Das Pfauenparadies – Kritik

Ein domestizierter Pfau will fliegen lernen, die Menschen um ihn herum stehen auch ganz schön unter Spannung. Laura Bispuris Film über eine Familienfeier hat mehr Gespür für die einzelnen Figuren als fürs Kollektiv.

Der Pfau in Laura Bispuris Das Pfauenparadies ist domestiziert, das heißt, er hat einen Namen. Doch in der emotionalen Enge des Apartments bewegt er sich mit einer Freiheit, die die anderen Figuren irritiert. Die Kamera nähert sich ihm mehr und mehr an, und er schielt auf sie mit einer gewissen Neugier. Der Pfau verliebt sich in das Bild einer Taube und imponiert ihm, indem er sich aufplustert und Keramik zerstört. Kurzzeitig wird er deswegen auf den Balkon verbannt. Später landet eine echte Taube neben ihn auf der Balustrade. Er springt zu ihr hinauf, und sie wechseln Blicke. Als sie fortfliegt, sieht er kurz auf die Straße, den Strand, das Meer. Einen Schnitt später liegt er aufgeschlagen auf dem Asphalt. Er wollte fliegen lernen. Ein Liebestod.

Vitrinen, in denen Schmuckgeschirr verlebt

Diese Spannung zwischen drinnen und draußen, dem Eingesperrten und Ausgelassenen zieht sich auch durch die Menschen, die sich um den Pfau versammeln. Das Pfauenparadies beginnt mit Bäumen im Wind einer Landstraße, die Richtung Küste führt. Nena (Dominique Sanda, immer leicht außerhalb des Films schwebend) als die Matriarchin lädt zusammen mit ihrem Mann (Carlo Cerciello) und ihrer Haushaltshilfe (Maddalena Crippa) sowie deren Tochter (Ludovica Alvazzi Del Frate) zur Geburtstagsfeier. Es gibt obligatorische Geheimnisse, die gelüftet, und Spannungen, die auserzählt werden. Das Apartment besteht aus altem Holz und Vitrinen, in denen Schmuckgeschirr verlebt. Die Decken sind ockerfarben, die Stühle pastellgrün. Draußen, am Balkon, kann man unter dem Straßenlärm auch das Kreischen der Möwen hören.

Vito (Leonardo Lidi), der Sohn, plant seine neue Freundin Adelina (Alba Rohrwacher) zu heiraten, benötigt aber noch finanzielle Unterstützung. Er bringt eine Tochter, Alma (Carolina Michelangeli), mit in die Beziehung, aber Adelina hat Probleme, sich in der Mutterrolle zu finden. Caterina (Maya Sansa), die ältere Tochter, trifft ihren Ex-Freund (Fabrizio Ferracane), der trotz seiner aktuellen Partnerschaft noch Gefühle für sie hat. Isabella (Yle Vianello), die jüngere Tochter, geht gerade durch eine harte Trennung.

Die Stärke von Laura Bispuris Filmen liegt in den Momentaufnahmen. Eine Frau wartet auf der Straße im Auto, bis ihr Freund von der Feier zurückkehrt, und parkt den Wagen zehn Meter weiter vorne, um nicht länger auf ein Unfallkreuz zu schauen. Ein Mädchen, das sich entschlossen hat zu schweigen, kauft ein Eis, ihre Augen kreuzen den Blick des Baristas, und beide verharren für einen Moment, ehe sie lächelnd geht. Ein anderes Mädchen träumt davon, wie der Pfau fliegen lernt.

Man erfährt nur wenig über die Familie

Bispuri hat ein Gespür für die einzelnen Probleme und Paarkonstellationen dieser Figuren, aber nicht für das Kollektiv. Man erfährt nur wenig über diese Familie. Was sie sich erzählt, was sie zum Lachen oder Weinen bringt, wie sie kocht. Der Schnitt hat ein gutes Gefühl für den Gesprächsfluss und die Reaktionen der Gesichter. Er isoliert gerne und oft in Einzelaufnahmen; sagt, was Bispuri fühlt. Ihr Interesse gilt Alma, Adelina, der neuen Freundin oder der schweigenden Tochter der Haushaltshilfe. Personen, die leicht außerhalb stehen und langsam in das Zentrum rücken.

Gegen Ende bricht der Film aus dem Apartment aus und fährt zum Strand, um den Pfau zu begraben. Er ruht in einem seichten Sandloch, drei Dünen entfernt von den Badegästen. Jeder ist mitgenommen und bewegt und verändert durch die Ereignisse, aber der Film vermeidet bis zum Schluss die großen Gesten. Das ist nicht die Art von Melodrama, mit der sich europäisches Arthouse sonst herumquält. Dafür ist Bispuri zu sanft. Sie löst Spannungen auf, bringt Figuren erneut zusammen. Ein Film, der weiß, wann er sprechen und wann er beobachten muss.

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