Drunken Master II – Kritik

Endlich vollständig erhältlich, als Blu-ray: Lau Kar-leungs und Jackie Chans Hongkongperle Drunken Master II. Kämpfen wie betrunken − tugendhaft und impertinent.

Es war lange ein wenig paradox. Auf der einen Seite gilt Drunken Master II (1994) als das letzte zentrale Meisterwerk Jackie Chans, eines seiner besten. In den einschlägigen Listen taucht der Film zwangsläufig auf. Die „Time“ hat ihn unter die besten hundert Filme aller Zeiten gewählt, das „BFI“ unter die zehn besten Actionfilme. Wichtiger noch: Als der seinerzeit zentrale Hongkongkino-Blog „Damn you, Kozo!“ Polls zum besten Hongkong-Film der 1990er und den besten HK-Film aller Zeiten abhielt, landete Drunken Master II auf Platz 5 respektive Platz 14. Auf der anderen Seite gab es weltweit und über Jahre trotz allen Ruhms keine DVD oder Blu-ray, die den Film ungeschnitten im korrekten Bildformat und sogar noch mit Originalton enthielt. Erst in den letzten Jahren änderte sich die Lage, und dank Plaion Pictures gibt es den Film jetzt auch in Deutschland in seiner vollständigen Form.

Oberflächlich betrachtet, ist Drunken Master II zunächst kaum etwas Besonderes. Der bestenfalls improvisierte Plot dient nur als Drumrum, um die Kampfsequenzen notdürftig zusammenzuhalten; er wird kaum ernsthaft umgesetzt, sondern mittels tolldreist niederschwelligem Klamauk. Kurz: eigentlich ein ganz normales Werk der Hongkonger Filmlandschaft der 1980er und -90er, mit dem vorübergehend die Welt erobert wurde – bis, ja, bis der Film dann doch noch ernst macht und den Wahnsinn an Action und Stunts von der Leine lässt.

Traditionelle Kampfkunst vs wilde Kreativität

Nominell handelt es sich um die Fortsetzung von Drunken Master (1978) – der hieß in Deutschland Sie nannten ihn Knochenbrecher, weshalb Drunken Master II hierzulande lange keine II im Titel trug. Jackie Chan spielt in beiden Filmen jeweils eine sehr weithergeholte Version des kantonesischen Volkshelden Wong Fei-hung und benutzt den real existierenden Kampfstil Drunken Fist, bei dem die Bewegungen eines Betrunkenen nachgeahmt werden. Darüber hinaus gibt es zwischen den beiden Filmen kaum Übereinstimmungen. Am ehesten liegt die Gemeinsamkeit darin, dass das klassische Kung-Fu-Kino der 1970er, in dem der erste Teil tief verwurzelt war, in der Fortsetzung wieder aufgegriffen wird und eine Frischzellenkur erhält: Die Action wurde auf den Stand der Dinge gebracht.

Unter der Regie von Yuen Woo-Ping glich der erste Teil einer Zurschaustellung der acht Techniken der trunkenen Kampfkunst – auch hier schon mit Klamauk und einem improvisierten Plot angereichert. Die Kamera blieb auf Distanz, um den Kämpfern eine Bühne zu bieten. Im zweiten Teil wird uns die traditionelle Kunst kaum noch nähergebracht. Die verschiedenen Techniken verschwimmen in der rasanten Action, der nicht an Überblick gelegen ist, sondern an wilder Kreativität und Adrenalin. Überhaupt durchmischen sich die Kampfstile, und neben diversen Kung-Fu-Spielarten kommt auch Taekwondo zum Einsatz.

