Der Lebensversicherer – Kritik
Ausgezeichnet auf der vergangenen Berlinale lässt dieser Debütfilm einen rastlosen und lebensmüden Versicherungsvertreter eine schicksalhafte Ausfahrt und Auszeit nehmen. Der Frau folgend, die das Steuer für ihn herumreißen könnte.

Der Anzug gestreift, das Hemd kariert, die Krawatte eine Mischung aus Punkten und Kreuzen. Die immer gleiche und zunehmend müffelnde Arbeitskluft von Versicherungsvertreter Burkhard Wagner (Jens Harzer, Requiem, 2005) ist eine Zumutung für Augen und Nase, sein manisches Kichern nach jedem erfolgreichen Vertragsabschluss eine für die Ohren. Er lebt in seinem Wagen und jagt auf endlosen Autobahnen einem besseren Leben hinterher. Einzige Verbindung zu Frau und Kind ist der Anrufbeantworter.
Einen unwilligen Kunden verfolgt der Vertreter schon mal bis auf die Toilette, einer anderen wirft er so nebenbei ein Messer vor die Füße, um zu demonstrieren, wie schnell und unvorhersehbar der Sprung über die Klinge und umso notwendiger eine Lebensversicherung sein kann. Dem Brummifahrer mit Großfamilie und notorischen Geldsorgen rät er als letzten Ausweg am Steuer einzuschlafen - den „Big Sleep“ also. Das sehe nach Unfall aus, da würde keiner was vermuten.

Schlaf ist auch das, was Wagner dringend bräuchte. Sein Elan und Optimismus reduziert sich mit wachsender Kilometerzahl. Erst als er auf einer Raststätte die rätselhafte Pensionswirtin Caroline (Marina Galic) entdeckt, sie heimlich beobachtet und schließlich als Gast bei ihr einkehrt, werden seine Lebensgeister wieder geweckt. Die abgelegene Unterkunft scheint jenseits von Zeit und Raum zu existieren und die beiden Gestrandeten teilen mehr als ein Faible für französische Chansons.
Die Figur der Caroline ist nicht nur Wagners „Femme Vitale“, sie versetzt auch der Handlung einen Antrieb und Spannungsschub, den sie etwas früher hätte vertragen können. Der 1968 in der Türkei geborene und in Deutschland aufgewachsene Drehbuchautor und Regisseur Bülent Akinci nimmt sich in seinem Spielfilmdebüt viel Zeit, seine Hauptfigur einzuführen. Das ist eine Hülle von einem Mann, der sich und anderen etwas vormacht, der eher Unbehagen als Sympathie weckt und durch seine Penetranz und Künstlichkeit mehr abstößt als fasziniert oder emotional involviert.

Wagner begibt sich auf eine Odyssee in Richtung Heimat und Familie, wie die Figur des Ned Merrill (Burt Lancaster) in Frank Perrys Der Schwimmer (The Swimmer, 1968). Der taucht nach längerer Abwesenheit in seiner Nachbarschaft auf, schwimmt von Pool zu Pool nach Hause, muss dabei Stationen seines Lebens konfrontieren und büßt mit jeder Begegnung Energie und Selbstbild ein. Doch während Merrill zu Beginn noch athletisch, stolz und beliebt auftritt, sieht man Wagners Angeschlagenheit bereits in der ersten Szene, als er in einer Autowaschanlage eine Panikattacke bekommt. Merrills Entwicklung berührt in ihrer Tragik, Wagners Zustand tut dies nicht.
Der Schwimmer lässt uns die platzenden Seifenblasen einer Existenz, die Kluft zwischen Schein und Sein, Pool für Pool nachvollziehen und mitfühlen. Menschen tauchen auf, die von Merrill enttäuscht wurden und ihm jetzt einen Spiegel vorhalten. Wir gewinnen ein komplexes Bild davon, wer er ist und was er verloren hat. Der Lebensversicherer zeigt uns jemanden, der eine Rolle spielt, von Anfang an gebrochen und suspekt ist, schwer einzuordnen und nicht greifbar. Wir ahnen Wagners Schmerz, später wissen wir von ihm, aber wir spüren ihn nicht. Und vielleicht lässt er uns auch deshalb kalt, weil wir nur eine schwammige Vorstellung von dem erhalten, was eigentlich auf dem Spiel stand.

