Durchgeknallt – Kritik
Der Debütfilm von Wes Anderson um ein Trio von amateurhaften Dieben entwickelt seine Stärke aus skurrilen Figuren und absurden Situationen, vermag dabei aber dramaturgisch nicht immer zu überzeugen. Dennoch beeindruckt Durchgeknallt (Bottle Rocket) durch eine eigene Stilistik, die sich vor allem aus dem Changieren von Melancholischem und Komischem ergibt.

Anfang der Neunziger Jahre lernen sich die beiden Studenten Wes Anderson und Owen Wilson in einem Drehbuch-Seminar der University of Texas, Austin kennen. Gemeinsam realisieren sie 1992 den 16mm-Kurzfilm Bottle Rocket, der dem Hollywood-Produzenten James L. Brooks positiv auffällt. Der Weg nach Hollywood ist geebnet: für Columbia Pictures weiten die beiden Texaner die Geschichte ihres Kurzfilms um zwei amateurhafte Diebe auf Spielfilmlänge aus; wie bei dem Ausgangswerk übernimmt Anderson die Regie, während Wilson und sein Bruder Luke in den Hauptrollen agieren.
Das Resultat ist der 1996 erschienene Durchgeknallt (Bottle Rocket), in dem die drei Freunde Anthony (Luke Wilson), Dignan (Owen Wilson) und Bob (Robert Musgrave) beschließen, der Monotonie des Vorstadtlebens zu entkommen und ihre Karriere als Diebe planen. Nach dem Überfall auf einen Buchladen flüchten sie in ein abgelegenes Motel, wo Anthony sich in das Zimmermädchen Inez (Lumi Cavazos) verliebt und ihm erstmals Zweifel an der eigenen Lebensführung kommen. Doch aus Loyalität zu Anthony nimmt er an einem letzten, riskanten Coup teil.

Leider macht sich der Umstand bemerkbar, dass es sich bei Durchgeknallt um die ausgedehnte Spielfilmversion eines Kurzfilms handelt. Zu langatmig und leer wirken manche Passagen des Plots, zu blutarm und blass erscheinen einige der Nebenfiguren. Während die erste halbe Stunde ein kleines Meisterstück an Offbeat-Comedy darstellt, in der Anderson sein Gespür für genaues Timing, skurrile Typen und absurde Situationen beweist, enttäuscht der Mittelteil des Films durch den Verlust an Witz und Tempo.
Die Reduzierung des Tempos mag von Anderson bewusst inszeniert sein, um den Neunziger-Jahre-Zeitgeist der Generation X, d.h. die Orientierungslosigkeit seiner „herumhängenden“ Slacker-Antihelden filmisch umzusetzen, doch läuft er dabei Gefahr, das Interesse des Publikums zu verspielen. Die Langeweile, der die Protagonisten von Durchgeknallt durch ein kriminelles Leben versuchen zu entfliehen, holt sie an ihrem Zufluchtsort, einem Motel im Nirgendwo, wieder ein – und mit ihnen den Zuschauer.

Erst im Finale spielt Anderson wieder seine Stärken aus, indem er ein Klima des Absurden schafft. Der Dilettantismus ihres letzten Überfalls zeigt noch einmal das Dilemma der Antihelden Andersons auf: sinnlos, ohne jede Chance auf Erfolg, versuchen sie in kühnen Selbstentwürfen, die Grenzen der eigenen Existenz zu überschreiten und scheitern daran; spezifisch gesagt: der Traum der kleinbürgerlichen Twens von kriminellen Gesetzlosen zerplatzt in Durchgeknallt durch die eigene Unfähigkeit. Sie selbst sind die bottle rockets, was im Amerikanischen illegales, billig produziertes Feuerwerk bezeichnet, das verpufft anstatt zu explodieren. Sie sind naive, romantische Träumer, kindgebliebene Erwachsene, die der Wirklichkeit trotzen. Damit stehen sie in der literarischen Tradition Don Quijotes. Ihre tragikomischen Selbstentwürfe, ihre Kämpfe gegen Windmühlen, ihr Rückzug in eigens geschaffene Welten erinnern immer wieder an den Cervanteschen Helden – allerdings mit einer ironischen Brechung: anstatt wie der Ritter aus La Mancha auszuziehen, um Gutes zu tun, hegen die drei Diebe aus Texas kriminelle Absichten – wie könnte es anders sein bei einer „lost generation“, die ihre Wertvorstellungen verloren hat.
Es sind Figuren dieser Art – mit einnehmendem Charme von den Wilson-Brüdern verkörpert - und Andersons humanistische, wenngleich auch ironisch kritische, erzählerische Haltung zu ihnen, die das Faszinosum von Durchgeknallt darstellen. Da sie das Zentrum des Films bilden, tut Kameramann Robert Yeoman gut daran, seine einfachen, zurückhaltenden Bilder den Erforderungen der zwischen Melancholie und Komik pendelnden Erzählung anzupassen.
Durchgeknallt wurde zum Sprungbrett für die Karrieren Andersons und Wilsons in Hollywood – und alleine deshalb lohnt sich seine Wiederentdeckung: um dem Ursprung des kreativen Comedy-Duos, das mit seinen melancholischen Komödien eine eigene Nische innerhalb des Genres entdeckt hat, auf den Grund zu gehen.
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