Convenience Store – Kritik

Berlinale 2022 – Panorama: In einem Moskauer Geschäft werden usbekische Frauen als Arbeits- und Sex-Sklavinnen gehalten. Michael Borodins Convenience Store ist dann am stärksten, wenn er kaum zu ertragen ist.

In der Arbeitspause wird schnell im Hinterzimmer geheiratet. Danach geht es für Mukhabbat (Zukhara Sanzysbay) wieder hinter die Ladentheke. Die Usbekin arbeitet als Verkäuferin in einem Moskauer Supermarkt. Nachts schläft sie in einem weiteren Hinterzimmer des Geschäfts, eingepfercht zwischen den anderen UsbekInnen, die für Shopbesitzerin Zhanna (Lyudmila Vasilyeva) schuften. Neuankömmlinge müssen direkt nach der Ankunft aus Taschkent ihren Ausweis an Zhanna abgeben. Wenn die Polizei vorbeischaut, kriegen die Beamten gratis Essen und Alkohol – und eine der jungen Frauen. Läuft mal eine Frau weg, fängt die Polizei sie wieder ein und bringt sie zurück. Dann schlägt man sie zusammen und hämmert ihr einen Nagel in den Fuß, damit sie nicht nochmal abhaut.

Diese ersten 45 Minuten von Convenience Store (Produkty 24) sind stark, weil schwer zu ertragen – zumal sie auf wahren Begebenheiten beruhen (womit sich der usbekische Regisseur Michael Borodin erfreulicherweise nicht brüstet). Die Kamera blickt dabei nicht ein einziges Mal in die Außenwelt, sondern hält mit den Frauen auch das Publikum gefangen in den düsteren Gängen des Geschäfts. Tageslicht dringt hier nicht ein, stattdessen taucht Borodin seine Figuren in farbiges Neonlicht, das eine bunte Konsumwelt suggeriert und die moderne Form der Sklaverei dahinter überstrahlt.

Der zweite Teil des Films, der in Usbekistan spielt, wird zwar von Sonnenlicht durchflutet, doch die Hoffnungslosigkeit bleibt. Dennoch verliert Convenience Store hier an Intensität, weil die Alltagsprobleme der heimgekehrten Protagonistin nicht so zu fesseln vermögen wie die drastische Darstellung der Ausbeutung in der ersten Hälfte. Zudem summieren sich die vielen Rückschläge, die Mukhabbat ereilen, zu einem etwas stereotyp wirkenden osteuropäischen – oder genauer: zentralasiatischen – Miserabilismus. „Der Mensch wurde auf die Welt gebracht, um zu leiden“, heißt es an einer Stelle.

Interessanter ist der magische Realismus, der sich immer wieder einschleicht. Mal schreitet ein Esel durchs Geschäft, mal watscheln Gänse durch ein Zugabteil – und am Ende passiert etwas gänzlich Unerwartetes. Diese Traumsequenzen stehen auf rätselhafte, aber produktive Weise quer zum ansonsten nüchtern-deprimierenden Realismus des Films. Vielleicht sind sie aber gar nicht das Gegenteil, sondern die Verlängerung des Realismus: Wo jeder Ausweg versperrt ist, bleibt nur noch die Flucht in Traumwelten.

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