Der Solist – Kritik

Regisseur Joe Wright komponiert Bilder zu Bach und Beethoven. Bei allem Inszenierungseifer vergisst er aber, eine Geschichte zu erzählen.

Der Solist

Manchmal ist es durchaus angebracht, Filme mit gemalten oder gezeichneten Bildern zu vergleichen: Stanley Kubricks Barry Lyndon (1975) zum Beispiel ist eine einzige Ansammlung von Gemälden, in der jeder Establishing Shot wirkt, wie vom Pinsel eines englischen Landschafts- oder Porträtmalers aus dem 18. Jahrhundert. Auch bei David Lynchs Lost Highway (1997) liegt ein Bildvergleich nahe. Der Film beschäftigt sich, ähnlich wie die unmöglichen Figuren des niederländischen Grafikers M.C. Escher, mit Zwischenräumen und logischen Diskontinuitäten. Beide erforschen Bereiche, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Escher kann helfen, Lynchs schwer zugängliches Werk zu fassen.

Der Solist

Mit barocker Landschaftsmalerei oder optischen Täuschungen hat das jüngste Werk des Regie-Shootingstars Joe Wright nun aber wenig zu tun, und ihm ein – wie auch immer geartetes – Forschungsinteresse zu unterstellen, wäre maßlos übertrieben. Doch wenngleich der große Erkenntnisgewinn ausbleibt – auch hier bietet es sich an, Bilder als Referenz heranzuziehen, um den Film präzise zu beschreiben, denn Der Solist (The Soloist) ähnelt nicht nur äußerlich einem dekorativen Ikea-Bild, sondern hat auch eigentlich nicht viel mehr zu sagen als Tvilling oder Pjätteryd.

Der Solist

Steve Lopez (Robert Downey jr.) ist ein sympathischer, hilfsbereiter Kerl. Im Verlauf des Films ändert sich das kaum. Am Anfang wirkt der Kolumnist der LA Times, geplagt von den Folgen eines Fahrradunfalls, vielleicht noch etwas anrührender als in den Momenten, in denen ihm seine Philanthropie für kurze Augenblicke ein wenig lästig wird. Insgesamt ist Steve Lopez aber, wie jede Figur in Joe Wrights Rührstück, zutiefst menschlich. Das zeigt sich besonders in seinem Engagement für den verwirrten Nathaniel (Jamie Foxx). Der einstmals hochtalentierte Student am Elite-Konservatorium Juilliard lebt heute auf der Straße. Während seines Studiums entwickelte er eine ernsthafte Schizophrenie und verlor immer mehr den Bezug zu seiner Umwelt. Knallbunt gekleidet schiebt er nun alle seine Habseligkeiten in einem Einkaufswagen durch Los Angeles, bis er eines Tages auf Steve Lopez trifft. Der schreibt eine Kolumne über Nathaniel, besorgt ihm ein Cello, schreibt mehr Kolumnen über Nathaniel, mietet ihm eine Wohnung und gewinnt einen Journalistenpreis.

Das ist sie dann auch schon, die dünne Story von Der Solist. Sie basiert auf dem Buch The Soloist: A Lost Dream, an Unlikely Friendship and the Redemptive Power of Music (2008), geschrieben vom echten Steve Lopez, Journalist der LA Times. Es ist eine schöne, optimistische Geschichte mit lokalem Bezug. Hervorragend für eine oder sogar eine Reihe von Kolumnen. Einen ganzen Film kann sie nicht tragen. Es gibt keine Dramaturgie, keine Wendepunkte und auch keine Figurenentwicklung. Kurzum: nichts, was eine interessante Geschichte ausmacht.

Der Solist

Aber für Wright ist die Erzählung ohnehin nur der Rahmen, denn wie schon in Abbitte (Atonement, 2007) steht die unbändige Lust des Regisseurs an der audiovisuellen Inszenierung im Zentrum des Films. Gemeinsam mit Kameramann Seamus McGarvey und dem Komponisten Dario Marianelli, mit denen er schon für Abbitte zusammengearbeitet hatte, entwirft Wright bevorzugt opulente Kamerafahrten zu klassischer Musik: Nathaniel sitzt neben seinem Einkaufswagen auf dem Randstreifen einer Autobahnunterführung. Lopez hat ihm gerade ein Cello in die Hand gedrückt. Nathaniel beginnt zu spielen, zum ersten Mal seit Jahren. Die Kamera beobachtet ihn im Close-up, kurz sehen wir den sichtlich bewegten Times-Kolumnisten im Gegenschuss. Nathaniels Spiel beginnt ganz behutsam, gewinnt dann an Tempo, und auf dem Höhepunkt angelangt steigen wir in einer rasanten Kamerafahrt mit zwei weißen Tauben aus einem Belüftungsschacht der Unterführung in den Himmel über Los Angeles auf. Zu einer von Marianellis Beethoven-Variationen schweben wir sanft über die Stadt und werden Zeugen von Wrights Versuch, eine eigenständige Bildpoesie zu entwickeln.

Der Solist

Auf dem Soundtrack heißt das Stück zu dieser Sequenz „A City Symphony“, und streckenweise lässt Wright seinen Film als eine moderne Übersetzung von Walter Ruttmanns Berlin: Die Sinfonie der Großstadt (1927) erscheinen. Die erste Hollywood-Produktion des Briten ist auch ein Essay zu Los Angeles als einer Stadt, die maßgeblich von Gegensätzen geprägt ist. Das Ergebnis ist zwar hübsch anzusehen, aber die Bildsprache bleibt immer an der Oberfläche. Der Solist entwickelt keine überzeugende Symbolik. Wrights ästhetisches Konzept bezieht sich nur auf sich selbst. Im Kern ist der Film nicht mehr als die blanke Pose.

Neue Kritiken

Trailer zu „Der Solist“


Trailer ansehen (1)

Neue Trailer

alle neuen Trailer

Kommentare

Es gibt bisher noch keine Kommentare.






Kommentare der Nutzer geben nur deren Meinung wieder. Durch das Schreiben eines Kommentars stimmen sie unseren Regeln zu.