Flexible Nutzung der Enge vs brachiale Willenskraft

Diese Mix der Stile hatte wohl aber direkten Einfluss auf den Regiestuhl von Drunken Master II. Der Vorspann nennt zuerst Lau Kar-leung als Regisseur, der zur Zeit der Veröffentlichung des Films seit über einem Vierteljahrhundert das Martial Arts Kino als Regisseur (Die 36 Kammern der Shaolin, 1978) und Actionchoreograph (The One-Armed Swordsman, 1967) entscheidend mitgestaltet hatte. Kurz nach dieser Nennung steht jedoch gleich groß im Bild, dass dies ein Jackie-Chan-Film sei. Lau hatte nach einem Streit darüber, wie traditionell die Kampfstile umgesetzt werden, hingeworfen; Jackie Chan, der einer anderen Generation angehörte und in den 1980er Jahren eine der treibenden Kräfte dafür war, die Reiheit des Kampfstils möglichst wirkungsvollen Actionszenen unterzuordnen, hatte den Film zu Ende geführt.

Was durchaus spürbar ist – und nicht nur weil Lau Kar-leung eine Nebenfigur spielt, die mitten im Film unvermittelt erschossen wird. Unter Laus Regie wuselt die verspielte Action des Films lange durch eine einengende Szenerie, die sich die Figuren improvisatorisch zunutze machen müssen. Gleich in der ersten Kampfsequenz wird unter einem Zug gekämpft, wo es wahrlich keinen Platz für Angriffs- und Ausweichmanöver gibt, dafür aber Kabel und scharfe Kanten, die für den eigenen Vorteil genutzt werden können. Das von Jackie Chan verantwortete Finale ist dagegen nicht weniger verspielt, dabei aber unfassbar brachial. In einem Eisenwerk robbt Chan durch blau brennende Kohlen, der Widersacher (Ken Lo) ist mehr Maschine als Mensch. Tonnenschwere Metallkübel fallen dem Protagonisten entgegen, jeder Tritt und jeder Schlag scheint lebensgefährlich. Nicht mehr die Flexibilität ist atemraubend, sondern die schiere Willenskraft zum maximalen Effekt. Jackie Chans Finale ist das, was dem Film endgültig seinen Ruf verschafft und aus einem gängigen Film ein Meisterwerk macht, das man nur ungläubig erleben kann.

Strenge Tugendhaftigkeit vs lebenslustiges Durchwurschteln

Erzählt wird vom Kampf gegen die imperialistische Ausbeutung Chinas durch England. Die Insignien der Macht der Kaiser der Manchu-Dynastie sollen außer Landes geschmuggelt werden. Nur gemeinsam kann man sich gegen die übermächtigen, chauvinistischen Europäer und ihre Schergen wehren. Doch dem Film geht es in seinem willkürlich Haken schlagenden Klamauk gerade nicht um eine Einheitsfront gegen den Feind, sondern um ein poröses Allerlei, in dem strenge Tugendhaftigkeit und lebenslustiges Durchwurschteln im ständigen Konflikt miteinander stehen.

Heißt: Wong Fei-hungs Vater (Ti Lung), ein Arzt und weißer Kung-Fu-Meister, besteht darauf, dass er noch die übertriebensten Zölle bezahlt und niemand vor den Kopf gestoßen wird. Nur widmet sich das Umfeld hinter seinem Rücken dem Glückspiel, der Dekadenz und dem Fünfe-auch-mal-gerade-sein-Lassen. Die Hauptantriebsfeder der Komik ist, dass sich alle ständig aus der Affäre ziehen wollen. Dabei schafft es Anita Mui als Wong Fei-hungs Schwiegermutter und großmäulige, dreist lügende Heuchlerin, zeitweise den Film an sich zu reißen und selbst Jackie Chan die Show zu stehlen.

Die Spaltung zwischen Tugend und Impertinenz ist das große Thema des Films. Der Weg des Vaters bringt keine Lösung, weil er sich jedem Konflikt mit der britischen Macht verwehrt. Der Weg von Wong Fei-hung und seiner Schwiegermutter ebenso wenig, weil ihre unkoordinierten Versuche im Chaos enden. Erst wenn beide Seiten irgendwie zusammenfinden, kann es was werden. Darin besteht die Utopie des Films.

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