Eine fatale Entscheidung – Kritik

VoD: Nathalie Baye, François Truffauts Entdeckung und Liebe, schon immer eine großartige Schauspielerin, setzt in diesem leisen Polizeidrama ihre ganze Reife für das komplexe Porträt einer faszinierend ambivalenten Frau ein.

Nach einer langen Fahrt den Strand entlang, verharrt die Kamera auf dem Gesicht der Frau, die sie begleitet hat. Es folgt der Abspann, durch das Rauschen des Meeres auf der Tonebene noch immer mit der visuellen Handlung verbunden. Eine fatale Entscheidung - Le Petit Lieutenant wirkt nach.

Aus bekannten Polizeimotiven setzt Regisseur Xavier Beauvois sein Drama zusammen: Gruppendynamiken und Vorurteile auf dem Kommissariat, Alkoholprobleme, der Neue. Er heißt Antoine, hat sich aus der Normandie nach Paris versetzen lassen, um häufiger an der Aufklärung zumal interessanterer Verbrechen als in der Provinz mitwirken zu können. Seine Vorgesetzte, eine sonst distanzierte und durchaus schroffe Person, nennt ihn liebevoll den „Petit Lieutenant“, gleichzeitig der Originaltitel des Films.

Liebevoll ist auch der dennoch schonungslose Blick des Regisseurs auf seine Figuren, die im Mittelpunkt dieses Polizeifilms stehen, der beinahe gänzlich ohne Action, Spannungssequenzen und auch mit verhältnismäßig reduziertem Dialog auskommt. Obwohl die unruhige Kamera vor allem in der ersten Hälfte des Films etwas bemüht die immer wieder aufkommende Hektik des Polizeialltags illustrieren und Nähe zu den Personen demonstrieren möchte, funktioniert die Erzählung hauptsächlich in kleinen Gesten und Blicken zwischen den Figuren. Der Fokus ist dabei auf das Verhältnis zwischen Caroline (Nathalie Baye) und Antoine (Jalil Lespert) gerichtet. Beide unterscheiden sich beinahe in jeder Hinsicht: sie zurückhaltend, vom Leben eher enttäuscht, ihrer Vergangenheit wegen dem Alkohol abschwörend, eine schon ältere allein lebende Frau; er jung, lebenslustig, sich übermütig betrinkend, in einer Beziehung. Und doch entwickelt sich ein, vor allem von der Vorgesetzten forciertes Verhältnis, das im Film zunächst nur durch Details angedeutet wird, wenn es immer wieder ausgerechnet der Neue ist, der sie begleitet, den sie in ihre Gruppe einteilt.

Beauvois legt in dieser Erzählung von vornherein die Strategien des Dramas offen und in den entscheidenden Momenten ist die bereits vorher sich spürbar andeutende Tragik umso grausamer. Er scheut dabei nicht davor zurück, auf aus Genrefilmen bekannte Drehbuchkonstellationen zurückzugreifen. Was nicht stört, denn den Plot, die Verfolgung zweier des Mordes verdächtiger Russen, treibt er im berechtigten Vertrauen auf die überragenden Schauspieler und die Komplexität der Charaktere, in aller Ruhe und beinahe obligatorisch voran.

Dennoch kommt der aufgewühlte Zuschauer erst am Ende zur Ruhe, gemeinsam mit der Kamera.

Der Film steht bis zum 07.07.2021 in der Arte-Mediathek.

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