Domino – A Story of Revenge – Kritik

VoD: Brian De Palma war schon immer ein viel zu selten gewürdigter Satiriker. In seinem neuen Thriller Domino läuft bei der Hatz auf einen IS-Terroristen alles auf eine makabre Pointe hinaus. Ein eher schlechter Witz ist, dass er erst gar nicht ins Kino kommt.

De Palma drehte zuerst das Finale in Spanien. Die Inszenierung des Wegs, der islamistische Terroristen und dänische Polizisten dorthin führt, war gekennzeichnet von finanziellen Engpässen, Improvisationen und einem zwischenzeitlich fast endgültigen Produktionsstillstand. Zu guter Letzt gab es Gerüchte, dass dem Regisseur das Material von den Produzenten entzogen und eine finale Schnittfassung ohne ihn erstellt worden sei. Weil es zumindest so wirkt, scheint es auch denkbar, dass der Film um eine Stunde gekürzt wurde. Wie Domino ohne diese holprige Produktionsgeschichte ausgesehen hätte, lässt sich nur vermuten. Das endgültige Produkt wirkt jedenfalls wie ein Besuch beim Domino Day.

Aneinanderreihung von Impulsen

Der Auftakt und die Klimax sind augenscheinlich Kinder ihres Regisseurs. Elegante Uhrwerke voller Spieltrieb und schwarzem Humor, in denen sich die Zeit ebenso dehnt, wie sich die Augen in den Krallen der Spannung weiten – vor der Kamera und vor dem Film. Dazwischen geht es Knall auf Fall. Impulse werden dokumentiert, die Figuren in Bewegung setzen und an andere Orte bringen, wo neue Impulse gesetzt werden, die wieder neue Bewegungen auslösen. Bewegungen, die so knapp dargestellt und erzählerisch angereichert werden, dass sie eben wie das Kippen eines steifen, schwarzen Quaders wirken, der den nächsten zum Umfallen bringt.

So karg und holprig Domino in seinem Hauptteil ist, so sehr passt sich genau das in das Erzählte ein. Denn tatsächlich stehen wir nur an einem Punkt einer Entwicklung, deren Ursache sich in der Vergangenheit verliert und deren weiterer Verlauf noch nicht feststeht. Nur der Treibstoff dieser Aneinanderreihung von Impulsen wird eindeutig identifiziert: Rache. Die dänischen Polizisten Christian (Nikolaj Coster-Waldau) und Alex (Carice van Houten) jagen Ezra Tarzi (Eriq Ebouaney), weil er einen Kollegen und Freund/Liebhaber umgebracht hat. Ezra Tarzi wiederum jagt den IS-Terroristen Salah Al Din (Mohammed Azaay), weil er seinen Vater in Libyen exekutiert hat. CIA-Agent Joe Martin (Guy Pearce) jagt Al Din ebenso, weil er eines seiner Einsatzteams auf den Gewissen hat und die Agenten der USA derart getäuscht hat, dass er Guantanamo ohne Verdacht verlassen konnte. Nur Salah Al Dins Motivationen bleiben als Fluchtpunkt der Verfolgungen eher vage. In seinen fanatischen Machtdemonstrationen liegt aber kaum verborgen der Wunsch, sich für Machtlosigkeit und Erniedrigung zu rächen.

Möglichst potente Terrorbilder

Ein Kampf um Macht entspinnt sich also. Oder besser ein Kampf um Machtinszenierung. War De Palmas vorangegangener Film Passion (2012) ein Meisterwerk einer ausgestellt hässlichen Falschheit, da versuchen die Bilder hier wieder ihre Lügen zu verstecken, sollen den Protagonisten dafür eine Waffe in die Hand geben. Der CIA-Agent erpresst einen Vater mit Bildern, auf denen seine Familie zwar nicht körperlich misshandelt, aber doch gefoltert wird, und der Kampf des IS ist keiner um möglichst potente Terrorakte, sondern um potente Bilder derselben. Das Gewehr einer Attentäterin wird deshalb mit zwei Kameras ausgestattet. Eines für ihr entschlossenes Gesicht, eines für die zerberstenden Leiber ihrer Opfer. Wenn die Figuren obsessiv in ihre Bildschirme schauen, die Augen nicht von der Gewalt lassen können und sich von Wut und Angst einnehmen lassen, dann spricht Domino auch eine deutliche Sprache von der Wucht dieser Bilder.

Am Ende wird die Kettenreaktion der Racheakte und Machtdemonstrationen in einem Platz zusammenfallen und ein abgeschlossenes Bild liefern. Doch die kurze Coda, die uns unwohl aus dem Film entlässt, stellt das zuvor gebotene Bewältigungsnarrativ gleich wieder infrage. Hier offenbart sich ein mögliches humanistisches Motiv, dass nämlich all die Gewalt- und Machtdemonstrationen nur weitere Gewalt hervorrufen. Tatsächlich läuft alles auf eine makabre Pointe hinaus, die aus Domino auch einen elaborierten Witz macht, der uns gleich wieder in den Rachen gerammt wird. Brian De Palma war nämlich schon immer ein viel zu selten gewürdigter Satiriker, der einen in argumentative Spiegelkabinette führt, wo es keinen sicheren Grund gibt.

Trost wie in einer Teewurstwerbung

Entscheidender als die Schlüsse, die also aus einem Film wie Domino gezogen werden können, ist das allgemeine Bild, das er liefert. Und dort finden sich eben nur einzelne Dominosteine. Nähe offenbart sich immer wieder als Betrug und Illusion. Die Figuren sind Einzelkämpfer, die keine fruchtbaren Allianzen bilden können. Oder die gleich lieber losziehen und Leute foltern, als bei ihren Familien zu bleiben. Europa ist ein Fleckenteppich, der durch die Struktur der Reisen – es wird nur von einem Punkt zum nächsten gesprungen – keine Einheit bildet. Schon gar nicht mit einer gemeinsamen Strategie gegen ein gemeinsames Problem, das durch Agenten von IS und CIA in eine nur scheinbare Idylle getragen wird. Die Bilder sind collagenartig, voller Klüfte und Spaltungen, mal offene, mal versteckte Split Screens. Oder anders: Bei einer entschleunigten Verfolgungsjagd über ein Dach, dessen Ziegel keinen Halt bieten, stellt räumliche Nähe keinen Grund für die Annahme dar, dass deshalb ein Zugriff möglich wäre.

Bilder von Einheiten sehen in all diesen Fragmentiertem dann gleich unpassend aus. Wenn Christian in einer Idylle unter einer Windmühle in Belgien Alex nach dem gemeinsamen Verlust trösten möchte, dann sieht es aus, als ob wir uns in einer Teewurstwerbung befinden. So sehr Domino als Thriller an seiner Holprigkeit krankt, so sehr profitiert das entworfene Zeitbild, das sowohl in der Garstigkeit des virtuosen Genrefilms als auch in seinen gescheiterten Bruchstücken bei aller makabren Spaßigkeit vor allem da ein polymorph mulmiges Bild menschlicher Gemeinschaft im frühen 21. Jahrhundert entwirft, wo die Zersplitterung schon natürlich scheint.

Der Film steht bis zum 17.09.2022 in der Tele-5-Mediathek.

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Kommentare


Patrick

Nur der Treibstoff dieser Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen wird eindeutig identifiziert: schlechtes Deutsch.






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