Dune – Kritik
Denis Villeneuve hat einen Designer-Science-Fiction-Film gedreht, der nicht zuletzt die politischen Aspekte der Vorlage betont. Zugleich zieht Dune als modernes Schlachtschiff in den Krieg der Franchises – mit einem großen Versprechen.

Dass Denis Villeneuves Version von Frank Herberts Science-Fiction-Roman Dune so einiges an Zeitgeist mitbringt, sollen wir mitkriegen, noch bevor die vier goldenen Buchstaben in futuristischem Schriftzug über die Leinwand fahren: So bekommen wir zu Beginn die Geschichte des Wüstenplaneten Arrakis präsentiert, durch die Augen der Kriegerin Chani (Zendaya). Achtzig Jahre wurde ihr Volk, die einheimischen Fremen, vom Königshaus des bestialischen Harkonnen-Stammes im Zuge einer Kolonialisierung des Planeten versklavt. Auf Arrakis bauen die Harkonnen rund um ihren Baron (Stellan Skarsgård) auf Befehl des Imperators den Rohstoff Spice ab: eine Art sinneserweiternde, profitable Substanz, die es den Konsumenten ermöglicht, in die Zukunft zu sehen und so etwa sichere Handelswege im Weltraum zu berechnen. So weit, so Frank Herberts Vorlage.

Villeneuves Perspektivierung dieser Grundkonstellation ist effektiv, gerade im Vergleich zu David Lynchs Version aus dem Jahr 1984: Hatte Lynch noch die Tochter des Imperators erzählen lassen, dürfen die zum Schweigen Gebrachten am Anfang von Villeneuves Dune selbst reden. Und jede im Film folgende Information über diesen Planeten, die nicht mehr von Chani stammt, erscheint automatisch fragwürdig, ist sie doch markiert als Fremddefinition.
Souverän die Diskursklaviatur spielen

Diese nun als koloniales Wissen markierten Informationen über Arrakis kommen vor allem vom jungen Prinzen Paul Artreides (Timothee Chalamet). Der hat mysteriöse Träume von Chani, ohne zu wissen, wer sie ist. Aber doch hegt er ein ehrliches Interesse für den Wüstenplaneten und seine indigenen Bewohner. Hologramm-Dokus über die Fremen erklären ihren spezifischen Wüstengang, erzählen von ihnen als „gefährlichem und unzuverlässigem“ Volk und von Arrakis als eigentlich menschenfeindlichem Ort mit monströsen Würmern, unerträglichem Klima und Sandstürmen, die Metall zerschneiden. Später wird erzählt, dass der Planet längst hätte aufblühen sollen, aber der Profit mit dem Spice, das nur in der Wüste vorkommt, für solche Dinge keinen Platz lässt. Baron Harkonnen schreit es irgendwann laut heraus, dass es ihn nur nach einem dürstet: „PROFIT!“.

Ohne Zweifel also: Villeneuves Dune schlägt ganz souverän so einige Töne auf der politischen Diskursklaviatur an. Klimakrise, Kolonialismus, Kapitalismus, ja sogar noch die ökonomischen Strukturen einer Zukunft im Jahr 10919, die längst wieder in den Feudalismus zurückgekippt ist und dementsprechend erneut nach religiösen Motiven, nach Erlösung und Messias verlangt. Sicherlich ist die kluge Verdichtung dieser Komplexe schon Frank Herberts Roman zu verdanken. Aber im Vergleich zu Lynchs durchgeknallter Verfilmung und wohl auch zu Alejandro Jodorowskys letztlich nicht entstandener psychedelischer Interpretation Mitte der 1970er Jahre wendet Villeneuve diese Dinge aktueller und weltlicher, spendiert etwa den Fremen deutliche Einflüsse aus Nahost und Nordafrika und der Architektur Arrakis’ Züge aztekischer Tempel.
Auf dem Weg zum Designer-Science-Fiction

Große Resonanzräume vermögen diese Töne aber nicht zu eröffnen. Die Diskurse graben sich hier nicht in die Tiefe, sondern sind der Arbeit an der Oberfläche verschrieben: Dune will sich nicht als inhaltsleeres Hollywood-Kino abstempeln lassen. Seit nun drei Filmen ist Villeneuve ohnehin dabei, eine Art sophisticated Science-Fiction-Kino auszutüfteln, dem es trotzdem nicht an Hollywood-Wucht, an Überwältigung fehlt. Dune denkt, ganz ähnlich wie seine beiden Vorgänger im Villeneuve’schen Œuvre (Arrival, Blade Runner 2049), das Große nicht ohne das Kleine, die Masse nicht ohne das Wenige, das Bombastische nicht ohne ein minimalistisches Element. Die Räume des Films sind weitläufig, ausladend und doch oft nur spärlich bespielt, von betont wenigen Lichtquellen beleuchtet, manchmal monochrom. Die riesigen Raumschiffe sehen aus wie fliegende Skulpturen der Moderne, einmal gar wie ein eigener Planet am Himmel.

