El Reino – Dein Reich komme – Kritik
Netflix: Korruption, Kriminalität, Fanatismus – Der Argentinier Marcelo Piñeyro hat mit El Reino eine clever konstruierte Politserie geschaffen, die an der Kirche und den Politikern des Landes kein gutes Haar lässt.

Pastor Emilio (Diego Peretti) hat ein tief von Falten zerfurchtes Gesicht und eine schiefe Nase, die aussieht, als wäre sie ihm schon ein paar Mal gebrochen worden. Er ist nicht schön. Und trotzdem scharen sich die Anhänger der evangelikalen Freikirche „La iglesia del reino de la luz“ (Die Kirche des Königreichs des Lichts) um ihn. Während der charismatische Pastor in seiner Kirche und im Fernsehen verehrt wird, zieht seine Frau Elena (Mercedes Morán) im Hintergrund die Strippen. Mit den drei leiblichen Kindern, einem Adoptivsohn und seinem jungen Anwalt Julio (Chino Darín) bildet die Familie in Marcelo Piñeyros Serie El Reino einen eingeschworenen Clan.
Ein Mord bringt Geheimnisse ans Licht

Schon in Piñeyros Verfilmung von Claudia Piñeiros Roman Die Donnerstagswitwen (Las viudas de los jueves, 2009) markiert ein Mord – drei Leichen, die eines Tages im Pool einer Gated Community am Stadtrand von Buenos Aires gefunden werden – eine Zäsur für eine Gemeinschaft, und nach und nach kommen Geheimnisse ans Tageslicht. In El Reino, bei der Piñeiro am Drehbuch mitgearbeitet hat, ist es nun das Attentat auf einen Politiker, das die makellose Fassade der Pastorenfamilie langsam zum Bröckeln bringt: Bei einer riesigen Wahlkampf-Show wird der Präsidentschaftskandidat einer rechtskonservativen Partei auf offener Bühne umgebracht. Der Verdacht fällt auch auf die Mitglieder des Pastorenclans – Emilio war von der Partei als Vizepräsident aufgestellt.
Korrupte Eliten und der Griff nach der Macht

Im Kern der Serie geht es um Macht und Einfluss. Und letztlich um Geld. Die Führungsriege der Kirche agiert ebenso korrupt und greift ebenso gierig nach der Macht wie die Politiker. Wie schon Pablo Larraín in El Club (2015), wo sich vier katholische Priester des sexuellen Missbrauchs, der Zusammenarbeit mit der Diktatur Pinochets und des Kindesraubs schuldig gemacht haben, holt Piñeyro zum Rundumschlag gegen die evangelikale Kirche aus, zeichnet diese erbarmungslos als weitere korrupte „Partei“, die ihre Anhänger durch theatralische Auftritte blendet, um sie auf ihre Seite zu ziehen, ihnen Teile ihres Gehalts abzuluchsen und ihnen die Wahlentscheidung einzubläuen. Der Grat zwischen Glauben und Fanatismus ist dabei äußerst schmal. Ob im Wahlkampf oder im Gottesdienst, was zählt, ist die Inszenierung und eine gute Show. Der Pastor inszeniert schon einmal eine Teufelsaustreibung, um das Image seines Anwalts Julio, der sich in jungen Jahren etwas zuschulden kommen ließ, aufzupolieren. Und nicht nur die Kirchengemeinde, auch die Öffentlichkeit glaubt bald an dessen Läuterung.
Zwischen Religion und Fanatismus

Immer wieder wird das Kreuz als Symbol der Macht in Szene gesetzt. In jeder Folge thront das riesige beleuchtete Kreuz der Kirche am Himmel. In seinem Schatten darunter die argentinische Hauptstadt Buenos Aires. Als Adoptivsohn Tadeo (Peter Lanzani) Geld aus der Kirche klaut, versteckt sich die Kamera als Voyeur hinter dem Kreuz und beobachtet die „Sünde“. Das Schlafzimmerfenster des Pastorenehepaars ist ein aus bunten Glasscherben zusammengesetztes Kirchenfenster, das über dem Ehebett leuchtet. Auf diese Weise ist sogar das private Refugium der Eheleute eine eigene kleine Kirche – die Realität muss draußen bleiben. In den privaten Räumen, wo die Familie geheime Pläne schmiedet, streift El Reino das Genre des Kammerspiels. Mehr als eine eingeschworene Gemeinschaft wird der Clan auch bildlich und narrativ immer wieder als Sekte inszeniert.
Ein Politthriller mit Verschwörungstheorien

Doch im Grunde ist El Reino ein Politthriller, der vor allem aus der Jagd der Polizei nach dem Mörder des Präsidentschaftskandidaten besteht. Als unbescholtener David bekämpft die Staatsanwaltschaft den übermächtigen Goliath und ist doch immer einen Schritt zu langsam. Ein klassischer Kampf von Gut gegen Böse. Nur dass die Kirche hier der Bösewicht ist. Und die Korruption tief bis in die Judikative reicht. Wirklich unschuldig ist hier niemand, und doch wird keiner der Protagonisten eindimensional dargestellt. Immer wieder geschieht Unvorhergesehenes. Außerdem wartet die Serie mit einigen House-of-Cards-Momenten auf, was Verschwörungstheorien und Lobbyismus angeht – etwa wenn sich der Wahlkampfleiter als CIA-Agent entpuppt, der die Kandidatur des rechten Präsidenten und die Unterstützung der Kirche über Jahre hinweg mithilfe der USA vorbereitet hat. Der Stil der Serie schwenkt hier für eine Folge ins Dokumentarische. Von der Einmischung der USA wird erzählt, als sei alles Tatsache statt Fiktion – angesichts der Geschichte US-amerikanischer Interventionen in Lateinamerika eine durchaus plausible Entscheidung.
El Reino läuft langsam an, wird erst allmählich spannender. Die ersten beiden Folgen sind noch vollgestopft mit kirchlichen Inszenierungen von Güte und Nächstenliebe, dann werden die kriminellen Verstrickungen und Vergangenheiten sowie die opportunistischen Beweggründe der Figuren Schritt für Schritt offengelegt. Der Glaube der Pastorenfamilie an Gott ist echt, alles andere entpuppt sich jedoch schnell als Heuchelei.
Neue Kritiken

A Letter to David

Wenn du Angst hast nimmst du dein Herz in den Mund und lächelst

The Smashing Machine

Trains
Trailer zu „El Reino – Dein Reich komme“

Trailer ansehen (1)
Bilder




zur Galerie (14 Bilder)
Neue Trailer
Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.