Anstelle eines emotionalen Zugangs liefert uns Akinci, der seit 1996 sechs Kurzfilme drehte (darunter den preisgekrönten Eine kleine Geschichte, 2001), intelligentes und handwerklich geschicktes Kopfkino, das auf der diesjährigen Berlinale mit dem Hauptpreis der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ ausgezeichnet wurde. Seine Stärke ist es, eine depressive deutsche Realität, in der bis zur letzten Nebenfigur alle um ihre Überlebensnische kämpfen, mit mehrdeutigen Traumsequenzen und Scheinwelten zu verbinden. Ein Genre-Spagat zwischen Sozialdrama und Mystery, der flüssig und ohne sichtbare Anstrengung gelingt.
Einzig die sparsamen Dialoge kommen manchmal zu schwerhändig und mit der Bedeutungskeule daher: „Man muss wissen, wofür man lebt, um zu wissen, wofür man stirbt.“ Das macht sich im Poesiealbum besser, als in einem Film, der mit seiner Thematik und Bildsprache schon keine Leichtigkeit verbreitet. Das ist stellenweise überambitioniert und an der Grenze, ins Peinliche zu kippen, wird aber von den Darstellern ausbalanciert.
Der Lebensversicherer gibt Rätsel auf, die angenehm in der Schwebe bleiben und nicht eindeutig aufgelöst werden. Er macht neugierig auf zukünftige Akinci-Würfe und regt zum Mitdenken an, wenn auch nicht zum Mitfühlen. Wirkliche Anteilnahme empfindet man für seinen Protagonisten selbst in dessen ehrlichsten und verzweifeltsten Momenten nicht, in denen er seine Maske ablegt und der Realität ins Auge blickt. Eine Distanz zu ihm und zum Geschehen bleibt bis zum Schluss.
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Kommentare
leonardo
schlechtester film aller zeiten...
ich
da gibts gar nichts gutes dran
Alphabeat
Gute Nacht Deutscher Film.
Langweilig, platte Dialog,
selbstverliebt.
Mirjam
Super schlechter Film - alleine die ersten Minuten sind schon zum Einschlafen schlecht - und weitere Höhepunkte gibt es nicht - wer schaut sich so einen Film freiwillig an? Ich gehe ins Kino, weil ich abgelenkt werden will - mein Leben ist mir realistisch genug, da will ich wenigstens im Kino Spaß, Action oder Romantik haben...
asdfghjk
Genau das ist das Problem von euch.
Hauptsache rosarote Brille auf, neues Produkt aus Hollywood schauen und bloß nicht nachdenken müssen...
Jens
Der Film lief gestern bei uns in der Sneak. Er wurde mit den Worten angekündigt "man muss sich nur auf den Film einlassen" Das habe ich getan. Jede Minute des Films geschaut. Meine Meinung in einem Wort: Schlecht oder in zwei Worten: grotten schlecht.
In der Vorstehenden Kritik gibt es Aussagen wie " Der Lebensversicherer gibt Rätsel auf". Anders ausgedrück, man weiß nicht was die Handlung war. Nett ist auch die Äußerung "Er macht neugierig auf zukünftige Akinci-Würfe". Meiner Beobachtung anch ist das eine eindeutige Mindermeinung. 50% der Zuschauer waren anch 30 Minuten weg, der Rest ist beim Abspann erleichtert aufgestanden (endlich vorbei). Neugierig machte der film nicht auf weitere Produktionen - eher als Abschreckendes Warnsignal zu verstehen.
Thomas Ungeheuer
Okay Mädels, der Film ist kein Meisterwerk. Aber er setzt sich engagiert gegen die Verblödung seiner Zuschauer ein. Das hat man eher selten im Kino. So Stimme ich asdghjk zu. Aber ganz ehrlich, ich finde es etwas albern unter einen beknackten Decknamen zu schreiben, wenn man anderer Meinung ist. A´umba calimba der Thomas
moonlight
ich gehe gerne ins kino und sehr selten schaue ich hollywood mainstream. kurz ich mag also schon anspruchsvillle filme....
..der lebensversciherer ist aber nicht abspruchsvoll sondern SCHLECHT !
langweilig, die grundaussage hat nach 10 minuten die letzte schnarchbacke kapiert und die paar ideen, die der regisseur und autoe hatte, werden auch nicht genialer, wenn er sie bis zum erbrechen wiederholt.
ich war in begleitung im kino - sonst wäre ich nach den schon oben erwähnten 30 minuten gegangen...
Johannes
Ich mochte den Film irgendwie, obgleich er teilweise unbestreitbar langweilig ist. Der einsamste Film, den ich bis jetzt gesehen habe.
Jasmin
Jämmerlich, selbstverliebt trifft es genau, dieser Streifen. So wie der, der mir diesen Film empfohlen hat.
10 Kommentare