Der letzte Angestellte – Kritik
Wenn Papa seine Pillen nicht nimmt. Oder: Paranoia in Deutschland.

Die Paranoia-Filme des New Hollywood gehören zu dem Wunderbarsten, was das Kino uns je geschenkt hat. Sie sind zum einen Ausdruck eines Umbruchs und einer Verunsicherung, zum anderen illustrieren viele von ihnen die nach dem Tod der Kennedys und Bürgerrechtler bestehende Hoffnungslosigkeit. Im Zuge verschleierter Attentate und erst recht der Watergate-Affäre ist die Hoffnung einem allumfassenden Misstrauen gewichen.
Polanski und die europäischen Paranoiker haben ihre Filme weniger allegorisch angelegt, sind eher in die Seele des Einzelnen vor- und eingedrungen. Dieser Tradition ist Alexander Adolph verpflichtet. Seine dritte Regiearbeit, das Nachfolgeprojekt des sehenswerten So glücklich war ich noch nie (2009), ist alles andere als abstrakt. Der letzte Angestellte ist so konkret, als hätte es die Mindfuck-Filme nie gegeben. Ein Horrorstreifen ohne Twist und List, ohne Geheimnis, ohne alles.

Ein Blick auf den Ort des Bösen: ein Bürohochhaus. Bass, wir brauchen Bass. Der Sound vibriert, der Ton soll den Horror übertragen. Umschnitt. Eigenheim. Im Umbruch. Vor dem Verlassen. Papa gruselt den Sohn. Gruselmonster. Die werden bald real. Warum taucht die tote Frau (Bibiana Beglau) immer wieder auf?
Das Licht flackert, was das Zeug hält, immer und immer wieder. Geht ganz aus. Ähnlich geht es dem Radio. Verfluchter Ort, dieses Großraumbüro. Und so entvölkert dazu. Ganz alleine dort – glatt zum Verrücktwerden. David (Christian Berkel) hat seinen letzten Job verloren, diesen will er halten, um jeden Preis. Das Filmfest München hatte in den vergangenen Jahren ein Faible für deutsche Arbeitslosen-Filme: 2009 Draußen am See, im vorvergangenen Sommer Die Hummel und eben Der letzte Angestellte. Obwohl der Begriff „Weltwirtschaftskrise“ wieder ad acta gelegt wurde und die Studien zur Arbeitslosigkeit in Deutschland Zuversicht vermitteln wollen, ist Adolphs Film in dieser Hinsicht nicht völlig outdatet. Die europäische Finanzkrise existiert und der im Arbeitsmarkt-Kontext entstehende Druck trägt seinen Anteil am neuen Volksphänomen Burnout. David ist ein Mann seiner Zeit.

Es gibt nur, anders als im New Hollywood, keine Transferleistung. Vor allem aber stellt sich Adolphs Inszenierung als weder zeitgemäß noch im positiven Sinne klassisch dar. Wo Polanski aus Architektur, Farbe und Mimik ein tödliches Geflecht spinnt, wagt Adolph den Griff in die Mottenkiste des Gruselkabinetts. Der misslingt genauso wie die abrupten Ausflüge in Slasher/Giallo-Fantasien. Outdated ist Alexander Adolphs Horrorvariante auch in anderer Hinsicht: Seit der Premiere vor über einem Jahr lag er auf Halde, vor dem Kinostart wurden noch nicht einmal mehr Pressevorführungen angesetzt. Das hat nichts mit Paranoia zu tun, sondern schlicht mit der Qualität eines Films von vorgestern.
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Kommentare
herr vorragend
"Ein Horrorstreifen ohne Twist und List, ohne Geheimnis, ohne alles"
Ich wundere mich immer wieder über Kritiken, die einen Film nur deshalb in Grund und Boden schreiben, weil er keinen besonderen Überraschungseffekt hat. Als ob das die zentrale Qualität eines jeden Films wäre, mit der alles steht und fällt... Unglaublich dichte Atmosphäre? Egal. Überzeugende Darsteller? Geschenkt. Selten gelungene Kombination von Kapitalismuskritik mit dem Horror-Genre? Sei's drum, es war ja nicht überraschend.
Gute Filme aus Deutschland gibt es wirklich nicht wie Sand am Meer. Schade, dass wenn doch mal einer kommt, und dann noch aus dem Horror-Genre, er hier grundlos madig gemacht wird.
1 Kommentar