Dave Made a Maze – Kritik

Bill Watterson lässt die Figuren seines von handwerklichem Do-It-Yourself-Geist durchdrungenen Regiedebüts in einen großen Pappkarton kriechen und nicht mehr rausfinden. Dave Made a Maze zeigt viel Herzblut und bleibt zugleich blutleer.

Als Annie (Meera Rohit Kumbhani) nach Hause kommt und ein großes Kartonagenkonstrukt mitten im Wohnzimmer aufgebaut sieht, aus dem heraus ihr Freund Dave (Nick Thune) ihr mitteilt, dass er sich darin schon seit drei Tagen aufhalte, bringt sie das erstaunlicherweise kaum aus der Fassung. Erst mal duschen gehen, dann wird sich diese Spinnerei wohl von alleine erledigen. Doch als Dave behauptet, aus seinem Papplabyrinth, das innen wesentlich größer sei, als es aussehe, nicht mehr rauszufinden, muss Annie aktiv werden. Gemeinsam mit Daves bestem Freund Gordon (Adam Busch) und weiteren Gefährten geht sie auf eine Expedition in den Kartonbau, die sich als keineswegs ungefährlich herausstellt.

Ein handgemachtes Wunderland im Pappkarton

Dass Bill Watterson seinen Debütfilm hauptsächlich in einem riesigen Pappkarton spielen lässt, ist eine wahrlich entzückende Idee. Das Konstrukt entpuppt sich als eine Art Wunderland, das mit diversen kuriosen Räumen und eigenen Gesetzmäßigkeiten aufwartet. Und alles ist tatsächlich handgemacht aus einfachsten Materialien wie Papier, Schnüren, Spielkarten und tonnenweise Kartons. In der erzählten Welt zeichnet Dave dafür verantwortlich, am Set beweisen Watterson und sein Dekoteam, wie man mit kleinem Budget und viel kreativer Handarbeit einen visuell beindruckenden Film schaffen kann. Das titelgebende Labyrinth bietet nicht nur eine charmante Bastelei nach der anderen, es stellt einen Mikrokosmos mit eigenen Kreaturen dar, darunter Origamivögel, ein Minotaurus oder eine riesige Hand. Diese stellen mitunter schon mal eine lebensgefährliche Bedrohung dar, nehmen der Steifpapierwelt aber letztlich nichts von ihrer Niedlichkeit. An einer Stelle, die leider recht früh schon den humoristischen Höhepunkt des Films bildet, werden Dave und seine Freunde sogar selbst zu Pappfiguren.

Viel Herzblut und doch blutleer

Der Gang durch das Labyrinth wird allerdings schnell zum nummerndramaturgischen Etappenlauf. Im ein oder anderen Raum lauern Fallen, die unter den Expeditionsteilnehmern ihre Opfer fordern. Auch der Tod ist hier eine eher drollige Angelegenheit. So spritzen, wenn Köpfe abgetrennt oder Körper durchbohrt werden, statt Blut lediglich rote Luftschlangen und Konfetti durch den Raum (so könnte man sich wohl auch einen Horrorfilm des Kindskopfs im positivsten Sinne Michel Gondry vorstellen). Wie konsequent sich Watterson und Co-Autor Steven Sears ihre DIY-Wunderwelt erdacht haben, gehört eindeutig zu den Stärken des Films. Doch so blutleer wie der Bastelsplatter bleibt auch die Story, dieses Gefühl stellt sich leider schon früh ein. Das wundersame Kartonwerk, durch das wir geführt werden, wurde erkennbar mit viel Herzblut entworfen, aber wovon darüber hinaus nun eigentlich erzählt werden soll, wird nie wirklich klar. Und als Komödie hat Dave Made a Maze mit den Reaktionen von Daves Freunden auf das Labyrinth und den genannten netten Einfällen die besten Pointen schon relativ früh abgefeuert.

