Donnybrook – Kritik
Würgen, schlagen, starren, schießen: Tim Suttons Donnybrook beschreibt die Postapokalypse in Trump Country. Dabei interessiert den Film nicht die Rettung, sondern alles, was die Gefangenen dieser Welt am Entrinnen hindert.

Wir befinden uns in Trump Country. Es gibt hier nur eine Hautfarbe, die weiße, nur zwei Geschlechter, wobei die meisten Leute männlich sind; Armut ist der Status quo, und auch kulturelles Kapital ist keines vorhanden. Donnybrook handelt von perspektivlosen Kriegsveteranen, von Boxern, Drogenhändlern und heruntergekommenen Polizisten. Der Star-Spangled Banner hängt zu Beginn prominent in einer Armensiedlung und am Ende bei einem illegalen Boxturnier, dem namengebenden Donnybrook, das – es wird im Film so wertungslos gesagt, wie das möglich ist – von einem Nazi veranstaltet wird. Donnybrook zeigt keine USA, die wieder groß sind. Es wird nicht von einer Nation geträumt, die der Welt ein Beispiel sein soll. Und den Versprechen von Politikern oder Idealisten wird nicht geglaubt. Die Flagge ist nur mehr ein Symbol für Trotz, Macht- und Dazugehörigkeitsbehauptung.
Unerklärliche Zerstörungswut

Von zwei Bewegungen wird erzählt. Die eine führt zum Donnybrook. Das Kampfturnier lockt mit einem Preisgeld, hoch genug, damit Veteran Jarhead Earl (Jamie Bell) für sich und seine Familie von einem besseren Leben träumen kann. Nur über seinen toten Körper könnten die anderen an dieses Preisgeld gelangen, und damit habe er schon gewonnen, so seine verzweifelte Logik. Mit weit geschlossenen Augen begibt er sich dergestalt auf einen menschenverachtenden Weg, um dem Entbehrungsreichtum der eigenen Existenz (kein Job, keine Perspektive, zwei Kinder und innig geliebte, drogenabhängige Ehefrau) zu entkommen. Ein Roadmovie nimmt seinen Lauf, bei dem Jarhead Earl Waffengeschäfte ausraubt, Polizisten niederschlägt, zweifelhafte Bekanntschaften macht und irgendwie seine Familie auf dem Weg schadlos halten möchte.

Dem gegenüber steht der Verwüstungszug von Chainsaw Angus (Frank Grillo), dessen Methlabor abbrennt und der nun foltert und mordet um an Nachschub, Geld und … ja, woran eigentlich zu kommen? Die rationalen Motive, die der Film für sein Handeln nahelegt, bieten keine Erklärung für seine Zerstörungswut. Es ist schlicht eine negative Gewalt, die nicht aus Wut oder Kontrollverlust entsteht, sondern einfach da ist. Nahe an einem Horrorfilm ist dieser Zug eines Racheengels, gerade weil seine eher ungerichtete Destruktion Jarhead Earl wie ein Schatten anhängt.
Ständige Flucht nach vorn

Es gibt also den Versuch, aus einer Welt auszubrechen, und die personifizierte Zentrifugalkraft, die ein Gefühl von Unentrinnbarkeit vermittelt. Zwei Variationen beziehungsweise Mischformen bestehen zu diesen beiden klar umrissenen Linien, um die Sache nicht ganz so simpel zu machen. Denn einmal ist da noch Angus’ Schwester Delia (Margaret Qualley), die auf der Suche nach Zuneigung die Seiten – oder besser: ihren Weg – wechselt, sowie den Bad Lieutenant Whalen (James Badge Dale), der seinen eigenen zum Scheitern verurteilten Rachefeldzug startet, um sich von seinem Drogen- und Amtsmissbrauch reinzuwaschen. Hin und her springt die Handlung zwischen diesen Personen, die immer auf dem Weg irgendwohin sind, aber nie da ankommen werden, wo sie hinwollen.
Das ewige Grau der Bilder, das Fehlen (funktionierender) Institutionen, die Verlorenheit der Leute: Die Handlung beschreibt eine Postapokalypse in der Gegenwart. Denn Donnybrook ist nicht an dem Weg zu einer Rettung interessiert, sondern an allem, was die Gefangenen seiner Welt am Entrinnen hindert – physisch wie psychisch. Kampf und das Überleben des Stärkeren sind nicht nur allgegenwärtig, sondern bilden auch den einzigen geistigen Horizont. Am schönsten findet dies in der Körperlichkeit zwischen Angus und seiner Schwester Ausdruck, in der sich Kuschel- und Mordlust, Verlangen und Verachtung auf unerklärliche Weise verbinden. Oder in dem Fakt, dass die einzige Sexszene des Films mit einem Kopfschuss endet.

Eine Parallelwelt in den USA oder ihr Kern: Wer oder was es nun ist, was da porträtiert wird, es ist verloren. Ein ewiger Überlebenskampf, der auf nichts anderem beruht als auf schierer Kraft. Auf dem Einüben von Kampftechniken, auf der Indoktrination, für das eigene Überleben alleine kämpfen zu müssen, darauf, andere spüren zu lassen, wer die Macht hat. Oder eben darum, Wege zu finden, der eigenen Machtlosigkeit zu entkommen. Würgen, schlagen, starren, schießen, Drohgebärden, die Flucht nach vorne: Daraus setzt sich Donnybrook zusammen.
Erzwungene Botschaft vom Überlebenskampf

Nur eines dominiert den Film dabei mehr als Frank Grillos einschüchternde körperliche Präsenz: die Inszenierung, die eine eigene Form der Gewalt darstellt. Die zuweilen aussagekräftige Montage, die Choreografie der Geschehnisse zum Aufbrausen und Abebben des Orchesters auf der Tonspur, die langsam heranzoomende Kamera: Ein Eindruck von Zwangsläufigkeit wird vermittelt, und der Film versucht ständig einzuengen. Wie eine Würgeschlange liegen Bild und Ton über allem, erzwingen die Botschaft vom Überlebenskampf, der niemanden entlässt und Seelen und Körper zerstört. (Wobei sich Donnybrook an den Größen dieses Fachs orientiert: Zu Beginn gibt es gleich einige stilistische Anleihen bei Stanley Kubricks A Clockwork Orange.) Der Film will seine Sichtweise dem Zuschauer aufzwingen, statt ihm Raum zu bieten.
Erst gegen Ende, wenn mehr oder weniger sichergestellt ist, dass alles in Rauch aufgehen wird, lässt Donnybrook etwas ab. Gerade in der Figur Delias und ihrem forschen Treibenlassen dorthin, wo sie Nähe vermutet, stellt der Film seine sonstige Kraftmeierei einmal ein. Sie lässt sich nicht einordnen, findet keinen klaren Weg, kein klares Ende, noch ein Schicksal voll Bedeutung oder Katharsis. Wie ein Fremdkörper ist sie, der immer mehr Platz für sich einnimmt und ein anderes Leben zumindest erahnbar macht. Sie ist die mit Abstand spannendste Figur des Films. Der ansonsten nur an verkürztem, desillusioniertem Zynismus interessiert scheint.
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