Eden – Kritik

Zwangsprostitution in Nevada. Eden gibt einen unangenehmen Einblick in eine Mädchenhandelsorganisation, verläuft sich jedoch in einer etwas zu beiläufigen Inszenierung: Der Schock bleibt aus.

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Von einem als Feuerwehrmann getarnten Verführer wird die 19-jährige Sino-Amerikanerin Jae (Jamie Chung) in ein Auto gelockt und betäubt. Als sie wieder aufwacht, befindet sie sich auf einem Stahltisch, eine abgehalfterte Krankenschwester steht vor ihr und verabreicht ihr irgendwelche Medikamente. Der Zuschauer wird nahezu in Jaes Position versetzt, jedoch nicht mithilfe des subjektiven Kamerablicks, sondern im Gegenteil mit dem unerbittlichen Blick auf Jae. Ihre Desorientierung überträgt sich, da so gut wie gar nichts von der Umgebung zu sehen ist; Jae füllt das Bild komplett aus, meist in Großaufnahme ihres Gesichts. Wenig später muss „Eden“, so der Name, der ihr zugeteilt wurde, ihr „neues Zuhause“ beziehen: Eine Zelle in einer hermetisch abgeriegelten Lagerhalle irgendwo in Nevada, die sie sich mit weiteren Mädchen teilen muss. Die Teenagerinnen werden dort als Sexsklavinnen für Haus- oder Clubbesuche bei wohlhabenden Kunden gehalten.

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Man kann Megan Griffiths bei der Verfilmung von Chong Kims grausamer Lebensgeschichte zugute halten, dass sie sehr zurückhaltend und unsensationalistisch vorgeht. Weder walzt sie die schwierige Problematik zu einem effekthascherischen, tränenreichen Melodram aus, noch macht sie daraus einen Exploitationfilm um Demütigung und Folter, wie man ihn als ultrabrutale Variante bei Martyrs (2008) zu sehen bekam. Sexuelle Akte, zu denen die Mädchen gezwungen sind, werden nur angedeutet, Jae vergießt weder Tränen noch Blut, und das Setting unterliegt nicht der gängigen Schmutzästhetik, vor der etwa die Räume strotzen, in denen sich die Entführungsopfer der Saw-Reihe (2004–2010) wiederfinden. Auch auf der Soundebene werden eher leise Töne angeschlagen.

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Nach den ersten Einsätzen und einem misslungenen Fluchtversuch springt die Geschichte um ein Jahr nach vorne. Jae wird deutlich öfter in Halbnahen und -totalen gezeigt, sie hat sich mittlerweile in ihr Umfeld und in die Organisation eingefunden. Sie ist nun nicht mehr nur eine Entführte, sondern auch Handlangerin, geht ihren Aufgaben mit scheinbarer Selbstverständlichkeit nach und bietet sich sogar für die Buchhaltung an. Mit ihrem Bewacher Vaughan (Matt O’Leary) scheint sie allmählich ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Diese zwangsweise Verwischung von Opfer und Mittäter, die die Protagonistin durchmachen muss, um ihr Schicksal durchzustehen, ist der frappierendste Einblick, den einem Eden gewährt. Am schlimmsten ist man irritiert, wenn sie Fluchtmöglichkeiten gar nicht mehr wahrnimmt oder sogar bereit wäre, eine der neuen „Rekrutinnen“ auf Geheiß zu töten. Gerade diese scheinbare Kälte und Angepasstheit Jaes bewirken beim Zuschauer zunächst Verwirrung und emotionale Involvierung.

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Gleichzeitig ist die sehr zurückhaltende Vorgehensweise aber auch das Manko des Films. Nach dem Zeitsprung erzählt Eden die verschiedenen Ereignisse nur noch sehr unaufgeregt, geradezu beiläufig. Vieles wird aufgenommen, aber nicht weiterverfolgt, zum Beispiel die Verwicklung der Polizei. Beau Bridges spielt mit verstörender Nonchalance einen angesehenen Polizeichef, der gleichzeitig einer der leitenden Köpfe des Mädchenhändlerrings ist. Eine frühe Szene, in der er zwei Zeugen ermordet, wird später wieder aufgenommen, als ein Kollege in diesem Zusammenhang gegen ihn zu ermitteln beginnt, was für den weiteren Verlauf jedoch konsequenzlos bleibt.

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Vor allem aber Jaes abgeklärte Darstellung verliert bald an Wirkung. Gerade das, was in diesem einen übersprungenen Jahr passiert sein muss, Jaes Hadern mit sich selbst, ihre Gewissenskonflikte, hätten dem Film zusätzlich eine Dimension an emotionaler Tiefe verleihen können. Aber es werden nur Ausgangspunkt und Ergebnis gezeigt, die furchtbare Entwicklung dazwischen nachzuzeichnen bleibt dem Zuschauer vorenthalten. So läuft die Handlung ab einem recht frühen Zeitpunkt im Plot relativ unaufgeregt und auch etwas ziellos vor sich hin, ohne weitere Höhepunkte zu setzen. Wenn Jae am Ende doch endlich eine Chance auf Flucht nutzt und der Film danach nahtlos und etwas abrupt in den Abspann übergeht, verlässt man das Kino nicht unbedingt aufgewühlt.

So sehr man Griffiths’ leise und unspektakuläre Inszenierungsweise auch als sensibel schätzen mag, ein wenig mehr Drama oder Drastik wäre in diesem Fall tatsächlich nicht fehl am Platz gewesen. So vergibt Eden die Möglichkeit einer nachhallenden Wirkung.

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