Die narrative Ziellosigkeit ist dabei nicht dem Umstand geschuldet, dass sich der Film jeder tiefergehenden Ebene verweigern würde. Die aufgegriffenen Ansätze werden jedoch lustlos wieder fallen gelassen oder nur sehr wirr fortgeführt. So gibt Annies unaufgeregter, leicht frustrierter Blick als Reaktion auf die Behauptung ihres Freundes, in dem Karton verloren zu sein, Anlass, in der fantastischen Bastelei eine Allegorie für die Sinnkrise des Paares oder Daves im Speziellen zu lesen. Der Dreißigjährige erscheint dazu nicht unpassend wie eine typische Figur aus dem schrulligen, kindlich-hängengebliebenen „Loser“-Arsenal des Quirkiefilms. Im Labyrinth der Handlung verliert sich dieser Ansatz aber bald in Belanglosigkeiten. So wird an einer Stelle kurz vor Schluss unvermittelt zu einem Bild von Annie und Dave gesprungen, die mit einer Tasse Kaffee in der Küche sitzen und sich über ihre gegenläufigen Tagespläne austauschen. Was zuerst wie die Andeutung eines basalen Konflikts anmutet, erschöpft sich schließlich nur im Durchspielen der Szene in immer wechselnden, handgebastelten Kostümen. Nach dem Schnitt zurück ins Labyrinth bleibt der Einschub schlicht kryptisch. Spätestens nach der ersten Hälfte der Spielzeit ist der Erzählung insgesamt die Luft ausgegangen, und es folgen nur noch halbherzig ersponnene und aneinandergereihte Wendungen.

More childlike wonder“

Interessant ist Dave Made a Maze vor allem als Beispiel der Indiefilm-Tendenz, den handwerklichen Do-it-Yourself-Geist zum Thema zu machen, quasi als Gegen- oder auch Komplementärbewegung zu den CGI-Großprojekten Hollywoods. Oft ist der kreative Weg des Entwerfens und Machens gleichzeitig bereits das selbstgenügsame Ziel. Die schönsten Beispiele hierfür sind Michel Gondrys Abgedreht (Be Kind Rewind, 2008) und Dave McCarys Die Abenteuer von Brigsby Bär (Brigsby Bear, 2017). Während diese Referenzwerke jedoch neben allem Bricolage-Eifer doch auch ein aufrichtiges Interesse für ihre Figuren zeigen, das die Geschichte zu tragen vermag, verrennt sich Dave Made a Maze gleichermaßen wie seine Hauptfigur im Dekor. Annie verkörpert in diesem Kontext nahezu metareflexiv ein zentrales Problem: „More childlike wonder“ fordert sie einer der Freunde, der die Expedition für die Inszenierung eines Dokumentarfilms nutzt, auf, ihren eher gelangweilten Blick zu modifizieren. Wenn sich die kindliche Begeisterungsfähigkeit an den witzigen Setdesigns erst einmal erschöpft hat, braucht es eben doch noch mehr für einen Spielfilm. Interessanterweise ist eine Nebenrolle mit Timothy Nordwind besetzt, einem Mitglied der Band Ok Go, die mit ihren extrem akribisch abgestimmten und ausschließlich im realen Raum vor der Kamera abgefilmten Oneshot-Musikvideos regelmäßig eine kleine Sensation in Sachen einfallsreicher Gestaltung abliefert. Die größte Enttäuschung bei Dave Made a Maze besteht denn vielleicht auch gar nicht in der vernachlässigten Narration, sondern darin, dass in dem vergeblichen Versuch, die ganze Idee auf einen ohnehin nur 80-minütigen Spielfilm zu strecken, die Chance auf einen möglicherweise wirklich grandiosen Kurzfilm oder Videoclip vergeben wurde.

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Kommentare


Niels

"Was zuerst wie die Andeutung eines basalen Konflikts anmutet, erschöpft sich schließlich nur im Durchspielen der Szene in immer wechselnden, handgebastelten Kostümen."

Ich würde an diesem Punkt widersprechen: Die Zeile "I've changed my mind" ist der Schlüsselsatz. Die offensichtliche Bedeutung ist natürlich "Ich habe meine Meinung geändert", aber wörtlich steckt darin auch "ich habe mein Wesen verändert". Wie bei Eternal Sunshine of the Spotless Mind befindet sich der Protagonist im eigenen Kopf und versucht von dort aus eine Änderung herbeizuführen. Nur geht es hier nicht um die eigene Erinnerung, sondern um die Frustration und Schwäche, angefangene Dinge zu beenden. Dieser Teil seiner Persönlichkeit wird analog zur Kerze ausgepustet und von Dave hinter sich gelassen. Der neue Dave kehrt verändert zurück, wie die veränderte Kleidung symbolisiert.






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