Craig's Wife – Kritik

Die Titelheldin von Dorothy Arzners Blaubart-Variation sieht die Ehe als Raum für private Emanzipation und treibt ihren Mann in den Wahnsinn. Craig’s Wife (1936) ist ein sonderbarer Film, in dem die Spannungen von Arzners Kino ganz besonders sichtbar werden.

Craigs Frau ist nicht anwesend, wenn der Film beginnt. Sie ist außer Haus, besucht mit ihrer Nichte Ethel ihre schwerkranke Schwester im Hospital. In den ersten Szenen wird stattdessen Walter Craig selbst (John Boles, ein durchaus typischer Dreißigerjahre-Beau, der allerdings etwas Unterdefiniertes, Weiches an sich hat) von zwei Hausangestellten und seiner Tante umsorgt und schickt sich an, ebenfalls das Haus zu verlassen. Dennoch ist die abwesende Hausherrin allgegenwärtig. Gleich in der allerersten Einstellung hindert die eine Bedienstete die andere daran, eine Vase zu verrücken, weil das den Wut der Chefin erregen würde. Wenn Walter dann mit der Tante am Esstisch sitzt, wird die Einstellung von einem Kerzenständer dominiert, der im Bildvordergrund aufgestellt ist. Auch der ist in gewisser Weise ein Platzhalter für seine Frau, was allerdings erst klar wird, wenn diese Frau, Harriet Craig (Rosalind Russell), selbst das Haus betritt.

Tyrannin mit einem Gespür fürs Visuelle

Aber zunächst sitzt sie, dezent ungeduldig, am Krankenbett. Auf dem Rückweg im Zug hält sie ihrer Nichte einen Vortrag, der für den Film von zentraler Bedeutung ist. Nicht oder zumindest nicht primär aus Liebe habe sie geheiratet, legt Harriet der ihrerseits frisch verliebten und vielleicht auch deshalb von den Ausführungen ihrer Tante offensichtlich schockierten Ethel dar; vielmehr betrachte sie die Ehe als einen Akt der „privaten Emanzipation“, der es ihr erlaube, in einer männlich dominierten Welt ein einigermaßen selbstbestimmtes Leben zu führen. Aber das gelinge ihr nur, weil sie gleichzeitig sicherstelle, dass sie selbst in der ehelichen Beziehung stets alles unter Kontrolle habe: “Nobody can know another human being well enough to trust him.”

Wenn Harriet schließlich doch nach Hause kommt, merkt man schnell, dass sie das alles genau so meint, wie sie es sagt. In ihren eigenen vier Wänden hat sie das Sagen. Hier kontrolliert sie nicht nur die Inneneinrichtung bis ins kleinste, hyperstylische Detail hinein, sondern gleichzeitig die Mise-en-Scène des Films, durch den sie sich bewegt. Besonders gern manipuliert sie die Lichtverhältnisse, etwa wenn sie gleich mehrmals verschiedene Zimmer mithilfe von Jalousien verdunkelt. Dabei geht es freilich nicht einfach nur darum, die Außenwelt auszusperren: Die Fenster werden nicht komplett dicht gemacht, stattdessen stellt sie den Sichtschutz so ein, dass das Licht ornamentale Muster auf ihre schicken Möbel wirft. Dass sie die einzige Figur mit Gespür für das Visuelle ist, nimmt einen selbst dann für sie ein, wenn der Film eben dieses Visuelle als sterile Dekadenz zu verurteilen scheint.

Auch Harriets eigenes Auftreten wird immer mondäner. In ihren ersten Auftritten, im Krankenhaus und im Zug, trägt sie noch vergleichsweise unauffällige, hochgeschlossene Kostüme. In ihren eigenen vier Wänden dagegen wird ihre Garderobe luftiger, flatterhafter, exzentrischer. Der Höhepunkt ist ein weißes Kleid mit goldenen Borten, das ihren schlanken Körper umflort, fast als wäre es ein lebendiges Wesen. Noch später schlüpft sie in ein wieder etwas konservativeres Gewand, das allerdings mit ihren Initialen versehen ist: Die Buchstaben H.C. prangen wie ein Markenzeichen über ihrer Brust. Stolz und selbstbewusst steht Harriet am Filmende da, ihre Kleider und ihr Haus nichts anderes als eine Verlängerung ihrer selbst. Und außerdem ist sie mutterseelenallein.

Hausfrauen zwischen Gefängnis und Abenteuer

Wenn man das Drehbuch beim Wort nimmt, so sind die Insignien der stilbewussten Einsamkeit, die Harriet in den großartigen letzten Minuten des Films umgeben, gleichzeitig die Gitterstäbe eines Gefängnisses. Sie hat sich, so wird ihr gleich mehrmals und von verschiedenen Figuren erklärt, dieses Gefängnis selbst gebaut, durch ihre Versuche, alles um sie herum zu kontrollieren, durch ihre Weigerung, auch nur irgendjemanden an sich heranzulassen. In der Tat ist sie eine Meisterin der Verweigerung: Kapriziös entzieht sie sich den Umarmungsversuchen ihres Ehemanns, eiskalt serviert sie eine Bedienstete ab, außerdem stichelt sie bei jeder Gelegenheit gegen die allzu leutselige Nachbarin.

