewohner hält.

Der vom Regie-Trio Adrian Molina, Madeline Sharafian und Domee Shi verantwortete Film hält sich jedoch nur kurz mit diesem klassischen Verwechslungskomödien-Stoff auf, um sich dann einem kosmischeren Konflikt zu widmen. Als nämlich der finster martialische Warlord Grigon aus dem Communiverse ausgeschlossen wird, erklärt er diesem den Krieg. Nachdem sich die letzten, allegorisch und identitätspolitisch überfrachteten Pixar-Produktionen Rot und Elemental ein wenig in ihren übereifrigen Plot-Konstruktionen verhedderten, erweist sich Elio nun als erfreulich geradlinig und altmodisch.

Rasantes jungstypisches Weltraumabenteuer

Die Geschichte um einen krisengebeutelten Jungen, der seinen Traum erfüllt, um zur Erkenntnis zu kommen, dass er es eigentlich gar nicht so schlecht hat, funktioniert vor allem als rasantes, jungstypisches Weltraumabenteuer, das sich nicht mit zur Schau getragener Cleverness den Weg versperrt. An dem für Pixar charakteristischen Spagat zwischen kindlicher Spielfreude und erwachsener Doppelbödigkeit – die sich diesmal etwa durch die vereinzelte Retro-Ästhetik und den Talking-Heads-Song „Road to Nowhere“ bemerkbar macht – versucht sich auch Elio wieder, legt seinen Schwerpunkt aber deutlich auf Ersteres.

Der stärkere Fokus auf Action sorgt allerdings auch dafür, dass die Gefühlsebene ein wenig formelhaft und flach ausfällt. Es gibt zwar etwa einen schönen Moment zwischen Elio und seiner Tante am Strand, bei dem die emotionale Verbindung zwischen den beiden in einem stummen Blickwechsel verdichtet wird, aber insgesamt hätte diese Beziehung wie auch die gequälte Seelenwelt des Jungen mehr Tiefe und Kontur vertragen können.

Putzige Freundschaft mit herzensgutem Pazifisten-Würmchen

Putzig ist dagegen die Freundschaft zwischen Elio und dem Sohn des Warlords. Glordon ist ein pummeliges Würmchen, das zwar keine Augen, dafür aber messerscharfe Zähne hat und Elio streckenweise nicht nur wegen seines knuddeligen Äußeren, sondern auch wegen seines persönlichen Dilemmas die Show stiehlt. Denn der herzensgute Pazifist wehrt sich dagegen, wie sein Vater in einen bedrohlichen Kriegspanzer gesteckt zu werden, was der Warlord natürlich nicht dulden will.

Auch sonst liegen die Tugenden von Elio überwiegend im fantasievollen Charakterdesign und Szenenbild. Die geschmeidig durch die Luft gleitenden Bewohner des Communiverse erinnern wahlweise an Amphibien, Koalabären und Roboter, besitzen dabei aber doch einen eigenen schrägen Look, der durch seine Einfachheit besticht. Elios hilfreicher Assistent ist etwa eine quadratische Wolke, die lediglich zwei Punkte als Augen und einen Strich als Mund benötigt, um niedlich zu sein.

Balsam für die Tante

Die außerirdischen Figuren erinnern in ihrer pixeligen Klobigkeit teilweise an frühe Computerspiele, das monumental kühle Design des Warlord-Raumschiffs an die Alien-Filme; jeweils ohne sich allzu sehr als Referenzen in den Vordergrund zu drängen. Auch sonst besticht Elio durch seine innere Geschlossenheit und vernachlässigt die bemühte Originalität manch anderer Pixar-Produktionen. Ein paar hübsche Ideen hat er dennoch: Im Communiverse kann man einen Klon von sich selbst produzieren, den Elio auf die Erde schickt, damit seine Abwesenheit nicht auffällt. Der Doppelgänger erweist sich dabei als so kalkuliert handsam, dass der sonst so strapaziöse Alltag mit der Tante plötzlich wie geschmiert läuft.

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