Selbst die Schlachtszenen bleiben bei allem Gewimmel letztlich überschaubar, und auch Hans Zimmers zuverlässig dröhnender Score setzt sich bei all seiner epischen Breite aus nur wenigen Elementen zusammen. Entstanden ist eine Art Designer-Film, bei dem etwa die Architektur der königlichen Paläste und auch die oft Haute-Couture-artigen Kostüme nicht selten im Mittelpunkt stehen. Wie Villeneuve in seinem Film mit dem Dune-Erbe umgeht, mit dem Kult um Jodorowskys verhindertes Meisterwerk, das schon seinen Schatten über Lynchs Film geworfen hat, ist ohnehin die über Dune schwebende Meta-Frage. Die Antwort liefert der Frankokanadier durch genau jene Liebe zu den Details, die auch der Chilene im Dokumentarfilm Jodorowksys Dune (2013) spürbar werden ließ.
Die Wiederbelebung eines Franchises

So ist Dune ein Film, der sich zum Glück nur selten wie das anfühlt, was er hauptsächlich ist: die Wiederbelebung eines Franchises, das "anspruchsvollere" Konkurrenz auf einen Markt bringen soll, der von zwei immer gleichförmigeren Universen dominiert wird: Wo Marvel längst von der Rettung der Erde zur Rettung des gesamten Universums übergegangen ist, ist Star Wars – besonders mit The Rise of Skywalker und seiner ziemlich beknackten Flotte aus Tausenden Sternenzerstörern – inzwischen dem simplen Massenfetisch Marvels verfallen. Unter den goldenen vier Buchstaben des Filmtitels steht somit von Anfang an das Versprechen auf mehr: „Part One“. Villeneuves Film ist denn nach zweieinhalb Stunden auch erst dort angekommen, wo Lynch nach anderthalb war. Neue Computer-Spiele sind geplant, eine von Villeneuve mitproduzierte Serie auch. Was als catchy Werbespruch auf dem Plakat steht, ist zugleich die konziseste Beschreibung für den neuen Dune: „It begins.“
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Kommentare
Knut Harmsen
Da im Gegensatz zu der Version von David Lynch die Schauspielerei weitgehend abwesend ist, ist die Hauptperson eigentlich der Libellokopter, der reichlich Screentime bekommt. Die hätte besser für die Charakterisierung der Figuren und ihrer gegenseitigen Beziehungen aufgewendet werden sollen. Ein Film, der seine üppige Spielzeit in nichtssagenden Designerbildern verschwendet, wobei nichts einen emotionalen Ankerpunkt bietet. Selbst die Wüste, die ständig im Bild ist, kommt nicht einmal als bedrohliche, lebensfeindliche Umgebung rüber. Das wird in jedem durchschnittlichen Western besser gemacht. Die Musik aus der Zimmerschen Standardbox tönt ohne originelle Ideen. Ein enttäuschender Film, der die Charaktere der Buchvorlage nicht lebendig macht und der den Zuschauer sich fragen lässt, wieso man den Film überhaupt angesehen hat.
Leander
Ja, schließe mich an. Gar leicht verärgert hat mich das Werbe-Sprüchlein, "Das ist erst der Anfang" als letztes Film-Zitat. Ich fühlte mich wie ein Kunde, dem das nächste Hollywood-Spektakel angebiedert wird.
Apropos Libellokopter, da ist mir sofort aufgefallen, dass diese Dinger niemals fliegen können, die verwirbeln ja einfach nur die Luft. Die Flügel sind fest und drehen sich nicht in die Senkrechte, wenn sie sich nach oben bewegen. Der Libellokopter wird also einfach wieder nach unten gedrückt. Abgesehen davon sind die Flügel viel zu schmal. Liebloses Design für so einen teuren Film.
So machen Libellen das in Wirklichkeit:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/transcoded/c/c9/Dragonfly_in_ultraslowmotion.webm/Dragonfly_in_ultraslowmotion.webm.720p.vp9.webm
Man kann sehen, wie sie mit den Flügeln durch die Luft schneidet, wenn sie sie nach oben bewegt, und sie dann wieder in die Waagerechte dreht, wenn sie sie nach unten bewegt.
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