Aber so klar, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Sache nicht. Denn Harriet hat gute Gründe für ihr Verhalten und sie spricht sie auch offen aus: Ihre eigene Mutter war einst eine jener opferwilligen Ehefrauen, die ihrem Mann jeden Wunsch von den Lippen ablesen, irgendwann von ihm verraten werden und schließlich einsam und verlassen zurückbleiben. Und Arzner etabliert noch weitere Spiegelverhältnisse (fast etwas zu viele für die kurzen 74 Minuten, die der Film dauert). Ethel, die Nachbarin, Walters Tante, die beiden Hausangestellten: Der Film stellt eine ganze Reihe von Frauenschicksalen vor, die mit Harriets abgeglichen werden können. Eine wirkliche „positive Alternative“, ein Beispiel für eine rundum glückliche Hausfrauenexistenz, ist nicht darunter. Eine aufmüpfige Bekannte Walters wird nach einer Affäre sogar von ihrem Ehemann erschossen. Am besten kommt noch die Tante weg, die, von Harriets Kontrollwahn vertrieben, auszieht und eine Weltreise antritt, begleitet von einer der Haushälterinnen. Entweder allein im Haus festsitzen oder sich mit weiblicher Begleitung ins ewige Abenteuer stürzen: Das sind zwar nicht die einzigen, aber die beiden zentralen Optionen, die den Frauen im Film offenstehen.

Dem Blick des Drehbuchs standhalten

Craig’s Wife ist ein sonderbarer Film, sicherlich nicht Arzners bester, aber einer, in dem die Spannungen, die viele ihrer Filme durchziehen, besonders deutlich werden. Er basiert auf einem Bühnenstück von George Kelly, von dem sich das Drehbuch möglicherweise nicht stark genug emanzipiert. So wird – vielleicht damit fast alles an einem einzigen Schauplatz erzählt werden kann – etwas allzu viel telefoniert in diesem Film. Unnötig umständlich mutet insbesondere der Handlungsstrang an, der sich um Walters ermordete Bekannte dreht und der derart komplexe Telefonate beinhaltet, dass sogar die Telefonistinnen (jene jungen Frauen, die in alten Filmen mit um den Kopf geschnallten Mikrofonen vor riesigen Schalttafeln sitzen und Kabel umstecken – ich vermisse sie sehr im Kino der Gegenwart) den Überblick zu verlieren drohen.

Vor allem erscheint mir die temporale Konzentration der Handlung auf einen engen Zeitraum von 24 Stunden ungünstig. Dadurch wird zwar die der Bühnenkunst gemäße Einheit von Zeit und Raum weitgehend gewahrt, aber dafür leidet das epische Potenzial des Stoffs. Denn im Grunde handelt es sich bei Harriet um eine weibliche Blaubart-Figur, also um eine Frau, die ihren naiven Mann systematisch in den Wahnsinn treibt, so wie in vielen Hollywoodfilmen der 1930er bis 1950er Jahren die Männer naive junge Frauen in den Wahnsinn und oft auch in den Tod treiben (man denke an Hitchcocks Shadow of a Doubt, 1943, Cukors Gaslight, 1944, natürlich auch an Ulmers Bluebeard, 1944). Anders als bei den genannten männlichen Bluebeards wird in Craig’s Wife der Spieß schnell umgedreht und es geht, vor allem in der zweiten Filmhälfte, weniger um diabolische weibliche Handlungsmacht als um einen moralisierenden, oder letztlich vielleicht eher therapeutischen Blick auf die grausame Frau.

Andererseits hält Russels nuanciertes Spiel diesem Blick stand. Die Rolle der empathielosen und deshalb letztlich zum Unglücklichsein verdammten Einzelgängerin, die ihr das Drehbuch zuschieben will (oder vielleicht eher, weil der Film schon auf dieser Ebene komplizierter ist: nahelegt), nimmt sie nicht an. Sie bleibt aber auch nicht einfach trotzig queen of her own castle. In den allerletzten Einstellungen hat man den Eindruck, dass sie einen neuen Blick erlernt, auf ihre ihr plötzlich fremd gewordene Umgebung und vielleicht auch auf sich selbst. Die Konsequenzen dieses anderen Blicks sind im Film Craig’s Wife aber nicht mehr erzählbar.

Den Einführungstext zu unserer Dorothy-Arzner-Reihe sowie einen Überblick aller Texte gibt es hier

Zu den Filmen:

First Comes Courage (1943)

Nana (1934)

The Bride Wore Red (1937)

Christopher Strong (1933)

The Wild Party (1929)

Merrily We Go to Hell (1932)

Dance, Girl, Dance (1940)

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