Die Frau im Nebel – Kritik
VoD: Schlafloser Kommissar verliebt sich in Witwe unter Mordverdacht. Das Vexierspiel zwischen einem ungleichen Paar verfolgt Park Chan-Wook bis in kaum wahrnehmbare Details. Die Frau im Nebel ist sein bisher unaufgeregtester und sublimster Film.

Die Regiehandschrift von Park Chan-Wook ist schon lange eine musikalische. Ob es sich um seine zum Kanon des südkoreanischen Kinos gewordene Vengeance-Trilogie (Sympathy for Mr. Vengeance, 2002, Oldboy, 2003 und Lady Vengeance, 2005) oder den dann in den USA produzierten Stoker (2013) handelt –, nicht nur haben seine Filme stets einen klassisch-instrumentalen Score, ihr eigener inszenatorischer Puls ist der einer romantischen Sinfonie.

Auch Die Frau im Nebel – der Originaltitel übersetzt sich auf Deutsch etwa als „Entschluss zur Trennung“ – ist ein solches Instrumentalwerk. Mal heiter-lustig, mal melodramatisch, mal stampfend wie ein trotziges Kind tanzt die Palme-d’Or-nominierte Kriminalgeschichte um Hae-joon (Park Hae-il) und Seo-rae (Tang Wei) stets frech im Orchestergraben herum.
Vom ersten Moment an hypnotisiert

Hae-joon ist ein an Insomnie leidender Kommissar der Polizei in Busan, der sich einer gründlichen, fast obsessiven Arbeitsmoral verpflichtet hat. Er führt eine Wochenendbeziehung mit seiner Frau im kleineren Ort Ipo. Beides – seine strenge Ethik als Beamter und die Treue in seiner Ehe – wird herausgefordert, als er den scheinbaren Unfalltod eines Hobbykletterers untersucht. Er verhört die Witwe Seo-rae und ist vom ersten Moment an wie hypnotisiert von der undurchsichtigen Chinesin.

An und mit der Beziehung zwischen Hae-joon und Seo-rae entfaltet sich Die Frau im Nebel. Und mit ihr ein zweischneidiger Eros, eine kontrollierende Form der Liebe, eine Sexualität mit ausgeprägtem Dominanzgefälle. „Als du ‚Ich liebe dich‘ zu mir sagtest, ist deine Liebe erloschen. Und als deine Liebe erlosch, hat meine Liebe begonnen“: So beschreibt Seo-rae das Vexierspiel zwischen dem ungleichen Paar, das sich wie Öl und Wasser in einem Topf weder trennen noch verbinden kann.

Denn schließlich ist sie tatverdächtig am vermuteten Mord an ihrem Mann und er der zuständige Ermittler. Sie ist aus China geflüchtet, er Koreaner. Sie ist frisch verwitwet, er verheiratet. Und so bleibt Hae-joon, dessen obsessive Natur sich Seo-rae zum Gegenstand nimmt, nur die Observation. Er wartet nachts vor ihrer Wohnung, späht tagsüber durch Fenster, um ihr nah zu sein. Mordermittlung und magnetisiertes Verliebtsein fallen in eins.
Spiegel, Bildschirme und andere Oberflächen

Das dekliniert Park 139 Minuten lang durch, bis in Details hinein, die kaum mehr als unbewusst wahrnehmbar sind. Etwa wenn seine Kamera den aufeinander fixierten Protagonisten eine gemeinsame Realität abspricht, indem die abwechselnd scharf und unscharf gestellt werden, aber nie zugleich. Sie in Spiegeln, Bildschirmen und anderen Oberflächen einsperrt.

Auf diese Weise wird Die Frau im Nebel zum unaufgeregtesten und vielleicht sublimsten von Parks bisherigen Spielfilmen. Wo in Oldboy noch ein lebender Oktopus gegessen und eine Zunge abgetrennt wurde und in Durst (2009) spritzend Blut getrunken, sind es hier Augentropfen- und Sojatuben, die zu Streichinstrumenten Säfte frei werden lassen.

Ein erstes altersmildes Werk? Noch nicht. Die Themen des Films sind nichtsdestotrotz abseitig bis morbide. Immerhin geht es um Mord, Betrug, Suizid, Rache. Das sind Dinge, deren Schattenspiel Park Chan-Wook schon immer eben hypnotisch angezogen hat, wie es uns an den Sinfonien anzieht, die er uns in düsteren Bildern vormusiziert.
Der Film steht bis zum 11.02.2025 in der Arte-Mediathek.
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